Business & Beyond Streit um doppelte Staatsbürgerschaft: Union auf Kollisionskurs mit der Wirtschaft

Streit um doppelte Staatsbürgerschaft: Union auf Kollisionskurs mit der Wirtschaft

Die Union stellt die doppelte Staatsbürgerschaft grundsätzlich infrage und fordert schnellere Pass-Entzugsmöglichkeiten für kriminelle Doppelstaatler. Ein wirtschaftspolitischer Kurswechsel mit weitreichenden Folgen.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: 80 Prozent aller Neubürger behalten ihren ursprünglichen Pass zusätzlich zum deutschen. Ein Zustand, den Unionspolitiker jetzt radikal ändern wollen.

Während die Einbürgerungszahlen mit knapp 292.000 Fällen im vergangenen Jahr einen historischen Höchststand erreichten, formiert sich in CDU und CSU massiver Widerstand gegen die doppelte Staatsbürgerschaft – mit potenziell weitreichenden Konsequenzen für Wirtschaft und Gesellschaft.

Radikaler Kurswechsel beim Doppelpass

Der Vorstoß kommt nicht von ungefähr. Ein Fall in Berlin, bei dem ein frisch eingebürgerter Mann nur einen Tag nach Erhalt des deutschen Passes in sozialen Medien der Hamas huldigte, lieferte den konkreten Anlass. Laut „Bild“ fordert CSU-Innenexperte Stephan Mayer nun eine grundlegende Reform: „Gewalttätern, Schwerkriminellen, Verfassungsfeinden, Antisemiten und Deutschen-Hassern muss die Staatsbürgerschaft sofort entzogen werden, wenn sie zwei Pässe haben.“ Mayer geht noch weiter und stellt die doppelte Staatsbürgerschaft komplett infrage.

Auch Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) setzt nach und bringt laut „Bild“ die Ausbürgerung von Hamas-Anhängern ins Spiel. Die Nähe zur Terrororganisation stehe im fundamentalen Widerspruch zu deutschen Grundwerten.

Identifikation oder Vorteilsnahme?

Die für Einbürgerungsrecht zuständige Unionspolitikerin Cornell Babendererde wirft eine Grundsatzfrage auf, die auch wirtschaftspolitisch brisant ist: „Wenn 80 Prozent der Eingebürgerten 2023 neben der deutschen Staatsangehörigkeit ihren alten Pass behalten wollen, müssen wir uns fragen: Ist die Liebe, die Identifikation mit unserem Land am Ende vielleicht doch nicht so groß?“, zitiert „Bild“ die CDU-Politikerin.

Dabei bleibt die tatsächliche Anzahl der Doppelstaatler in Deutschland unklar. Wie die „Zeit“ berichtet, schwanken die Schätzungen zwischen 3,1 Millionen (Mikrozensus 2024) und 5,8 Millionen Menschen (Zensus 2022) – eine beträchtliche Differenz, die die mangelhafte Datenlage verdeutlicht.

Wirtschaftliche Dimension der Debatte

Der Vorstoß der Union hat auch eine klare wirtschaftspolitische Dimension. In Zeiten von Fachkräftemangel und demografischem Wandel setzen viele Unternehmen auf internationale Talente.

Die Möglichkeit, beide Staatsbürgerschaften zu behalten, galt bisher als Standortvorteil im globalen Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte. Besonders der Mittelstand könnte von einer Verschärfung betroffen sein. Laut „Welt“ haben viele mittelständische Unternehmen in den vergangenen Jahren gezielt internationale Fachkräfte rekrutiert, die nun mit Unsicherheiten konfrontiert werden könnten.

Business Punk Check

Die Doppelpass-Debatte offenbart ein klassisches Dilemma zwischen Sicherheitspolitik und Wirtschaftsinteressen. Während die Union mit harten Maßnahmen gegen Extremisten vorgeht, droht sie gleichzeitig, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Die Wirtschaft braucht qualifizierte Zuwanderung – und die doppelte Staatsbürgerschaft ist ein wichtiger Pull-Faktor im internationalen Talent-Wettbewerb.

Statt pauschaler Verbote wäre ein differenzierter Ansatz sinnvoller: Konsequentes Durchgreifen bei Extremisten, aber keine Generalverdächtigung aller Doppelstaatler. Die entscheidende Frage für Unternehmen: Wie plant man in diesem politischen Klima die langfristige Personalstrategie? Wer jetzt internationale Fachkräfte rekrutiert, sollte die politische Entwicklung genau im Blick behalten – und Alternativen zur klassischen Einbürgerung in Betracht ziehen.

Häufig gestellte Fragen

  • Welche Auswirkungen hätte eine Verschärfung des Staatsbürgerschaftsrechts auf den deutschen Mittelstand?
    Mittelständische Unternehmen, die auf internationale Fachkräfte angewiesen sind, müssten mit erhöhten Rekrutierungshürden rechnen. Alternative Anreize jenseits der doppelten Staatsbürgerschaft – wie attraktivere Vergütungspakete oder verbesserte Karriereperspektiven – könnten notwendig werden, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen.
  • Wie können Unternehmen auf die mögliche Verschärfung des Staatsbürgerschaftsrechts reagieren?
    Unternehmen sollten ihre Personalstrategie diversifizieren und nicht ausschließlich auf Fachkräfte setzen, die eine doppelte Staatsbürgerschaft anstreben. Gleichzeitig empfiehlt sich ein proaktiver Dialog mit Wirtschaftsverbänden, um politischen Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen und wirtschaftliche Interessen zu vertreten.
  • Welche Branchen wären von einer Einschränkung der doppelten Staatsbürgerschaft besonders betroffen?
    Vor allem wissensintensive Branchen wie IT, Forschung und Entwicklung sowie internationale Dienstleistungen könnten unter Druck geraten. Diese Sektoren sind besonders auf hochqualifizierte, international mobile Fachkräfte angewiesen, für die die doppelte Staatsbürgerschaft oft ein entscheidendes Kriterium darstellt.
  • Gibt es internationale Beispiele für erfolgreiche Alternativen zur doppelten Staatsbürgerschaft?
    Länder wie Singapur oder die Vereinigten Arabischen Emirate haben spezielle Langzeitvisaprogramme für Fachkräfte entwickelt, die viele Vorteile einer Staatsbürgerschaft bieten, ohne die formelle Einbürgerung zu erfordern. Solche Modelle könnten auch für Deutschland eine pragmatische Alternative darstellen.
  • Wie könnte ein wirtschaftsfreundlicher Kompromiss in der Doppelpass-Debatte aussehen?
    Ein differenzierter Ansatz könnte zwischen verschiedenen Gruppen von Doppelstaatlern unterscheiden: Erleichterte Bedingungen für Fachkräfte und Investoren, während bei sicherheitsrelevanten Bedenken strengere Maßstäbe angelegt werden. Entscheidend wäre eine klare Rechtssicherheit für alle Beteiligten, um Planbarkeit für Unternehmen und Fachkräfte zu gewährleisten.

Quellen: „Bild“, „Welt“, „Zeit“