Brand & Brilliance Die organische Social Media Reichweite ist tot – es lebe der Algorithmus

Die organische Social Media Reichweite ist tot – es lebe der Algorithmus

Unterm Strich zeigt sich eine bittere Realität: Die organische Reichweite hat 2025 einen historischen Tiefpunkt erreicht. Was nicht ohnehin schon von den Algorithmen aussortiert wird, geht in der Content-Flut unter. Dieser Trend ist plattformübergreifend: ob Facebooks Newsfeed, Instagrams Feed/Stories oder TikToks For You Page – überall kämpfen Brands gegen sinkende Sichtbarkeit in einem immer dichteren Strom an Posts. Die Trennung zwischen „organisch“ und „paid“ verschwimmt zusehends, denn Reichweite ist zur Ware geworden, die man sich – wenn nötig – erkaufen muss.

Algorithmische Drahtseilakte: Was heute für Sichtbarkeit zählt

Woran liegt der drastische Verfall der organischen Reichweite? Ein wesentlicher Faktor sind die ständigen Algorithmus-Änderungen der Netzwerke. Meta, TikTok & Co. schrauben unablässig an ihren Feedschaltungen, um User möglichst lange in der App zu halten – notfalls auf Kosten der Markeninhalte. 2025 bestimmen ein paar zentrale Kriterien, ob ein Post gesehen wird oder in der Versenkung verschwindet:

  • Watchtime & Verweildauer:
    Vor allem kurzweilige Videos erleben eine bevorzugte Behandlung. TikToks Algorithmus etwa gewichtet die Watch Time extrem hoch, besonders in den ersten Sekunden. Inhalte, die Nutzer vom ersten Moment an fesseln und möglichst bis zum Ende gehalten werden, haben die größten Chancen auf weite Verbreitung. Ein TikTok-Clip, der in den ersten 3 Sekunden zündet, signalisiert dem System: „Das ist spannend – zeig es mehr Leuten!“. Ähnliches gilt für Instagram Reels: Der Explore-Algorithmus registriert z.B., ob User 95 % eines Videos ansehen – ein klares Qualitätsvotum. Die Devise lautet: Content muss „sticky“ sein, um Algorithmen zufriedenzustellen.
  • Interaktionssignale (Likes, Shares, Saves):
    Quantität und vor allem Qualität der Reaktionen entscheiden maßgeblich über organische Reichweite. Instagram hat offiziell bestätigt, dass geteilte Inhalte („Shares“) ein Top-Ranking-Signal im Feed sind – kein Wunder, schließlich impliziert das Weiterleiten eines Posts hohe Relevanz. Ebenso wichtig: Speicherungen (Saves), die anzeigen, dass Nutzer*innen den Content so wertvoll finden, dass sie ihn aufbewahren möchten. Zwar nennt Meta „Saves“ nicht explizit, doch der Feed-Algorithmus merkt sich, welche Posts ein User häufig liked, speichert oder per DM versendet – und spielt ähnlichen Content entsprechend häufiger aus. Auch Kommentare und Dialoge pushen Posts: Facebook z.B. priorisiert Beiträge, die „meaningful interactions“ auslösen, also echte Gespräche zwischen Nutzern. Ein Post mit vielen Replies oder Diskussionen wird im Newsfeed eher hochgespült als einer, der nur passive Views sammelt. Fazit: Engagement ist die Währung, nach der der Algorithmus das Ranking ausrichtet. Marken müssen Inhalte liefern, die zum Mitmachen animieren – sei es durch Fragen, Umfragen oder kontroverse Thesen.
  • Information über den Content & den Urheber:
    Moderne Feeds sind hybrid aus Folgelogik und KI-Empfehlung. Instagram mischt z.B. vermehrt empfohlene Posts unbekannter Accounts in den Feed. Dabei prüfen die Algorithmen: Passt dieser Inhalt zu den Interessen des Users? Signals dafür sind etwa Themen und Hashtags, aber auch ob der Post gerade viral geht (viele Interaktionen in kurzer Zeit). Facebook berechnet einen Relevanz-Score pro Beitrag, der u.a. von Inhaltstyp, thematischer Passung und vergangenem Userverhalten abhängt. Außerdem wird geschaut, ob der Absender dem Nutzer*innen ähnlich ist wie andere, mit denen er interagiert. Für Brands heißt das: Kontext und Timing entscheiden. Ein Beitrag zu einem trendenden Topic (z.B. #WorldCup), gepostet zum passenden Moment, erhält einen kleinen Bonus im Verbreitungs-Score. Content von vertrauten Absendern (Marken/Personen, mit denen der User zuvor oft interagierte) wird bevorzugt. Hier zahlt sich Community-Building aus: Wer eine treue Followerschaft hat, die regelmäßig reagiert, dessen Posts werden auch neuen Leuten wahrscheinlicher vorgeschlagen.
  • Originalität und Format-Vielfalt:
    Die Netzwerke belohnen Content, der Nutzer bei der Stange hält – und der sich frisch anfühlt. Instagram-Chef Mosseri betonte, dass 2025 Kreativität und Originalität verstärkt belohnt werden: Der Algorithmus soll originären Content priorisieren und Einheitsbrei absstrafen. Das deutet darauf hin, dass etwa TikTok-Reposts mit Wasserzeichen oder generische Stock-Videos es künftig noch schwerer haben. Ebenso pushen viele Plattformen neue Features mit algorithmischen Bonus-Reichweiten. Instagram Reels etwa erzielten anfangs enorme organische Reach, was einige Brands kurzfristig mitnehmen konnten. Laut aktuellen Daten erreichen Reels im Schnitt immer noch deutlich mehr Follower*innen als klassische Posts – rund 30 % Reach-Rate gegenüber ~4 % bei Images. Auch Live-Videos, Umfragen oder AR-Filter können temporär mit besserer Sichtbarkeit belohnt werden, solange sie Nutzer überdurchschnittlich lange beschäftigen. Der Grund ist simpel: Je diverser und interaktiver der Content, desto länger bleiben die Leute – und desto lieber hat die Plattform den Beitrag.

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