Business & Beyond Autogipfel bei Kanzler Merz: Chinas Elektro-Offensive trifft deutsche Schockstarre

Autogipfel bei Kanzler Merz: Chinas Elektro-Offensive trifft deutsche Schockstarre

Während China den Elektroautomarkt dominiert, kämpft die deutsche Autoindustrie mit Stellenabbau und Identitätskrise. Heute berät Kanzler Merz mit Autobossen über die Zukunft der Branche.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: 540 Milliarden Euro Jahresumsatz, 770.000 Beschäftigte – und eine Branche in der Krise. Heute treffen sich Deutschlands Autobosse mit Kanzler Friedrich Merz zum Autogipfel in Berlin. Auf der Agenda: die Rettung einer Schlüsselbranche, die zwischen chinesischer Konkurrenz und Elektro-Transformation eingeklemmt ist. Doch während in Berlin Krisengespräche laufen, haben chinesische Hersteller längst Fakten geschaffen.

China überholt auf der Überholspur

„Der Angstgegner der deutschen Automobilindustrie?“, fragte „report München“ den Deutschland-Manager von BYD auf der IAA. Die Antwort kam selbstbewusst: BYD sei Weltmarktführer bei elektrischen Fahrzeugen und Plug-in-Hybriden. Keine leere Behauptung – China exportiert inzwischen mehr Autos als Japan, Deutschland oder die USA.

Die Strategie dahinter ist langfristig angelegt. „Die chinesische Regierung hat in den letzten 15, 20 Jahren gerade auch für den Aufbau der Automobilindustrie strategisch sehr gut gearbeitet“, erklärt Autoexperte Stefan Bratzel laut „br.de“. Besonders bei der Elektromobilität habe man sich die gesamte Wertschöpfungskette gesichert – von Rohstoffen bis zu Batteriezellen.

Deutsche Batterie-Ambitionen im Rückwärtsgang

Während China dominiert, scheitern deutsche Batterieprojekte. Die Abhängigkeit wächst. Derzeit dominieren CATL und andere chinesische Firmen den Markt. 70 Prozent der weltweit hergestellten E-Auto-Batterien kamen 2024 aus China, so eine Studie, berichtet „br.de“. Der Aufholprozess gehe nur langsam voran, da erst Kompetenzen erlernt werden müssten.

Autogipfel mit begrenzten Optionen

Beim heutigen Autogipfel will die Regierung gegensteuern. Die Befreiung reiner E-Autos von der Kfz-Steuer soll bis 2035 verlängert werden. Vizekanzler Lars Klingbeil fordert „ein starkes Paket“, um die Autoindustrie in die Zukunft zu führen und Jobs zu sichern.

Doch die Koalition ist gespalten. Die Union will das EU-Verbrenner-Aus kippen, die SPD daran festhalten. Niedersachsen und Bayern schlagen vor, zumindest Hybridfahrzeuge auch nach 2035 noch zuzulassen. Ob die Regierung mit einer gemeinsamen Linie zum Autogipfel kommt, bleibt fraglich.

Chinas Zoll-Umgehungsstrategie

Die EU versucht, sich mit hohen Zöllen gegen die chinesische E-Auto-Schwemme zu wehren. Doch die Gegenstrategie steht bereits: „Vor drei Jahren schon haben wir entschieden, unsere europäische Fabrik in Ungarn zu bauen“, erklärt BYD-Vizechefin Stella Li laut „br.de“.

Ende des Jahres sollen dort elektrische Autos und Plugin-Hybride vom Band laufen – zollfrei, da innerhalb der EU produziert. Auch CATL, der weltgrößte Batteriehersteller, baut in Ungarn eine riesige Fabrik. Die Strategie ist klar: Produktion in die EU verlagern, um Handelshemmnisse zu umgehen und gleichzeitig den europäischen Markt zu erobern.

Business Punk Check

Der Autogipfel kommt mindestens fünf Jahre zu spät. Während deutsche Manager über Verbrenner-Nostalgie diskutierten, haben chinesische Konzerne die gesamte E-Auto-Wertschöpfungskette aufgebaut. Die harte Realität: Deutschland hat den Batterie-Zug verpasst und wird auf absehbare Zeit von chinesischen Zellen abhängig bleiben. Selbst wenn heute Milliarden in die Hand genommen würden – der Kompetenzaufbau dauert Jahre.

Die Steuerbefreiung für E-Autos ist bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Was fehlt, ist eine industriepolitische Gesamtstrategie, die über Legislaturperioden hinweg Bestand hat. China denkt in Dekaden, Deutschland in Quartalen. Solange sich das nicht ändert, werden weitere Stellenabbau-Wellen folgen – unabhängig davon, welche Rettungspakete heute beschlossen werden.

Häufig gestellte Fragen

  • Kann Deutschland die verlorene Batteriekompetenz noch aufholen?
    Kurzfristig kaum. Der Aufbau von Know-how und Produktionskapazitäten dauert Jahre. Selbst mit massiven Investitionen wird Deutschland auf absehbare Zeit von chinesischen Batteriezellen abhängig bleiben. Unternehmen sollten stattdessen auf strategische Partnerschaften und Beteiligungen an bestehenden Batterieherstellern setzen.
  • Welche Strategie sollten deutsche Autobauer jetzt verfolgen?
    Statt den Kampf um das günstigste E-Auto zu führen, sollten deutsche Hersteller auf ihre traditionellen Stärken setzen: Premium-Qualität, Fahrdynamik und Integration fortschrittlicher Software. Gleichzeitig müssen sie Entwicklungs- und Produktionskosten drastisch senken – notfalls durch mehr Kooperationen untereinander.
  • Wie wirkt sich die chinesische Dominanz auf den Mittelstand aus?
    Zulieferer müssen sich auf einen doppelten Strukturwandel einstellen: Weg vom Verbrenner und gleichzeitig Anpassung an neue Hauptkunden aus China. Wer überleben will, muss seine Abhängigkeit von deutschen OEMs reduzieren und sich als innovativer Partner für chinesische Hersteller positionieren – oder Nischen besetzen, die für Großkonzerne uninteressant sind.
  • Welche Branchen könnten von der Autokrise profitieren?
    Software-Entwickler, Anbieter von Ladeinfrastruktur und Spezialisten für Batterie-Recycling werden zu den Gewinnern gehören. Auch der Bereich der Mobilitätsdienstleistungen wächst, während klassische Komponentenhersteller unter Druck geraten. Wer heute in diese Zukunftsbereiche investiert, kann vom Strukturwandel profitieren.

Quellen: „merkur.de“, „telepolis.de“, „br.de“