Drive & Dreams Uber, Waymo & Co.: Wem nehmen 100.000 Robotaxis die Parkplätze weg?

Uber, Waymo & Co.: Wem nehmen 100.000 Robotaxis die Parkplätze weg?

Die autonome Zukunft rollt an – aber niemand weiß, wo sie schlafen soll. Ein Reality-Check zwischen Silicon-Valley-Träumen und Parkplatz-Albträumen.

Die Vision klingt sexy: Selbstfahrende Taxis cruisen 24/7 durch die Städte, holen uns ab, wann immer wir wollen, und verschwinden danach einfach. Kein nerviger Parkplatz-Terror mehr, kein Stau um die letzten Lücken am Straßenrand. Waymo macht bereits 250.000 Fahrten pro Woche, Tesla puscht seinen Robotaxi-Service in Austin – und Elon Musk verspricht wie immer die Revolution. Jetzt legt Uber nach: 100.000 Robotaxis will der Fahrdienst-Riese ab 2027 gemeinsam mit Nvidia auf die Straßen bringen. Zum Vergleich: Waymo, der aktuelle Marktführer, hat gerade mal 2.000 Fahrzeuge. Doch während die Tech-Giganten von Hunderttausenden autonomer Fahrzeuge träumen, stellt sich eine ziemlich profane Frage: Wo zur Hölle parken diese Dinger eigentlich?

Houston, wir haben ein Parkplatz-Problem

Waymo, der Platzhirsch unter den Robotaxi-Anbietern, betreibt aktuell rund 1.500 fahrerlose Taxis und will bis 2026 auf 3.500 Fahrzeuge verdoppeln. Klingt nach viel? Ist aber Peanuts im Vergleich zur großen Vision. Tesla-Chef Musk träumt von Millionen selbstfahrender Teslas, die als Robotaxis durchs Land rollen. Doch schon bei den heutigen Flotten zeigen sich bizarre Probleme.

Im August 2024 wurde ein Waymo-Parkplatz in San Francisco zur unfreiwilligen Comedy-Show: Die selbstfahrenden Autos kehrten nachts ab 4 Uhr morgens von ihren Einsätzen zurück und veranstalteten ein nächtliches Hupkonzert. Der Grund? Eine neue Sicherheitsfunktion, bei der die Fahrzeuge hupen, wenn jemand rückwärts auf sie zufährt. Auf dem engen Parkplatz geschah das ständig – Auto für Auto, Roboter für Roboter, Hupe für Hupe. Die Anwohner waren not amused. Waymo musste per Software-Update schnell die Reißleine ziehen.

Uber will’s wissen: 100.000 Fahrzeuge als Plattform-Play

Während Waymo und Tesla noch mit dreistelligen Flotten experimentieren, denkt Uber längst in ganz anderen Dimensionen. Ende Oktober 2025 verkündete CEO Dara Khosrowshahi die Partnerschaft mit Chip-Gigant Nvidia: 100.000 autonome Fahrzeuge sollen ab 2027 über die Uber-Plattform rollen. Die ersten 5.000 kommen von Stellantis (Opel-Mutterkonzern), weitere Partner sind Mercedes-Benz und der Elektro-Hersteller Lucid.

Der Clou: Uber baut die Autos nicht selbst, sondern fungiert nur als Plattform. Ein smartes Geschäftsmodell – Uber trägt kein Fahrzeugrisiko, kassiert aber bei jeder Fahrt mit. Die Hersteller wiederum bekommen Zugang zu Millionen potenziellen Kunden und Nvidia als das Rückgrat der KI-Ära könnte nun die Level-4-Autonomie in enormem Maßstab entfesseln.

Klingt nach Win-Win. Aber: Wo sollen 100.000 Fahrzeuge parken? Uber selbst wird keine Mega-Depots bauen. Die Frage verlagert sich zu den Herstellern und Betreibern. Stellantis müsste für seine ersten 5.000 Fahrzeuge bereits Flächen in der Größe von mehreren Fußballfeldern sichern – inklusive Ladeinfrastruktur für rund 15.000 Ladevorgänge pro Tag. Bei 100.000 Fahrzeugen potenziert sich das Problem ins Absurde.

Wenn Robotaxis die Ausfahrt nicht finden

Doch es kommt noch besser – oder schlimmer, je nach Perspektive. Mehrere Tesla- und Waymo-Robotaxis haben in den letzten Monaten eindrucksvoll bewiesen, dass selbst Parkplätze für autonome Systeme zur Herausforderung werden können.

Ein Tesla-Robotaxi drehte in Austin minutenlang Runden auf einem Parkplatz, weil die reguläre Ausfahrt durch Pylonen gesperrt war. Sechs Runden lang kreiste das Fahrzeug wie ein verirrter Hamster im Laufrad, bis es ferngesteuert aus der Zentrale befreit werden musste. „Das Fahrzeug macht offenbar keine Fortschritte“, hieß es lapidar vom Support.

Ein Waymo-Passagier namens Mike Johns hatte es sogar noch schlimmer erwischt: Sein Robotaxi sollte ihn zum Flughafen bringen, drehte stattdessen aber Endlosschleifen auf einem Parkplatz. Erst nach mehreren Minuten gelang es, das Auto aus seiner selbstverschuldeten Parkplatz-Gefangenschaft zu befreien.

Ein anderes Waymo-Fahrzeug blieb eine halbe Stunde lang in der Drive-Through-Spur eines Chick-fil-A-Restaurants stecken. Es hatte einen Passagier abgesetzt und kam dann auf dem engen Parkplatz nicht mehr weiter. Der Auto-Schalter musste geschlossen werden.

Die 100.000-Fahrzeug-Frage

Jetzt rechnen wir mal hoch: Waymo hat für 1.500 Fahrzeuge einen eigenen Parkplatz angemietet. Bei 100.000 Robotaxis – einer realistischen Zahl für eine Großstadt der Zukunft – wären das gigantische Depot-Flächen von mehreren Hektar. In San Francisco, wo ein Quadratmeter Grundstück unbezahlbar ist. In New York, wo Parkraum noch rarer ist als ehrliche Taxi-Fahrer.

Die Infrastruktur-Herausforderung ist brutal: Jedes Robotaxi braucht nicht nur einen Parkplatz, sondern auch eine Ladestation. Waymo nutzt bereits eine hochmoderne Integrations- und Wartungsanlage in Mesa, Arizona – für die aktuelle Flotte. Doch bei einer Verzehnfachung oder gar Verhundertfachung der Flotte bräuchte man Flächen in der Größe ganzer Industriegebiete. Mit Hunderten Schnellladesäulen, Wartungsstraßen und Reinigungsanlagen.

Die Kosten? Explodieren. Ein einzelner Schnelllade-Punkt für Elektrofahrzeuge kostet in der Installation zwischen 15.000 und 50.000 Euro. Bei 100.000 Fahrzeugen mit durchschnittlich drei Ladevorgängen pro Tag reden wir von einem Ladeinfrastruktur-Investment im Milliarden-Bereich. Von den Stromkosten ganz zu schweigen.

Realität vs. Silicon Valley-Fantasie

Hier prallen Welten aufeinander: Die Tech-Propheten versprechen eine Zukunft, in der Autos permanent unterwegs sind und „tote“ Parkzeit eliminiert wird. Die Realität zeigt: Selbst hochmoderne KI-Systeme haben ihre Probleme mit simplen Parkplätzen. Waymo-Fahrzeuge kassierten allein 2024 in San Francisco 589 Knöllchen für Parkverstöße – insgesamt 65.065 Dollar an Bußgeldern. Die Roboter blockierten Straßen, ignorierten Halteverbote und parkten in Feuerwehrzonen.

Die Crux: Je mehr Robotaxis unterwegs sind, desto mehr zentrale Depot-Flächen braucht man. Denn die Fahrzeuge müssen irgendwo gewartet, gereinigt und geladen werden. Und das geht nicht einfach „irgendwo“. Es braucht:

  • Gesicherte Areale mit Zugangskontrollen
  • Hochleistungs-Stromnetze für simultanes Schnellladen
  • Wartungshallen mit Sensorkalibrierung
  • Reinigungs-Straßen (schmutzige Kameras = blinde KI)
  • Software-Update-Stationen

Die urbane Parkplatz-Apokalypse

Hier wird es richtig spannend: Die Robotaxi-Revolution könnte das Parkplatz-Problem in Innenstädten nicht lösen, sondern verlagern. Statt 100.000 PKWs, die wild in der Stadt verteilt parken, hätte man 100.000 Robotaxis, die in gigantischen Depots am Stadtrand konzentriert sind.

Das könnte sogar Vorteile haben: Innenstädte mit mehr Freiflächen, weniger Parkplatz-Suchverkehr. Aber es entstehen neue Monster-Probleme: Wie kommt der Strom zu diesen Mega-Depots? Wer finanziert die Infrastruktur? Und was passiert, wenn die halbe Flotte morgens gleichzeitig in die Rush Hour will?

Tesla hat einen anderen Ansatz: Die Fahrzeuge sollen auch als private PKWs genutzt werden und in „Downtime“ als Robotaxis Geld verdienen. Das klingt schlau, verschiebt aber nur das Problem: Dann parken Millionen Teslas tagsüber trotzdem irgendwo. Oder eben nicht, weil sie dauerhaft rumkurven – was wieder neue Fragen aufwirft zur Effizienz, zum Verschleiß und zur Verkehrsbelastung.

Deutschland: Der Robotaxi-Albtraum

Und jetzt stellen wir uns das Ganze mal in deutschen Großstädten vor. München, Hamburg, Berlin mit jeweils 10.000 bis 20.000 Robotaxis. Die Vorstellung ist absurd – und zwar aus mehreren Gründen.

Erstens: Der Flächenwahnsinn. Deutsche Innenstädte sind eng, historisch gewachsen und haben null Reserven für gigantische Robotaxi-Depots. Wo soll in München-Schwabing ein Parkplatz für 10.000 Fahrzeuge entstehen? Auf dem Olympiagelände? Im Englischen Garten? Die einzige Lösung: Mega-Depots am Stadtrand oder im Umland. In Garching, Dachau oder Freising. Mit den entsprechenden Anfahrtswegen, die den Verkehr erst recht belasten.

Zweitens: Die Stromnetz-Apokalypse. 10.000 Robotaxis in Berlin bedeuten bei durchschnittlich drei Ladevorgängen à 50 kWh pro Tag: 1,5 Gigawattstunden Strom täglich. Das ist ungefähr so viel wie ein mittelgroßer Industriebetrieb verbraucht. Die lokalen Stadtwerke müssten massive Netz-Upgrades fahren, neue Trafostationen bauen und Hochspannungsleitungen ziehen. Kostenpunkt: dreistellige Millionenbeträge – pro Stadt.

Drittens: Deutsche Bürokratie trifft Silicon-Valley-Speed. Während Waymo in San Francisco einfach loslegt, bräuchte man in Deutschland für jeden Standort: Baugenehmigungen, Umweltgutachten, Lärmschutzauflagen, Anwohner-Anhörungen, TÜV-Abnahmen, Brandschutzkonzepte. Von der ersten Idee bis zur Betriebsgenehmigung vergehen locker 5-7 Jahre. Zu dem Zeitpunkt ist die Tech längst wieder veraltet.

Viertens: Das deutsche Parkplatz-Paradoxon. In Hamburg gibt es aktuell rund 1,2 Millionen zugelassene PKW bei etwa 1,9 Millionen Einwohnern. 10.000 Robotaxis könnten theoretisch 50.000 bis 100.000 private Autos ersetzen – wenn die Auslastung stimmt. Das würde tatsächlich Parkraum in der Innenstadt freimachen. Aber: Die Hamburger müssten bereit sein, ihr Auto abzuschaffen. Und das ist kulturell etwa so wahrscheinlich wie ein Veggie-Day in Bayern.

Fünftens: Die Kosten-Explosion. Grundstückspreise in deutschen Metropolen sind obszön. Ein Hektar in München-Stadtrand: 5-10 Millionen Euro. Für ein Depot mit 5.000 Fahrzeugen inklusive Ladeinfrastruktur braucht man mindestens 5-7 Hektar. Allein der Grundstückskauf: 25-70 Millionen Euro. Plus Bebauung, Ladestationen, Wartungshallen. Pro Stadt wohlgemerkt.

Die nüchterne Rechnung: Robotaxis in Deutschland sind ein Luxus-Projekt für Großstädte – wenn überhaupt. Realistisch wäre ein langsamer Aufbau in einigen wenigen Städten (München, Berlin, Hamburg, Frankfurt) mit maximal je 2.000-3.000 Fahrzeugen bis 2030. Alles andere ist Science-Fiction.

Der Business Punk-Check

Die Wahrheit ist: Niemand hat bisher einen überzeugenden Plan für 100.000 Robotaxis in einer Stadt vorgelegt. Waymo plant konservativ, verdoppelt seine Flotte graduell und lernt dabei. Uber verkündet groß 100.000 Fahrzeuge, überlässt aber das Parkplatz-Problem elegant den Herstellern und Flottenbetreibern. Tesla verspricht die Revolution, kämpft aber aktuell schon mit 20 Fahrzeugen in Austin gegen Parkplatz-Endlosschleifen.

Die Zukunft des autonomen Fahrens kommt – keine Frage. Aber sie wird nicht so aussehen wie im PR-Video. Sie wird profaner, komplexer und teurer sein als gedacht. Mit riesigen Depot-Flächen am Stadtrand, mit intelligenten Lade-Management-Systemen und mit der Erkenntnis, dass selbst die smarteste KI manchmal nicht weiß, wo die Ausfahrt ist.

Bis dahin gilt: Die größte Herausforderung der Robotaxi-Revolution ist nicht die KI. Es ist der Parkplatz. Und das ist irgendwie auch sehr deutsch gedacht.

Die Fakten zu Robotaxis

  • Waymo betreibt 1.500 Robotaxis, plant 3.500 bis 2026
  • 250.000 bezahlte Fahrten pro Woche (Waymo)
  • Uber plant 100.000 Robotaxis ab 2027 (mit Nvidia, Stellantis, Mercedes-Benz, Lucid)
  • 589 Parkknöllchen für Waymo in San Francisco (2024)
  • Tesla startet mit 10-20 Fahrzeugen in Austin
  • Service-Gebiete: 90-243 Quadratmeilen pro Stadt
  • 1,5 GWh Strom täglich für 10.000 Robotaxis in einer Stadt

Häufig gestellte Fragen

  • Welche wirtschaftlichen Chancen entstehen durch die Robotaxi-Infrastrukturkrise?
    Die Infrastrukturlücke schafft neue Geschäftsfelder für Immobilienentwickler und Energieunternehmen. Der Bau und Betrieb von Robotaxi-Hubs mit integrierter Ladeinfrastruktur, Wartung und Reinigung könnte ein Milliardenmarkt werden – mit höheren Margen als der eigentliche Fahrdienst.
  • Wie können Mittelständler vom Robotaxi-Boom profitieren?
    Mittelständische Unternehmen sollten sich auf Nischenbereiche der Infrastruktur konzentrieren: automatisierte Reinigungssysteme für Sensoren, spezialisierte Wartungsdienste oder Software für Flottenmanagement. Die großen Player fokussieren sich auf Fahrzeuge und KI – die Infrastruktur-Peripherie bleibt oft unbesetzt.
  • Welche Städte werden zuerst von der Robotaxi-Revolution profitieren?
    Nicht die Metropolen, sondern mittelgroße Städte mit ausreichend Flächen am Stadtrand werden die ersten funktionierenden Robotaxi-Ökosysteme entwickeln. Städte wie Austin, Phoenix oder in Deutschland Hannover bieten bessere Voraussetzungen als New York oder Berlin.
  • Wie verändert die Robotaxi-Infrastruktur die Stadtplanung?
    Stadtplaner müssen Mobilitätshubs neu denken – als Kombination aus Parkhaus, Ladestation und Wartungszentrum. Die Trennung zwischen öffentlichem Nahverkehr und individueller Mobilität verschwimmt. Zukunftsorientierte Städte reservieren bereits jetzt Flächen für autonome Mobilitätszentren.
  • Was bedeutet die Robotaxi-Revolution für den Immobilienmarkt?
    Innerstädtische Parkhäuser könnten massiv an Wert verlieren, während gut angebundene Flächen am Stadtrand mit Hochleistungs-Stromanbindung erheblich aufgewertet werden. Investoren sollten diese Verschiebung in ihre langfristigen Immobilienstrategien einbeziehen.

Quellen: „ABC7 San Francisco“, „Business Insider“, „Der Aktionär“, „CNBC“, „Bloomberg“, „Nvidia“, „t3n“, „Leadersnet“