Personal Finance Pragmatisch, experimentell, sozial-ökologisch: Wie Berufsanfänger*innen sparen

Pragmatisch, experimentell, sozial-ökologisch: Wie Berufsanfänger*innen sparen

Berufsanfänger*innen tun sich zunehmend schwer mit dem Sparen. Wir haben ihre Finanzvorlieben analysiert – und die passenden Rücklagenstrategien dafür. Text: Nadine Oberhuber

Tobias Bierl ködert seine Kunden gerne mit Softdrinks und Knabberzeug. Der freie Finanzberater aus Regensburg hat sich auf Jungsparer spezialisiert, denen er beim Erstkontakt oft eine kleine Geschichte erzählt. „Wenn du dich mit deinen Freunden triffst, esst ihr Pringles und trinkt Coca-Cola“, sagt Bierl dann. „Glaubst du, dass es diese Marken in 20 Jahren nicht mehr geben wird? Nein? Warum lässt du sie dann nicht für dich arbeiten?“ Gucken die jungen Leute ihn mit großen Augen an, erklärt Bierl ihnen, wie der Aktienmarkt funktioniert: „Unternehmen erwirtschaften Gewinne. Einen Teil davon kannst du einstreichen, wenn du ihre Aktien kaufst und hältst.“

„Ich weiß von Finanzen eigentlich nichts“

Bierl redet manchmal schneller, als andere zuhören können. Er weiß, dass Zeit Geld ist, und er sagt viele Sachen mehrfach, damit sie sich besser einprägen. Am liebsten spricht er in Bildern – von sauren Äpfeln, gefüllten Gläsern, Ködern und Anglern. Vorwiegend berät Bierl Kunden im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, die auf seine Website gelenkt werden, wenn sie online nach Spartipps für junge Leute suchen. Begegnet er ihnen dann zum ersten Mal, starrt er häufig in ziemlich ratlose Gesichter. „Ich weiß von Finanzen eigentlich nichts“, sagen seine Kunden. „Ok, ab und zu lege ich mal ein bisschen was zur Seite, aber sonst …“ Dann sagen sie meist lange nichts.

Für Bierl sind solche Kunden trotzdem Anlass zur Hoffnung. Immerhin haben sie ja den Weg zu ihm gefunden, um sich aufklären zu lassen. Das ist selten genug in Deutschland, obwohl hier bei einer Jugendstudie von Shell fast drei Viertel der Befragten bekannten: „Ich weiß wenig bis nichts über Finanzen.“ Gera- de einmal die Hälfte der jungen Erwachsenen spart ab und zu, ein Viertel der unter 30-Jährigen dagegen gar nicht, sagen Emnid-Umfragen für die Postbank. Die Tendenz ist sinkend: Einer Studie des Versorgungswerks Metallrente zufolge ist der Anteil junger Sparer, die Rücklagen fürs Alter bilden, seit 2010 massiv gesunken, während gleichzeitig die Zahl der Verschuldeten anstieg – jeder Siebte unter 30 gilt als überschuldet.

Capital hat deshalb den Umgang junger Berufstätiger mit Geld genauer betrachtet. Was sind die Gründe für die zunehmende Sparunwilligkeit der unter 30-Jährigen? Von welchen Faktoren hängt die individuelle Sparneigung ab? Genau das haben Wissenschaftler des Sozialforschungsinstituts Sinus untersucht, die durch qualitative Tiefeninterviews das Verhältnis junger Leute zum Geld erkundeten. Basierend auf ihren Erkenntnissen und den Befunden anderer Studien zu Konsum- und Rücklagegewohnheiten stellt Capital auf den nächsten Seiten die fünf verbreitetsten Typen junger Sparer vor – und empfiehlt Finanzprodukte, die zu ihren Geldvorlieben passen.

Teure Handy, üppige Wohnungen, Take-away-Lebensmittel

Dass sie wenig oder gar nicht fürs Alter sparen, begründen 70 Prozent der jungen Berufstätigen damit, dass sie kein Geld übrig haben. Dabei taxieren Studi- en das Nettoeinkommen von Unter-30-Haushalten auf 2 200 Euro. Damit kommen junge Berufstätige heute allerdings nicht mehr so weit wie ihre Eltern: Prekärere Arbeitsverhältnisse, befristete Jobs und höhere Lebenshaltungskosten gerade in Großstädten schmälern ihr Einkommen und ihre relative Kaufkraft. Dass sich viele Jüngere heute andere Kosten aufhalsen als ihre Eltern, weil sie üppiger wohnen, teure Handys haben oder Take-away-Lebensmittel selbstverständlich finden, steht auf einem anderen Blatt.

Larissa Jakobsmeyer, die für die Initiative Finance-4-U junge Schuldner berät, ist überzeugt, dass ihren Klienten genug Geld zum Sparen bliebe, wenn sie genauer auf ihre Ausgaben achten würden. „Die meisten haben noch nie einen Haushaltsplan aufgestellt“, sagt Jakobsmeyer. „Und wenn sie es tun, vergessen sie Posten wie den zweiwöchentlichen Besuch im Nagelstudio, der jedes Mal 30 bis 50 Euro frisst.“ Auch die ständige Verfügbarkeit von Waren im Internet verleite zum Konsum, während Handy- und Streaminganbieter eine Abomentalität nähren, die Einkommen frisst. So sagen heute nur 47 Prozent der Jüngeren, dass sie mit ihrem Geld gut über die Runden kommen. 2015 waren es noch 60 Prozent.

Selbst diejenigen, die Geld hätten, verzichten oft aufs Langfristsparen. Fast jeder Zweite meint, das bringe wegen der Niedrigzinsen eh nichts. Für jene zwei Drittel der jungen Sparer, die ihr Geld auf Konten parken, trifft das auch weitgehend zu. Wer ab 1980 jeden Monat 50 Euro auf ein Sparbuch einzahlte, bekam nach 18 Jahren umgerechnet 17 500 Euro heraus. Wer das Gleiche ab 2010 tat, kommt nur noch auf 11 700 Euro – für die 17 500 Euro müsste er 26 Jahre lang sparen. Immer mehr Jüngere geben ihr Geld deshalb lieber aus, hat Marc Calmbach vom Sinus-Sozialforschungsinstitut beobachtet. „Die Aufteilung in sparende Traditionalisten und lebenslustige Hedonisten, die es bei den Älteren noch gibt, löst sich bei den Jüngeren auf. Die wollen oft beides: Sicherheit und Spaß, hart arbeiten, aber auch feiern.“

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