Random & Fun Fünf deprimierende Romane und was man daraus lernen kann

Fünf deprimierende Romane und was man daraus lernen kann

Einsam beim Sex, betrunken im Wedding, obdachlos im ICE. Das Leiden kann manchmal so unterhaltsam und lehrreich sein. Daher: Fünf triste Bücher und welche Learnings wir daraus ziehen können.

Von Delia Koch

Anna Gien und Marlene Stark: M

Die Story

M. ist erfolglose Künstlerin, Geld verdient sie als DJane in ramschigen Berliner Underground-Clubs und auf Künstlerpartys. Heißt: Fun mit Drogen und sich quer durch die Kunstszene ficken. Als M. mit einem verheirateten Galeristen schläft, wird sie von ihrer besten Freundin zur Rede gestellt und nimmt eine Auszeit. Gelingt aber nicht so ganz, denn gemeinsam mit dem Galeristen bereitet sie eine Ausstellung vor, die ihre Existenz als Künstlerin sichern und ihr Anerkennung bringen soll.

Die Heldin, der Held

Eigentlich ist M. ganz zufrieden. Sie strahlt Autonomie aus und hat die Hosen genauso gerne an, wie sie sie auszieht. Aber bei so einem Lifestyle stolpert man natürlich irgendwann in die großen Introspektive: Alles nur Fassade? Bin ich vielleicht einsam? Muss ich was kompensieren? So eine Berliner Existenz eben, die die uralte Frage nach dem Sinn und Ziel im Leben fröhlich feiernd in die Zukunft schiebt.

Das Learning

Es heißt ja, der Kapitalismus sei schrecklich, aber wenn man den Schilderungen der Berliner Autorinnen glauben darf, dann ist der größte aller Seelenvernichter immer noch die Kunstwelt.

Erotik: 5/5

Arthouse: 3/5

Gefühle: 2/5

Anna Gien und Marlene Stark: M., Matthes & Seitz Berlin, 248 Seiten, 20 Euro.


Juan S. Guse: Miami Punk

Die Story

Das Meer vor der Küste Miamis hat sich zurückgezogen, die Stadt befindet sich in der Krise: Hafenbetrieb eingestellt, Tourismus komplett weg, nicht einmal die Dauerwerbesendungsbranche gibt es noch. Todesschwadronen wüten, und der Gebäudekomplex Rowdy Yates sorgt für Unbehagen. Mittendrin entwickelt Robin erfolglos ihre eigenen Computerspiele, Lint verbringt seine Zeit heimlich im Kongress, und ein E-Sport-Team aus Wuppertal will das letzte „Counter Strike“-Turnier gewinnen.

Die Heldin, der Held

Frustriert, traurig und müde von ihrem Job in einem Lifescience-Konzern, erhofft sich Robin einen Ausgleich durch das Programmieren von Indie-Games, von denen die meisten allerdings niemals fertig werden. Stefan Butler, I feel you. Die Spiele sind dann so deprimierend wie „Mission Lunch“, das sie für eine Freundin macht. Die Handlung: Ein Typ denkt, sein Büro sei ein Gefängnis, aus dem er sich befreien muss, zwinker.

Das Learning

Jajaja, wer jetzt nicht coden lernt, ist in der Zukunft verloren. Aber stimmt das? Diese Nerd-Dystopie lehrt: Am Ende ist man trotz Scifi-Skills auch nicht gefeit vor passiv-aggressivem Selbsthass.

Action: 3/5

Landschaft: 2/5

Energy: 5/5

Juan S. Guse: Miami Punk, S. Fischer Verlag, 640 Seiten, 26 Euro. 


Nicola Karlsson: Licht über dem Wedding

Die Story

Teufel Alkohol: Agnes und ihr Vater Wolf leben schon immer im Wedding. Während Agnes unter der Trennung von ihrem Freund leidet, versucht Wolf, trocken zu werden und Arbeit zu finden. Nachbarin Hannah ist erst vor Kurzem hergezogen. Sie hat ihr Studium abgebrochen und betreibt jetzt ein Modeblog. Folgerichtig wird sie von Agnes als Vorbotin der seit Jahren angedrohten Gentrifizierung gesehen. Der Beginn einer großen Feindschaft, tote Katzen und Kloppereien inklusive.

Die Heldin, der Held

Agnes, die ständig das Gefühl hat, sich gegen alle und alles behaupten zu müssen, wird oft handgreiflich und überfordert ihren Vater, der wiederum glaubt, in jeder Hinsicht versagt zu haben. Irgendwann jedoch kann ein Freund Agnes überzeugen, endlich zu versuchen, Dinge zu akzeptieren, die man ohnehin nicht ändern kann. Zahlt sich leider nicht aus. Agnes ist bereit, der harten Welt zu verzeihen, doch der Wedding bleibt härter.

Das Learning

Sollen Gründer, wie sie sich in Mitte tummeln, ihre Can-do-Attitüde pflegen. Im Wedding lautet das Depri-Learning: „Nimm es hin!“ Nebenlektion: Auch wenn der Wedding kommt, zieh besser nicht hin.

Drama: 5/5

Anspruch: 2/5

Beton: 4/5

Nicola Karlsson: Licht über dem Wedding, Piper, 320 Seiten, 20 Euro.


Albrecht Selge: Fliegen

Die Story

Wohnung weg, was nun? Als der Vermieter einer Frau in ihren Fünfzigern kündigt, tauscht sie ihr altes Leben gegen eine Bahncard 100. Seit anderthalb Jahren ist sie nun schon unterwegs, zu Hause in Großraumabteilen. Sie hat nur eine Tasche mit dem Nötigsten dabei und verdient ihr Geld mit dem Sammeln von Pfandflaschen. Und während sie jede Woche die gleiche Route abfährt, beobachtet die Frau unterwegs zwischen ungenannten Städten die Komödien und Tragödien des alltäglichen Lebens.

Die Heldin, der Held

Was vom alten Leben blieb, sind regelmäßige Telefonate mit ihrer besten Freundin, die letzte Verbindung zur früheren Existenz der namenlosen Heldin. Während ihrer Zugfahrten knüpft sie allenfalls lose Bekanntschaften, die der Einsamkeit kurz vorbeugen. Ansonsten verhält die Außenseiterin sich möglichst unauffällig, um nicht anzuecken und die Akzeptanz, die ihr von anderen entgegengebracht wird, nicht aufs Spiel zu setzen.

Das Learning

Alles hier schreit: Allegorie. Dabei hat jeder, der viel für den Job reist oder unter steigenden Metropolenmieten ächzt, mal die Kombi Schwarze Mamba plus McFit-Abo erwogen. Merke: Bleiben lassen.

Spannung: 0/5

Fernweh: 1/5

Sitzplatz: 4/5

Albrecht Selge: Fliegen, Rowohlt, 176 Seiten, 20 Euro. 


Tom Zürcher: Mobbing Dick

Die Story

Dick ist langweilig. Sein Jurastudium geht ihm auf die Nerven, zu Hause im Reihenhaus der Eltern fällt ihm die Decke auf den Kopf. Job und eigene Wohnung sollen ihm zur Freiheit verhelfen. Also heuert Dick bei der ominösen Schweizerischen Bankanstalt an. Dort befreundet er sich schnell mit dem Chef und dessen Erzfeind. Die Folge: rasanter Aufstieg. Mit steigendem Druck beginnt Dick, erst seine Kollegen, dann sein komplettes Umfeld zu mobben, und verliert zunehmend die Kontrolle über den eigenen Verstand.

Die Heldin, der Held

Einer, der es allen recht machen will, das ist Dick. Fataler Charakterzug, wenn einen die Eltern nicht ausziehen lassen wollen, der Chef fordert und noch die eigenen Ambitionen dazukommen. Die Konsequenz, die jeder nachvollziehen kann, der wie Dick mehrere Nachtschichten am Stück absolviert: Er wird stetig paranoider und beginnt, hinter allem eine riesige Verschwörung zu sehen, die er mithilfe von Mobbing Dick auflösen will.

Das Learning

Auch mal Nein sagen. Sorgt vielleicht für maulige Chefs und killt die Karrierechancen. Aber lieber das, als später zum SVP-Wähler zu werden oder in der Psychiatrie zu landen.

Humor: 3/5

Karriere: 4/5

Schweiz: 3/5

Tom Zürcher: Mobbing Dick, Salis Verlag, 288 Seiten, 24 Euro. 

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