Business & Beyond Dunkelflaute: Deutschlands Stromlücke wird zum EU-Politikum

Dunkelflaute: Deutschlands Stromlücke wird zum EU-Politikum

Deutschlands Energiewende steckt im Herbstdilemma: Bei wenig Wind und Sonne reicht der selbstproduzierte Strom nicht aus. Während Wirtschaftsministerin Reiche auf Gaskraftwerke setzt, bremst die EU-Kommission den Ausbau.

Deutschland importiert aktuell massiv Strom aus Nachbarländern. An den meisten Oktobertagen produzierte die Bundesrepublik weniger Elektrizität als sie verbrauchte. Besonders bei der typischen Herbst-Kombination aus wenig Wind und geringer Sonneneinstrahlung zeigt sich die Achillesferse der Energiewende. Die Versorgungslücke wird durch Importe geschlossen – darunter auch Atomstrom aus Frankreich, wie laut „Bild“ aus Energiemarktdaten hervorgeht.

Europas Stromnetz als Stabilitätsgarant

„Die klare Ursache für das Angebotsdefizit ist die schwache Windstrom- und Solarstromproduktion. Deutschland ist auf die Importe dringend angewiesen“, erklärt Energie-Ökonom Professor Manuel Frondel vom RWI Leibniz-Institut laut „Bild“. Besonders brisant: Mit der geplanten Abschaltung weiterer Kohlekraftwerke dürfte die Import-Abhängigkeit noch steigen. Aktuelle Batteriespeicher könnten den deutschen Strombedarf derzeit nur für etwa 30 Minuten decken, so die Analyse der Experten.

Brüssel bremst deutsche Gaskraftwerk-Pläne

Die Bundesnetzagentur fordert den Aufbau von bis zu 36 Gigawatt zusätzlicher steuerbarer Stromerzeugung. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) plante ursprünglich, bis zu 20 Gigawatt durch neue Gaskraftwerke bereitzustellen. Doch die EU-Kommission macht diesem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung: Aus beihilferechtlichen Bedenken wird der Plan deutlich eingedampft. Wie „Bild“ berichtet, rechnet das Wirtschaftsministerium jetzt nur noch mit 12 bis 12,5 Gigawatt Leistung aus Gaskraftwerken.

Das Problem: Die als Backup für Dunkelflauten konzipierten Kraftwerke wären nicht ausreichend ausgelastet, um wirtschaftlich zu arbeiten. Gleichzeitig warnt der Energieexperte Frondel, dass auch die geplante Verdoppelung der Solarkapazitäten von aktuell 110 auf 215 Gigawatt bis 2030 allein nicht ausreichen werde.

Deutschlands Energiekosten im EU-Vergleich

„Die Erneuerbaren liefern zwar oft mehr Strom, als gebraucht wird, in wind- und sonnenarmen Zeiten aber zu wenig“, erklärt Andreas Lenz, energiepolitischer Sprecher der Union, laut „Bild“. Seine Schlussfolgerung: Solange keine neuen Kraftwerkskapazitäten vorhanden sind, wird man zur Versorgungssicherheit weiter auf Kohlekraftwerke zurückgreifen müssen – obwohl diese eigentlich in fünf Jahren komplett vom Netz gehen sollen.

Die SPD-Energieexpertin Nina Scheer setzt dagegen auf Flexibilität und Speicher: Wetterbedingte Schwankungen müssten beim Umstieg auf Erneuerbare zunehmend durch diese Technologien ausgeglichen werden. Die Stromgewinnung werde mit Erneuerbaren und Speichern kontinuierlich günstiger, so ihre Position laut „Bild“.

Business Punk Check

Die Energiewende steckt in einer Realitätsfalle: Während politisch der Kohleausstieg bis 2030 festgezurrt ist, fehlen praktikable Alternativen für Dunkelflauten. Die EU-Kommission blockiert aus Wettbewerbsgründen den Gaskraftwerk-Ausbau, während Batteriespeicher technologisch noch Jahre vom Durchbruch entfernt sind. Für Unternehmen bedeutet dies konkret: Steigende Strompreise in wind- und sonnenarmen Perioden und potenziell höhere Netzentgelte zur Finanzierung der Backup-Infrastruktur. Besonders der energieintensive Mittelstand gerät zwischen die Fronten von Klimapolitik und Versorgungssicherheit. Wer jetzt nicht in betriebliche Energieflexibilität und Eigenversorgung investiert, riskiert massive Wettbewerbsnachteile. Die unbequeme Wahrheit: Deutschland wird noch jahrelang auf konventionelle Kraftwerke angewiesen sein – trotz aller politischen Bekenntnisse zum Gegenteil.

Häufig gestellte Fragen

  • Frage 1: Wie stark gefährdet die aktuelle Stromlücke die Versorgungssicherheit in Deutschland? Die Versorgungssicherheit ist kurzfristig nicht gefährdet, da Deutschland auf funktionierende Importstrukturen zurückgreifen kann. Mittelfristig entsteht jedoch ein kritisches Zeitfenster zwischen Kohleausstieg und ausreichendem Aufbau von Alternativen. Unternehmen sollten dieses „Gap“ in ihre Risikoanalysen einbeziehen.
  • Frage 2: Welche Auswirkungen hat die EU-Blockade beim Gaskraftwerk-Ausbau auf den Mittelstand? Mittelständische Unternehmen müssen mit volatileren Strompreisen und potenziellen Versorgungsengpässen rechnen. Sinnvoll ist die Investition in betriebliche Lastflexibilisierung, um Produktionsprozesse an Stromverfügbarkeit anzupassen und von niedrigeren Preisen bei Überangebot zu profitieren.
  • Frage 3: Welche Branchen könnten von der aktuellen Energiepolitik profitieren? Klare Gewinner sind Anbieter von Energiespeicherlösungen, Demand-Response-Technologien und dezentralen Energiesystemen. Auch Dienstleister für Energieeffizienz und industrielles Lastmanagement können mit steigender Nachfrage rechnen. Für Startups eröffnen sich Chancen bei KI-gestützter Verbrauchsoptimierung.
  • Frage 4: Was bedeutet die Importabhängigkeit für die Strompreise in Deutschland? Bei Dunkelflauten werden die Strompreise weiter steigen, da teure Importe oder Reservekraftwerke aktiviert werden müssen. Unternehmen sollten ihre Strombeschaffungsstrategie anpassen und verstärkt auf langfristige Lieferverträge oder eigene Erzeugungskapazitäten setzen.
  • Frage 5: Wie können Unternehmen sich auf die kommenden Versorgungsunsicherheiten vorbereiten? Priorität sollte die Entwicklung eines betrieblichen Energieflexibilitätskonzepts haben. Dazu gehören Eigenversorgung mit erneuerbaren Energien, Speicherlösungen und die Anpassung von Produktionsprozessen an Stromverfügbarkeit. Zusätzlich lohnt sich die Prüfung von Power Purchase Agreements (PPAs) mit erneuerbaren Erzeugern.

Quellen: „Bundesnetzagentur“, „Bild“