Green & Generation Greenpeace-Studie: Warum Zugtickets teurer sind als Kurzstreckenflüge

Greenpeace-Studie: Warum Zugtickets teurer sind als Kurzstreckenflüge

Fliegen bleibt auf 54% der europäischen Strecken billiger als Bahnfahren, trotz massiv schlechterer CO₂-Bilanz. Greenpeace-Studie zeigt: Preispolitik konterkariert Klimaziele – besonders bei grenzüberschreitenden Reisen.

Der Preiskampf zwischen Schiene und Himmel bleibt ungleich. Auf mehr als der Hälfte aller europäischen Reiserouten ist klimaschädliches Fliegen nach wie vor günstiger als die umweltfreundlichere Bahnfahrt.

Eine aktuelle Greenpeace-Studie, die 142 Strecken in 31 europäischen Ländern unter die Lupe nahm, offenbart die anhaltende Schieflage: Nur auf 46 Prozent der untersuchten Verbindungen bietet die Bahn den günstigeren Tarif. Besonders krass: Wer von Barcelona nach London reisen will, zahlt für ein Zugticket bis zu 26-mal mehr als für einen Flug – konkret 389 Euro gegenüber 15 Euro. Dabei verursacht der Flug etwa zehnmal mehr CO₂-Emissionen.

Die Preisfalle bei grenzüberschreitenden Reisen

Bei internationalen Verbindungen wird die Diskrepanz besonders deutlich. Laut Greenpeace sind nur auf 39 Prozent der grenzüberschreitenden Strecken Zugtickets günstiger als Flugtickets. „So ist es nicht verwunderlich, dass der Preis für ein Flugticket auf diesen Strecken so niedrig ist“, erklärt Luftverkehrsexpertin Yvonne Ziegler von der Frankfurt University of Applied Sciences gegenüber „tagesschau.de“.

Der extreme Wettbewerb zwischen Low-Cost-Airlines drückt die Preise massiv. Innerhalb Deutschlands sieht die Bilanz anders aus. „Innerhalb Deutschlands ist Bahn fahren fast immer günstiger als fliegen“, bestätigt Greenpeace-Studienautor Herwig Schuster gegenüber „tagesschau.de“. Auf den untersuchten innerdeutschen Routen kostet die Bahnfahrt im Schnitt höchstens ein Drittel des Flugtickets.

Strukturelle Hürden im europäischen Bahnverkehr

Die Preispolitik ist nur ein Teil des Problems. Hinzu kommen strukturelle Hürden, die das Bahnfahren in Europa erschweren. „Was wir auf alle Fälle brauchen, sind durchgehende Tickets und durchgehende Fahrgastrechte“, fordert Bahn-Experte Detlef Neuss vom Fahrgastverband Pro Bahn. Das aktuelle System zwingt Reisende oft, für eine Strecke mehrere Tickets bei verschiedenen Bahnunternehmen zu kaufen.

Die Folgen dieser Fragmentierung sind gravierend: „Wenn Sie dann in Paris den Anschlusszug nach Lyon verpassen, weil sich der vorherige Zug verspätet hat, dann haben Sie kein Recht auf Ersatz, sondern müssen sich ein neues Ticket kaufen,“ erläutert Neuss. Ein weiteres Hindernis ist das ungenutzte Potenzial bestehender Schienennetze. Laut „greenpeace.de“ könnte die Zahl der Direktzüge zwischen europäischen Metropolen verdreifacht werden – ohne einen einzigen Kilometer neuer Gleise.

Die CO₂-Bilanz spricht eindeutig für die Bahn

Die Klimabilanz der verschiedenen Verkehrsmittel ist eindeutig. Der CO₂-Kompass der Deutschen Bahn, der auf Daten des Umweltbundesamtes basiert, zeigt: Eine Fernreise mit der Bahn verursacht nur einen Bruchteil der Emissionen eines Fluges.

Auf einer 880-Kilometer-Strecke entstehen bei einer Bahnfahrt mit 100% Ökostrom nur 29 kg CO₂ pro Person, während ein Flug 221 kg CO₂ produziert – fast achtmal mehr. Die Deutsche Bahn arbeitet nach eigenen Angaben an einer „Wachstumsstrategie für den internationalen Fernverkehr“, die neue Fahrzeuge, einen europäischen Ticketing-Standard und zusätzliche internationale Verbindungen umfassen soll. Doch ohne politische Unterstützung dürfte der Wandel schwierig werden.

Steuerliche Ungleichbehandlung als Kernproblem

Die aktuelle Marktverzerrung hat systemische Ursachen. Während der Flugverkehr von Steuerbefreiungen profitiert, wird der Bahnverkehr mit zusätzlichen Abgaben belastet. Greenpeace fordert daher eine Umkehr: Bahnfahren müsse durch niedrigere Steuern und eine gesenkte Schienenmaut dauerhaft günstiger werden, während Flüge ihre wahren Umweltkosten durch höhere Besteuerung abbilden sollten.

Die Luftfahrtbranche widerspricht dieser Darstellung. Luftverkehrsexpertin Ziegler betont, der Flugverkehr sei bereits mit umfangreichen Abgaben belastet und finanziere seine Infrastruktur in Deutschland selbst – anders als Straße und Schiene. Unerwähnt bleibt dabei, dass viele Regionalflughäfen ohne staatliche Subventionen nicht überlebensfähig wären.

Business Punk Check

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Wir subventionieren weiterhin das falsche System. Die Preispolitik im europäischen Verkehr ist ein klassisches Beispiel für Marktversagen – externe Kosten werden nicht eingepreist, während strukturelle Hürden klimafreundliches Verhalten bestrafen. Das vielgepriesene „Marktprinzip“ versagt hier komplett.

Besonders absurd: Während die EU-Kommission ambitionierte Klimaziele verkündet, zementiert die bestehende Verkehrspolitik ein System, das genau diese Ziele sabotiert. Die Wirtschaft braucht hier klare Rahmenbedingungen statt leerer Nachhaltigkeitsversprechen. Unternehmen, die auf nachhaltige Geschäftsreisen setzen wollen, werden durch die aktuelle Preispolitik systematisch ausgebremst. Wer im Mittelstand seine Dienstreisen auf Bahn umstellen will, zahlt drauf – ein unhaltbarer Zustand für jeden, der ernsthaft über nachhaltiges Wirtschaften nachdenkt.

Häufig gestellte Fragen

  • Ab welcher Strecke lohnt sich die Bahn klimatechnisch gegenüber dem Flugzeug?
    Bereits ab 300-500 km ist die Bahn mit Ökostrom deutlich klimafreundlicher. Bei einer 880 km-Strecke verursacht die Bahn nur 29 kg CO₂ pro Person, ein Flug dagegen 221 kg – also fast achtmal mehr. Selbst moderne Flugzeuge können diese Kluft nicht annähernd schließen.
  • Wie können Unternehmen trotz höherer Bahnpreise klimafreundliche Geschäftsreisen umsetzen?
    Unternehmen sollten Bahncard-Rabatte systematisch nutzen, frühzeitig buchen und die tatsächlichen Gesamtkosten betrachten: Bei Flugreisen kommen oft versteckte Kosten für Anreise zum Flughafen, Gepäck und unproduktive Wartezeiten hinzu. Zudem lohnt es sich, die CO₂-Einsparungen in die Nachhaltigkeitsbilanz einzurechnen und Dienstreiserichtlinien entsprechend anzupassen.
  • Welche politischen Maßnahmen könnten das Preisverhältnis zwischen Bahn und Flug korrigieren?
    Effektive Maßnahmen wären die Abschaffung der Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge, eine europaweite Kerosinsteuer, die Senkung der Schienenmaut und die Einführung eines einheitlichen europäischen Buchungs- und Fahrgastrechte-Systems. Besonders der Mittelstand würde von solchen strukturellen Änderungen profitieren.
  • Wie können Unternehmen den CO₂-Fußabdruck ihrer Geschäftsreisen konkret berechnen?
    Unternehmen können den CO₂-Kompass der Deutschen Bahn oder vergleichbare Tools nutzen, die auf Daten des Umweltbundesamtes basieren. Diese berechnen die tatsächlichen Emissionen verschiedener Verkehrsmittel auf spezifischen Strecken und ermöglichen so fundierte Entscheidungen für Reiserichtlinien und CO₂-Bilanzen.
  • Welche Branchen würden am stärksten von einer Angleichung der Bahn- und Flugpreise profitieren?
    Besonders der Mittelstand und die Beratungsbranche mit ihrem hohen Reiseaufkommen würden profitieren. Auch der Tourismus könnte neue, nachhaltigere Geschäftsmodelle entwickeln. Für die Logistikbranche würden sich durch verstärkten Gütertransport auf der Schiene neue Marktchancen eröffnen, während die Technologiebranche von der Digitalisierung des Bahnsystems profitieren könnte.

Quellen: „tagesschau.de“, „greenpeace.de“, „CO₂-Kompass der Deutschen Bahn“