Business & Beyond Mietmarkt-Paradox: Preise flachen ab, Wohnungen verschwinden blitzschnell

Mietmarkt-Paradox: Preise flachen ab, Wohnungen verschwinden blitzschnell

Der deutsche Mietmarkt zeigt ein Paradox: Während die Preise nur moderat steigen, verkürzt sich die Inseratsdauer dramatisch. In Berlin sind fast ein Viertel aller Wohnungen nach nur 48 Stunden weg.

Die Zahlen des GREIX-Mietpreisindex Q3/25 sprechen eine klare Sprache: Der Mietmarkt in Deutschland entspannt sich preislich, aber nicht strukturell. Während die Angebotsmieten im zweiten Quartal 2025 nur um 0,7 Prozent zulegten – sogar unter der Inflationsrate – verkürzt sich die Zeit, die eine Wohnung überhaupt auf dem Markt bleibt, dramatisch.

Laut der durch das Kiel Institut erhobenen Studie sank die durchschnittliche Inseratsdauer auf nur noch 23 Tage – ein historischer Tiefstand.

Blitzschnelle Vermietung als neues Normal

Wer heute eine Wohnung sucht, muss schneller sein als je zuvor. Der Anteil der Wohnungen, die maximal 48 Stunden online sind, hat sich seit 2015 mehr als verdoppelt und liegt jetzt bei über 15 Prozent, wie aus dem GREIX-Mietpreisindex hervorgeht.

In Berlin ist die Lage besonders extrem: Hier verschwinden fast 24 Prozent aller Inserate innerhalb von zwei Tagen vom Markt – dreimal so viele wie noch 2015. „Die Angebotsknappheit hält trotz moderater Preisentwicklung an“, erklärt Dr. Jonas Zdrzalek vom Kiel Institut für Weltwirtschaft. Besonders in Metropolen bleibt der Markt für Wohnungssuchende äußerst angespannt.

München unangefochten an der Spitze, Chemnitz am günstigsten

Die Mietpreiskluft zwischen deutschen Städten bleibt gewaltig. München führt mit durchschnittlich 22,82 Euro pro Quadratmeter weiterhin die Preistabelle an – mehr als dreimal so teuer wie Chemnitz mit nur 6,15 Euro. Frankfurt folgt mit 17,32 Euro auf Platz zwei.

Stuttgart, Berlin, Hamburg und Köln liegen mit Preisen zwischen 15,10 und 15,99 Euro fast gleichauf. Überraschend: Einige kleinere Städte haben inzwischen Großstadtniveau erreicht. In Münster (13,87 Euro), Potsdam (13,73 Euro) und Bonn (13,55 Euro) zahlt man mehr als in Leipzig (10,10 Euro) und fast so viel wie in Düsseldorf (14,25 Euro).

Ostdeutsche Städte mit überdurchschnittlichem Wachstum

Während die Mietpreise in den Metropolen nur moderat steigen, ziehen sie in ostdeutschen Städten überdurchschnittlich an. In Erfurt stiegen die Mieten um 1,3 Prozent, in Dresden um 1,1 Prozent und in Chemnitz um 1 Prozent. Zum Vergleich: In Berlin betrug der Anstieg nur 0,7 Prozent, in München sogar nur 0,3 Prozent.

Die stärkste Dynamik zeigt sich jedoch in der Universitätsstadt Münster mit einem Plus von 3,5 Prozent – deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt von 0,7 Prozent. Karlsruhe bildet mit einem Rückgang von 0,6 Prozent die einzige Ausnahme im allgemeinen Aufwärtstrend.

Weniger Angebote trotz leichter Erholung

Obwohl die Zahl der Mietwohnungsangebote gegenüber dem Vorquartal um 3,8 Prozent stieg, liegt sie laut der Studie immer noch rund 15 Prozent unter dem Niveau von 2015.

In Hamburg und Leipzig hat sich die Zahl der Inserate seitdem sogar nahezu halbiert – ein deutliches Zeichen für die strukturelle Angebotsknappheit.

Business Punk Check

Der Mietmarkt offenbart ein gefährliches Missverhältnis: Während Politiker auf stabile Preise verweisen, verschärft sich die eigentliche Krise – die Verfügbarkeit. Die kurze Inseratsdauer ist der wahre Indikator für den Notstand. Besonders brisant: Mittelgroße Städte wie Münster oder Potsdam entwickeln sich zu versteckten Preistreibern, während ostdeutsche Städte aufholen. Für Investoren bedeutet das: Der Fokus auf A-Städte ist überholt. Die echten Renditen liegen in B-Städten mit Wachstumspotenzial.

Für Unternehmen entsteht ein neuer Standortfaktor – wer Fachkräfte halten will, muss Wohnraum mitdenken. Die nächste Disruption kommt nicht durch Preisexplosionen, sondern durch Verfügbarkeitsschocks. Wer jetzt nicht handelt, verliert im Kampf um Talente.

Häufig gestellte Fragen

  • Was bedeutet die verkürzte Inseratsdauer für Wohnungssuchende konkret?
    Wohnungssuchende müssen ihre Suchstrategie radikal umstellen. Tägliche Benachrichtigungen reichen nicht mehr – stündliche Alerts einrichten, Vormerkungen bei Maklern hinterlegen und Bewerbungsunterlagen vorbereithalten sind jetzt Standard. In Städten wie Berlin, wo fast ein Viertel aller Angebote binnen 48 Stunden verschwinden, sollte man Besichtigungstermine innerhalb von Stunden wahrnehmen.
  • Welche mittelgroßen Städte bieten noch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis?
    Städte mit Universitäten und solider Wirtschaft, aber noch moderaten Mieten bieten die besten Chancen. Beispiele sind Dresden (9,89€/m²), Dortmund (9,54€/m²) und Erfurt (9,43€/m²). Diese Städte kombinieren urbane Infrastruktur mit bezahlbarem Wohnraum, zeigen aber bereits Wachstumsdynamik. Wer hier investiert oder hinzieht, profitiert noch von relativer Erschwinglichkeit bei steigender Attraktivität.
  • Wie können Unternehmen den Wohnungsmangel als Standortfaktor strategisch nutzen?
    Progressive Unternehmen sollten Wohnraumförderung als Teil ihrer Personalstrategie etablieren. Konkrete Maßnahmen: Kooperationen mit Wohnungsbaugesellschaften, temporäre Übernahme von Mietkosten bei Neueinstellungen oder eigene Werkswohnungen. In Regionen mit besonders angespanntem Wohnungsmarkt kann die Garantie von bezahlbarem Wohnraum zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil im Talent-Recruiting werden.
  • Welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen könnten den Markt tatsächlich entspannen?
    Statt weiterer Mietpreisbremsen braucht es massive Anreize für Neubau und Nachverdichtung. Effektiv wären: Beschleunigte Genehmigungsverfahren, steuerliche Vorteile für Investoren bei bezahlbarem Wohnraum und eine Reform der Grunderwerbsteuer. Gleichzeitig müssen Kommunen ihre Infrastruktur in Randgebieten ausbauen, um den Druck von den Kernstädten zu nehmen. Der Fokus muss von der Preisregulierung zur Angebotsausweitung wechseln.

Quellen: GREIX-Mietpreisindex Q3/25 des Kiel Instituts