Tech & Trends Agentur-KI-Tools für Brand-Guidance: Marketing-Hype vs. Substanz

Agentur-KI-Tools für Brand-Guidance: Marketing-Hype vs. Substanz

Alternativen: Bessere technische und wirtschaftliche Optionen

Angesichts der genannten Schwächen lohnt der Blick auf Alternativen, die sowohl funktional überlegen als auch wirtschaftlich sinnvoller sein können als Agenturprodukte. Im Folgenden einige relevante Optionen – von Open-Source-Tools über Baukästen bis zu großen KI-Plattformen – jeweils mit ihren Vor- und Nachteilen:

Open-Source-Frameworks und eigene UI-Lösungen

ComfyUI – Eine offene, node-basierte UI für generative KI (v.a. Bildgenerierung). ComfyUI ist 100% kostenlos und quelloffen und lässt sich lokal betreiben. Der Ansatz: Man hat ein visuelles Workflow-Tool, um Modelle wie Stable Diffusion, GANs oder auch Sprachmodelle modular zu verkoppeln. Vorteile sind volle Kontrolle und Anpassbarkeit: Eigene Nodes und Module können hinzugefügt werden, Workflows lassen sich teilen, und alles läuft on-premise (keine Datenabflüsse). „Runs locally, fast … für niedrigere Kosten und komplette Kontrolle“ beschreibt es treffend.
Nachteil: Es erfordert technisches Verständnis (z.B. Umgang mit GPU-Hardware) und Einarbeitung in die komplexen Node-Strukturen. Für Unternehmen mit einem fähigen Tech-Team kann ComfyUI jedoch eine mächtige Plattform sein, um eigene KI-Pipelines aufzubauen – ohne Abhängigkeit von einem Vendor. Gerade für Bildgenerierung im Corporate Design ließe sich ComfyUI nutzen, indem man firmeneigene Bildstile trainiert und diese als Module einbindet.

Gradio – Ein Open-Source-Python-Framework, um schnell Web-UIs für ML-Modelle zu erstellen. Mit Gradio kann ein Entwickler mit wenigen Zeilen Code eine Weboberfläche generieren, über die z.B. ein Textgenerator oder Bildmodell für Nicht-Techniker nutzbar wird. Alles läuft hierbei ebenfalls auf der eigenen Infrastruktur: “Everything stays running on your machine”– ein wichtiger Punkt für Datenschutz.
Vorteile: Schnelles Prototyping, große Community und inzwischen durch Integration mit Hugging Face sehr verbreitet. Man kann z.B. intern einen kleinen „ChatGPT-Klon“ aufsetzen, der auf Firmendaten trainiert wurde, und per Gradio eine simple Chat-Webapp bereitstellen. Nachteile: Die UI ist rudimentär und eher für interne Zwecke oder Prototypen gedacht, weniger polished als kommerzielle Produkte. Außerdem braucht es Entwickler, die das aufsetzen und betreiben. Dennoch: Um agenturähnliche Tools einfach selbst zu bauen, ist Gradio ideal. Ähnlich gelagert ist Streamlit – ebenfalls ein Python-basiertes Framework, mit dem man in Tagen eine eigene kleine KI-Anwendung zaubern kann (z.B. ein internes Dashboard, das Texte zusammenfasst oder Bilder generiert). Die Schwäche solcher Eigen-UIs ist, dass man selbst für Wartung und UX verantwortlich ist; der große Vorteil ist die Freiheit, genau die Funktionen umzusetzen, die man braucht – oft viel zielgerichteter als ein generisches Fertigtool.

Kreativ-Suiten und kommerzielle KI-Dienste

Freepik Pro – Statt sich auf eine eindimensionale Agentur-KI zu verlassen, kann man auch vorhandene Content-Suiten nutzen. Freepik (bekannt als Stock-Medien-Dienst) hat inzwischen eine All-in-One Creative Suite mit KI-Tools aufgebaut. In Freepik Pro werden generative Bild- und Video-KIs mit einem enormen Fundus an Stock-Assets kombiniert. Das heißt, Marketing-Teams können sowohl per KI neue Bilder generieren (Text-zu-Bild, Bild-Variationen etc.) als auch aus Millionen vorhandenen Fotos, Illustrationen, Templates schöpfen – alles innerhalb einer Plattform.

Vorteil: Freepik Pro bietet eine breite Featurepalette – von Designvorlagen über KI-generierte Assets bis hin zu einem leistungsfähigen Bildgenerator – direkt im Browser. Die Plattform punktet durch klare Lizenzregelungen, einfache Bedienbarkeit und eine stetig wachsende Bibliothek. Besonders spannend: Freepik ermöglicht mittlerweile auch die Nutzung von charakterbasierter Konsistenz und LoRA-Modellen (Low-Rank Adaptation), um wiedererkennbare Markencharaktere oder -stile in Bildserien zu bewahren. Dadurch lassen sich z. B. Social-Media-Postings, Kampagnenvisuals oder Illustrationen im konsistenten Stil aufbauen – und zwar mit einem Aufwand, der weit unter dem klassischer Agenturproduktionen liegt.

Nachteil:
Trotz dieser Features ist Freepik ein plattformbasierter Service, was bedeutet: Die Assets und Tools stehen theoretisch auch anderen Nutzern zur Verfügung. Zwar lassen sich individuelle Stile trainieren und einsetzen, dennoch bleibt eine gewisse Plattformlogik erhalten – im Gegensatz zu einer vollständig selbst gehosteten Open-Source-Lösung. Zudem ist für die volle Funktionalität ein Pro-Abo pro Nutzer erforderlich. Trotzdem: Für viele Marken dürfte Freepik in der Praxis effizienter, günstiger und vielseitiger sein als viele sogenannte „maßgeschneiderte“ Agentur-AI-Angebote, die kaum über Prompt-Tuning hinausgehen.

Adobe Firefly (Enterprise) – Adobe als Platzhirsch im Designbereich hat mit Firefly eine generative KI-Plattform eingeführt, die speziell auf kommerzielle Nutzung zugeschnitten ist. Firefly erzeugt Bilder, Vektorgrafiken, Effekte und Texteffekte und ist in Adobe Creative Cloud Apps integriert (Photoshop, Illustrator, etc.). Der Clou: Adobe betont, Firefly sei die umfassendste kommerziell sichere generative AI-Plattform. Die Modelle wurden nur mit lizenziertem und Adobe-eigenem Content trainiert, nicht mit urheberrechtlich fragilem Web-Scraping. Für Enterprise-Kunden bietet Adobe sogar IP-Schadloshaltung an – d.h. Adobe übernimmt Haftung, sollte doch mal ein generiertes Bild Rechtsprobleme bereiten. Zudem kann Firefly im Enterprise-Kontext kundeneigene Brand Assets und Templates einbinden, um wirklich markenkonforme Inhalte zu generieren.

Vorteile: Hohe Qualität der generierten Medien, nahtlose Integration in bestehende Workflows (Grafiker arbeiten weiter in ihrer Adobe-Umgebung), und Datenschutz ist ebenfalls gewährleistet, da Adobe angekündigt hat, keinerlei Unternehmensinhalte ohne Erlaubnis zum Training zu verwenden.

Nachteile: Firefly Enterprise wird nur im Rahmen größerer Adobe-Lizenzverträge erhältlich sein – das kann teuer werden und setzt Bindung ans Adobe-Ökosystem voraus. Außerdem ist die Text-KI-Seite (z.B. für Copytexte) bei Adobe (noch) nicht so ausgereift wie spezialisierte Sprachmodelle. Dennoch stellt Firefly für viele Marken eine robuste Alternative dar: Man bekommt Brand-taugliche KI-Kreativität, abgesichert und skalierbar, ohne auf kleine Anbieter vertrauen zu müssen.

Eigene Modellnutzung via Cloud – Nicht zu vergessen: Unternehmen können natürlich auch direkt die Modelle der großen KI-Anbieter nutzen, ohne den Umweg über Agentur-Tools. Wer etwa Bilder generieren will, kann Stability AI’s Stable Diffusion selbst hosten oder via API nutzen; für Texte stehen OpenAI (GPT-4), Cohere, Anthropic etc. bereit.

Über Azure OpenAI oder Google Vertex AI lassen sich diese Modelle mit Enterprise-Features (Sicherheit, Monitoring, Skalierung) einbinden.
Vorteil: Man erhält State-of-the-Art-Modelle und kann diese nach Bedarf kombinieren. Zudem bieten diese Plattformen oft Fine-Tuning-Optionen – z.B. eigenes Firmen-Wording antrainieren – was vielen Agentur-Tools fehlt.
Nachteil: Die Nutzungskosten können bei sehr hohem Volumen erheblich sein (je nach Token/Request-Preis), und man braucht interne Kompetenz, um diese Services richtig anzusteuern. Trotzdem: Für viele Unternehmen ist ein direkter API-Zugriff auf GPT & Co. kombiniert mit etwas internem Know-how wesentlich flexibler und kosteneffizienter, als ein funktionsarmes Frontend dafür zu lizenzieren. Experten empfehlen daher, bei großem Content-Bedarf lieber Mitarbeiter in Prompt-Engineering zu schulen und direkt die KI-API anzusprechen, anstatt teure Zwischenlösungen zu abonniere

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