Business & Beyond Deutsche Bahn: „Neue Strategie und neue Köpfe“ – Lutz fliegt

Deutsche Bahn: „Neue Strategie und neue Köpfe“ – Lutz fliegt

Verkehrsminister Schnieder entlässt Bahnchef Richard Lutz. Die Pünktlichkeitsquote ist auf 62,5 Prozent abgestürzt, der Konzern schreibt rote Zahlen. Am 22. September soll die neue Führung präsentiert werden.

Der Rauswurf kam plötzlich, aber nicht überraschend. Bahnchef Richard Lutz muss seinen Posten räumen – obwohl sein Vertrag eigentlich noch bis 2027 läuft.

Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) verkündete die Entscheidung am Donnerstag bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Lutz soll den Konzern nur noch führen, bis ein Nachfolger gefunden ist. „Die Suche nach einem neuen Bahnchef, einer neuen Bahnchefin hat mit diesem Augenblick begonnen“, so Schnieder laut „tagesschau.de“.

Marode Infrastruktur und katastrophale Zahlen

Die Gründe für den Rauswurf liegen auf der Hand: Die Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr ist von 78,5 Prozent im Jahr 2017 auf katastrophale 62,5 Prozent im vergangenen Jahr abgestürzt. Nicht einmal zwei Drittel der Züge kommen also pünktlich an. Dazu kommt die marode Infrastruktur, die kaputt gefahrenen Gleise und die wirtschaftliche Schieflage des Konzerns.

Seit Jahren schreibt die Bahn rote Zahlen. „Die Lage bei der Bahn sei dramatisch – hinsichtlich Kundenzufriedenheit, Pünktlichkeit und Wirtschaftlichkeit“, erklärte Schnieder laut „FAZ“. Besonders peinlich: Während der Fußball-Europameisterschaft im Sommer 2024 spottete das Ausland über die Unzuverlässigkeit des deutschen Staatskonzerns.

Neuaufstellung im Koalitionsvertrag vereinbart

Bereits im Koalitionsvertrag hatten CDU/CSU und SPD eine Neuaufstellung von Aufsichtsrat und Vorstand vereinbart, „mit dem Ziel, mehr Fachkompetenz abzubilden und eine Verschlankung zu erreichen“.

Für den 22. September kündigte Schnieder seine „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“ an – ein Eckpunktepapier zur Reform der Deutschen Bahn. „Idealerweise können wir mit der Strategie im September den oder auch die neue Vorstandsvorsitzende präsentieren“, sagte der Minister laut „tagesschau.de“.

Gewerkschaften gespalten

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) begrüßte die Personalentscheidung ausdrücklich. „Die Entlassung von Herrn Lutz war eine notwendige Konsequenz des jahrelangen Missmanagements, das die Deutsche Bahn immer tiefer in die derzeitige Krise geführt hat“, erklärte der GDL-Bundesvorsitzende Mario Reiß laut „Spiegel“.

„Diese Entscheidung war richtig und unumgänglich.“ Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG hingegen warnte vor einem Führungsvakuum im Konzern. „Schnieder wird jetzt daran gemessen werden, ob seiner Entscheidung eine schnelle Lösung folgt oder ob sich die Situation bei der Bahn noch verschärft“, sagte EVG-Chef Martin Burkert laut „tagesschau.de“.

Opposition kritisiert Personalwechsel als Ablenkungsmanöver

Die Grünen sehen in dem Personalwechsel kein Allheilmittel. „Dass DB-Chef Lutz gehen wird, macht nichts besser“, sagte der Grünen-Bahnexperte Matthias Gastel laut „tagesschau.de“. Es brauche eine stärkere Kontrolle und Steuerung des Unternehmens durch den Bund – und vor allem mehr Geld. Die Finanzplanung der schwarz-roten Koalition würde zwangsläufig den Stopp von Aus- und Neubauprojekten zur Folge haben.

Auch die Elektrifizierung und Digitalisierung kämen nicht voran. Kritiker des Bahnchefs erhoffen sich dagegen eine Chance auf einen grundlegenden Kurswechsel. Der Weg werde jetzt freigemacht „für eine neue Strategie und neue Köpfe“, so der Geschäftsführer des Wettbewerberverbands Die Güterbahnen, Peter Westenberger, laut „tagesschau.de“.

Business Punk Check

Der Rauswurf von Lutz ist ein klassisches politisches Manöver: Köpfe rollen lassen, um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Doch die strukturellen Probleme der Bahn lassen sich nicht durch einen CEO-Wechsel lösen. Die wahre Herausforderung liegt in der chronischen Unterfinanzierung der Infrastruktur und einem politischen Mikromanagement, das langfristige Strategien unmöglich macht.

Die angekündigte Generalsanierung von 40 Hauptstrecken bis 2036 wird Milliarden verschlingen und jahrelange Einschränkungen bedeuten. Für Unternehmen, die auf zuverlässige Logistik angewiesen sind, heißt das: Alternativen zur Schiene entwickeln. Der Einzelwagenverkehr – essenziell für Industrien wie Stahl und Chemie – steht auf der Kippe. Die Wahrheit ist unbequem: Deutschland hat sein Schienennetz kaputtgespart, und kein Bahnchef der Welt kann das über Nacht reparieren.

Häufig gestellte Fragen

  • Was bedeutet der Wechsel an der Bahnspitze für Unternehmen, die auf Schienenlogistik angewiesen sind?
    Kurzfristig ändert sich nichts an der Unzuverlässigkeit des Schienenverkehrs. Unternehmen sollten für die nächsten 3-5 Jahre mit erheblichen Einschränkungen durch die Generalsanierung rechnen und Alternativkonzepte entwickeln – sei es durch multimodale Transportketten oder temporäre Verlagerung auf die Straße.
  • Welche Branchen sind besonders von der Bahn-Krise betroffen?
    Besonders betroffen sind Stahl-, Chemie- und Baustoffindustrie, die auf den Einzelwagenverkehr angewiesen sind. Diese Unternehmen sollten jetzt aktiv das Gespräch mit der neuen Bahnführung suchen und gleichzeitig Notfallpläne für mögliche Einstellungen unprofitabler Transportdienste entwickeln.
  • Wie können mittelständische Unternehmen auf die anhaltende Bahn-Krise reagieren?
    Mittelständler sollten ihre Logistikketten diversifizieren und nicht allein auf die Schiene setzen. Kooperationen mit anderen Unternehmen für gemeinsame Transportlösungen, langfristige Verträge mit privaten Bahnanbietern und digitale Tracking-Systeme für bessere Planbarkeit sind konkrete Handlungsoptionen.
  • Welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen wären nötig, um die Bahn wirklich zu sanieren?
    Eine nachhaltige Sanierung erfordert eine Entpolitisierung der Bahnführung, eine langfristige Finanzierungszusage über Legislaturperioden hinweg und eine klare Trennung zwischen gemeinwohlorientierter Infrastruktur und wirtschaftlich operierenden Transportgesellschaften. Unternehmen sollten sich in Wirtschaftsverbänden für diese Strukturreformen einsetzen.

Quellen: „tagesschau.de“, „FAZ“, „Spiegel“