Startup & Scaling Endgültige Pleite: US-Firma schnappt sich Liliums Flugtaxi-Patente für Schnäppchenpreis

Endgültige Pleite: US-Firma schnappt sich Liliums Flugtaxi-Patente für Schnäppchenpreis

Deutsches Flugtaxi-Startup Lilium verliert seine Technologie an US-Konkurrent Archer Aviation. Für nur 18 Millionen Euro wechseln über 300 Patente den Besitzer – ein Bruchteil der investierten 1,5 Milliarden Euro.

Die deutsche Luftfahrt-Hoffnung ist endgültig gegroundet. Nach zwei Insolvenzen und gescheiterten Rettungsversuchen wandern die Patente des bayerischen Flugtaxi-Startups Lilium jetzt in die USA. Der Insolvenzverwalter hat das technologische Erbe des einstigen Vorzeige-Startups an den US-Konkurrenten Archer Aviation verkauft. Die Gläubigerausschüsse beider Lilium-Gesellschaften stimmten dem Deal zu, wie laut „Handelsblatt“ nun bekannt wurde.

Patentschatz für Kleingeld

Archer Aviation sichert sich für gerade einmal 18 Millionen Euro ein Portfolio von über 300 Patenten, wie „heise.de“ berichtet. Zum Vergleich: Investoren hatten in den vergangenen Jahren rund 1,5 Milliarden Euro in das 2015 gegründete Unternehmen gepumpt. Der Deal umfasst Technologien für Hochvolt-Systeme, Batteriemanagementsysteme, Flugzeugkonstruktion, Flugsteuerungssysteme und elektrische Antriebe – alles essenzielle Komponenten für die Entwicklung elektrischer Senkrechtstarterflugzeuge (eVTOL).

„Nach langen Verhandlungen in einem komplexen Transaktionsprozess hat sich Archer im Bieterwettbewerb durchgesetzt“, so Insolvenzverwalter Ivo-Meinert Willrodt laut „br.de“. Archer zahlt einen „niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbetrag“, wie der Insolvenzverwalter mitteilt. Auf der eigenen Website nennt Archer konkret die Summe von 18 Millionen Euro.

Gescheiterte Rettungsversuche

Der Verkauf an Archer markiert das Ende einer turbulenten Geschichte. Noch Ende August schien eine Rettung durch die europäische Industrie- und Investmentholding Ambitious Air Mobility Group (AAMG) möglich. Diese hatte laut „Handelsblatt“ angeboten, 20 Millionen Euro für die Vermögenswerte zu zahlen und weitere 250 Millionen Euro zu investieren. Doch die Finanzierung kam nicht zustande. Bereits am 24.

Dezember 2023 hatte das Investorenkonsortium Mobile Uplift Corporation (MUC) einen Kaufvertrag für das Betriebsvermögen unterzeichnet und 200 Millionen Euro frisches Kapital angekündigt. Auch dieses Geld floss nie, wie „heise.de“ dokumentiert. Nach einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung läuft seit März 2024 ein Regelinsolvenzverfahren.

Archer übernimmt das Steuer

Der neue Eigentümer Archer Aviation ist in der Entwicklung deutlich weiter als Lilium je kam. Das börsennotierte US-Unternehmen hat bereits bemannte Testflüge durchgeführt und plant erste kommerzielle Einsätze im arabischen Raum sowie in Großstädten Indiens und Koreas. Eine Genehmigung der US-Luftfahrtbehörde FAA steht kurz bevor, wie „br.de“ berichtet.

Mit dem Erwerb der Lilium-Patente baut Archer seine Position im globalen Wettlauf um die Marktführerschaft bei elektrischen Senkrechtstartern weiter aus. Die Amerikaner sichern sich nicht nur wertvolle Technologie, sondern eliminieren gleichzeitig einen potenziellen Konkurrenten – wenn auch einen bereits schwer angeschlagenen.

Business Punk Check

Die Lilium-Story ist ein Paradebeispiel für die Kluft zwischen Hype und Realität in der Startup-Welt. 1,5 Milliarden Euro Investment verbrannt, null kommerzielle Flüge absolviert, und am Ende werden die Patente für lächerliche 18 Millionen Euro verscherbelt. Das entspricht gerade mal 1,2 Prozent des investierten Kapitals. Der Fall zeigt schonungslos, wie Europa bei Zukunftstechnologien den Anschluss verliert.

Während US-Unternehmen wie Archer bereits fliegen und asiatische Märkte erschließen, bleibt Deutschland mit leeren Hangars zurück. Die harte Wahrheit: Ohne radikale Änderungen bei Risikokapital, Regulierung und Innovationskultur wird die nächste Mobilitätsrevolution ohne europäische Beteiligung stattfinden. Für Investoren bedeutet das: Genauer hinschauen, wer tatsächlich liefert, statt nur große Visionen verkauft.

Häufig gestellte Fragen

  • Warum konnte Lilium trotz 1,5 Milliarden Euro Investment nicht überleben?
    Lilium scheiterte an der Kombination aus hohem Kapitalbedarf, technologischen Hürden und fehlender Marktreife. Anders als US-Konkurrenten wie Archer fehlte in Europa das langfristige Durchhaltevermögen bei Investoren und die regulatorische Unterstützung für radikale Mobilitätsinnovationen.
  • Was bedeutet Liliums Scheitern für den europäischen Technologiestandort?
    Der Fall zeigt die strukturellen Schwächen Europas bei der Kommerzialisierung von Zukunftstechnologien. Während die USA und Asien bei eVTOL-Technologien voranschreiten, verliert Europa wertvolles Know-how. Für den Standort bedeutet dies dringenden Handlungsbedarf bei Risikokapital, Regulierung und Innovationsförderung.
  • Welche Lehren sollten Investoren aus dem Lilium-Fall ziehen?
    Investoren sollten bei Mobilitäts-Startups stärker auf konkrete Meilensteine, realistische Markteintrittszeitpläne und regulatorische Machbarkeit achten. Der Lilium-Fall lehrt: Nicht jede brillante Technologie schafft den Sprung zur Marktreife, besonders wenn das regulatorische Umfeld und die Kapitalausstattung nicht optimal sind.
  • Wie verändert der Patentverkauf die globale eVTOL-Wettbewerbslandschaft?
    Archer Aviation stärkt durch den Kauf seine Marktposition erheblich und sichert sich einen Technologievorsprung. Für europäische Wettbewerber wird es noch schwieriger aufzuholen, da wertvolles Know-how abgewandert ist. Die USA bauen ihre Führungsposition im eVTOL-Markt weiter aus, während Europa zurückfällt.
  • Welche Chancen haben europäische Mobilitäts-Startups noch im globalen Wettbewerb?
    Europäische Startups müssen sich auf Nischenmärkte und spezifische Anwendungsfälle konzentrieren, wo sie trotz geringerer Kapitalausstattung Wettbewerbsvorteile entwickeln können. Erfolg verspricht vor allem die enge Zusammenarbeit mit etablierten Industriepartnern und eine klare Fokussierung auf europäische Regulierungsstandards als Differenzierungsmerkmal.

Quellen: „heise.de“, „Handelsblatt“, „br.de“