Drive & Dreams Wie drei chinesische Beamte die deutsche Autoindustrie lahmlegen

Wie drei chinesische Beamte die deutsche Autoindustrie lahmlegen

China verknappt die Ausfuhr Seltener Erden, ohne die kein leistungsstarker Magnet auskommt. Damit wird es schwierig, Elektromotoren für Autos zu bekommen. BMW und Co. haben das nächste Problem auf dem Tisch.

Die deutsche Autoindustrie hat ein neues Schmerz-Thema: Magnete. Sie kommen überall vor, wo Elektromotoren eingebaut werden. Beim Antrieb, aber auch in Servolenkungen, in Fensterhebern, bei Scheibenwischern, bei den Bremsverstärkern und sogar in den Sitzverstellung. Besonders große Wagen haben besonders viele dieser kleinen Motörchen, die das Leben der Passagiere angenehm machen sollen. 

Diese Magnete sind aber nicht irgendwelche Magnete, sondern es sind besonders starke. Sie sind 15mal kräftiger als gewöhnliche Eisenmagnete, wie Eltern sie von der Holzeisenbahn der Kinder kennen. Sie wiegen auch noch deutlich weniger. Ein durchschnittliches Auto der Premiumklasse enthält heute bis zu 70 dieser Supermagnete. Das Problem: Diese Magnete können nicht in Deutschland oder in Europa hergestellt werden, weil für ihren Bau Seltene Erden notwendig sind. Die gibt es vor allem in China. Andere Länder mit nennenswerten Vorkommen sind Brasilien, Russland und Vietnam, womit das Thema klar wird: Alles, was knapp und begehrt ist, kann als Druckmittel eingesetzt werden. Und das passiert gerade.

Der Name Seltene Erden führt in die Irre. Tatsächlich geht es nicht um Erde, sondern um Metall. Selten ist dieses Metall auch nicht wirklich, sondern es ist nur schwer aus dem Gestein heraus zu lösen. Wer es gewinnen will, muss tonnenweise Gestein abbauen, zerschlagen, zermahlen, mit Säuren versetzen, um am Ende wirklich etwas Nennenswertes von dem wertvollen Stoff in der Hand zu halten. Seltene Erden kommen nie in hohen Konzentrationen vor. Pro Tonne Metall entstehen bis zu 2000 Tonnen giftiger Abfall. Es ist also ein dreckiges Geschäft, das die Länder des Westens in der Vergangenheit lieber anderen überlassen haben – eben zum Beispiel China. 70 Prozent der weltweiten Verarbeitung fanden 2024 in China statt, geht aus dem US Geological Survey hervor. Die EU bezieht nach Angaben der Kommission in Brüssel 100 Prozent der importierten Seltenen Erden aus China.

Und China spielt seine Macht aus: Als US-Präsident Donald Trump im April 2025 seine Drohungen wahrmachte, und die Zölle auf praktisch alle chinesischen Waren drastisch erhöhte, reagierte China zunächst mit Gegenzöllen. Was daneben für ein paar Augenblicke beinahe unbemerkt blieb, hatte aber noch gewaltigere Auswirkungen als der Zollkrieg: China reagierte außerdem mit Exportkontrollen auf sieben strategische Seltene Erden. Am Anfang stoppte das Land der Mitte die Ausfuhren ganz und gar. Anschließend lockerte Peking diese Strategie und führte ein bewusst schwer zu durchschauendes Lizenzsystem ein, das alle beherrschen müssen, die Seltene Erden aus China beziehen wollen.

Auto-Experte Philipp Raasch beschreibt es in seinem Newsletter so: „In der zuständigen Behörde arbeiten nur 60 Mitarbeiter. Davon dürfen gerade mal drei Beamte Genehmigungen unterschreiben. Und das Büro hat strikte Öffnungszeiten: 8:30 Uhr bis 11:30 Uhr morgens und 14 bis 17:00 Uhr nachmittags.“ Die Folge: Nur 25 Prozent der beantragten Ausfuhren würden genehmigt. Wolfgang Niedermark, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) nennt das „alarmierend für die deutsche Industrie“. Und der Verband der Automobilhersteller VDA warnt bereits vor Produktionsstopps. BMW räumt ein, dass Teile des Lieferanten-Netzwerks betroffen seien, die Werke aber noch normal liefen. Mercedes erklärt, man prüfe „physische Puffer“, was so viel heißt wie: Die Schwaben kaufen alles auf und legen es ins Lager. Ford musste bereits für eine Woche ein komplettes Werk in Chicago herunterfahren. Es könnte sein, dass auch bei Tesla-Chef Elon Musk deswegen die Nerven blank liegen und er Trump dafür verantwortlich macht. Das Ganze erinnert an den Chipmangel während der Corona-Epidemie, der die Produktion einiger Autohersteller ebenfalls vorübergehend lahmgelegt hatte

Inzwischen hat Peking in Aussicht gestellt, zumindest Anträge europäischer Firmen auf den Import Seltener Erden schneller zu bearbeiten. „Die Ausfuhrkontrolle von Seltenen Erden und anderen Materialien ist gängige Praxis auf internationaler Ebene“, erklärte ein Sprecher des Handelsministeriums in Peking. China messe den Sorgen der Europäischen Union große Bedeutung bei. Deshalb sei man bereit, einen „grünen Kanal“ für Anträge, welche die Bedingungen erfüllen, einzurichten, um die Prüfung zu beschleunigen. Entsprechend habe sich Chinas Handelsminister Wang Wentao bereits bei einem Treffen mit EU Handelskommissar Maros Sefcovic geäußert, der die chinesischen Exportbeschränkungen moniert hatte.  Weng hoffe im Gegenzug, dass die europäische Seite Maßnahmen ergreife, damit der Handel von High Tech Produkten mit China einfacher werden könnte, sagte der Sprecher in Peking.

Die renommierte Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat der akute Mangel ebenfalls auf den Plan gerufen. Grimm plädiert für eine umfassende nationale Strategie, um die Versorgung Deutschlands mit Seltenen Erden sicherzustellen. Sie hält es sogar für notwendig, dass ein Nationale Sicherheitsrat, wie ihn die Koalition schaffen will, hierbei eine führende Rolle übernehmen soll. Grimm lobt zwar die ersten Schritte der Regierung, wie einen Rohstofffonds einzusetzen und eine nationale Rohstoffstrategie zu erarbeiten, sie kritisiert jedoch die viel zu langsame und bürokratische Umsetzung. Ihre Lösungsvorschlag: Sie ruft zu europäischen Einkaufskooperationen auf, dem Aufbau strategischer Rohstoff-Reserven sowie der Erweiterung von Rohstoffpartnerschaften mit ressourcenreichen Ländern wie Kanada, Australien und Chile, um die Abhängigkeit von chinesischen Lieferungen zu verringern.