Green & Generation Erbe in Patchworkfamilien: Wie eine Gesetzeslücke alles zerreißen kann

Erbe in Patchworkfamilien: Wie eine Gesetzeslücke alles zerreißen kann

Die moderne Patchworkfamilie ist im deutschen Erbrecht nicht vorgesehen. Ohne Testament drohen schmerzhafte Überraschungen: Stiefkinder gehen leer aus, Vermögen verlässt die Familie, Ungleichheiten entstehen. Ein Weckruf für alle, die ihre Liebsten absichern wollen.

Das Familienleben hat sich gewandelt, das Erbrecht nicht. Während Patchworkfamilien längst gesellschaftliche Normalität sind, operiert das deutsche Erbrecht noch mit einem Familienbild aus der Kaiserzeit. Die Folgen dieser Diskrepanz können verheerend sein: Stiefkinder haben keinen gesetzlichen Erbanspruch, langjährige Partner können leer ausgehen, und das mühsam aufgebaute Vermögen landet bei Menschen, die der Verstorbene vielleicht kaum kannte. Wer in einer Patchworkfamilie lebt und nichts regelt, überlässt das Schicksal seiner Liebsten dem Paragrafendschungel.

Die rechtliche Realität: Stiefkinder sind erbrechtlich Fremde

Die juristische Lage ist eindeutig: Stiefkinder haben beim Tod des Stiefelternteils keinerlei gesetzliches Erbrecht. Egal, wie eng die Beziehung war, wie viele Jahre man gemeinsam unter einem Dach gelebt hat oder wie sehr man sich als echte Familie gefühlt hat – vor dem Gesetz existiert diese Bindung schlicht nicht. Ohne Testament fällt das Vermögen ausschließlich an die leiblichen Kinder und den Ehepartner. Die emotionale Realität der Familie spielt für die gesetzliche Erbfolge keine Rolle.

Besonders problematisch wird es beim sogenannten „Berliner Testament“, bei dem sich Ehepartner gegenseitig als Alleinerben einsetzen und die Kinder erst nach dem Tod des zweiten Partners erben sollen. Stirbt der erste Partner, erbt der überlebende Ehepartner alles – und nach dessen Tod fließt das gesamte Vermögen an seine leiblichen Kinder. Die Kinder des Erstverstorbenen gehen dann oft komplett leer aus.

Fallstricke für drei typische Patchwork-Konstellationen

Der Beispiel-Fall der Confidema GmbH  von Julia und Frank zeigt, wie ungerecht die gesetzliche Erbfolge wirken kann. Julias Töchter erhalten nach ihrem Tod nur die Hälfte des mütterlichen Vermögens, während die andere Hälfte an Frank geht. Stirbt später auch Frank, erbt sein Sohn alles – auch den Teil, der ursprünglich von Julia stammte. Am Ende landet der Großteil des gemeinsamen Vermögens bei Franks Sohn, während Julias Töchter deutlich weniger bekommen.

Noch dramatischer ist die Situation bei Michael und Lena im zweiten Fall. Michaels Kinder könnten nach seinem Tod erleben, dass das Elternhaus teilweise an Menschen fällt, die sie nicht einmal kennen. Wenn Lena nach Michael stirbt, geht ihr Erbteil – einschließlich des Anteils am Haus ihres verstorbenen Mannes – an ihre eigenen gesetzlichen Erben, etwa Geschwister oder Nichten und Neffen. Ein Teil des väterlichen Vermögens verlässt so dauerhaft die Familie.

Am härtesten trifft es unverheiratete Paare mit Kindern wie Tobias und seine Partnerfamilie im letzten Beispiel. Ohne Testament gehen sowohl die Partnerin als auch das Stiefkind komplett leer aus, selbst wenn Tobias das Kind wie sein eigenes großgezogen hat. Sein gesamtes Vermögen fällt stattdessen an seine gesetzlichen Erben – möglicherweise entfernte Verwandte, zu denen er kaum Kontakt hatte.

Pflichtteile als zusätzlicher Konfliktherd

Die gesetzliche Erbfolge schafft nicht nur Ungerechtigkeiten, sondern auch Konfliktpotenzial. Leibliche Kinder haben stets einen Pflichtteilsanspruch – selbst wenn ein Testament sie enterbt. Bevorzugt ein Elternteil den neuen Partner oder dessen Kinder finanziell, können die eigenen Kinder nach dem Tod Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen. Der überlebende Partner sitzt dann zwischen den Stühlen und muss die Interessen verschiedener Familienzweige ausbalancieren.

Lösungsansätze: Wie Patchworkfamilien vorsorgen können

Die gute Nachricht: Mit einer durchdachten Nachlassplanung lassen sich die Fallstricke des Erbrechts umgehen. Ein maßgeschneidertes Testament ist für Patchworkfamilien keine Option, sondern Pflicht. Darin können Stiefkinder gezielt bedacht und eine gerechte Verteilung des Vermögens festgelegt werden.

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