Tech & Trends Kernfusion: Was bedeutet der Durchbruch aus den USA?

Kernfusion: Was bedeutet der Durchbruch aus den USA?

Und klingen die Temperaturen nicht höllisch riskant? 100 Millionen Grad Celsius sind schon für eine Deuterium-Tritium-Reaktion nötig, bei anderen noch viel höhere. Diese unvorstellbaren Temperaturen sollen aber trotzdem keine Gefahr darstellen, sagt Klinger. Denn je dünner die Materie ist, desto schneller kühlt sie ab. Eine heiße Kartoffel bleibt länger heiß als Zuckerwatte. Und Plasma ist noch um ein (großes, sehr großes) Vielfaches dünner. Das heißt: So heiß es auch ist, es verliert die Temperatur im Kontakt mit festen Körpern sehr schnell. Klinger hat dafür eine Analogie: „Denken Sie an einen 40-Tonnen-Lkw und einen Pingpongball. Selbst wenn der mit extremer Geschwindigkeit gegen den Lkw schlägt – der Lkw wird immer gewinnen.“

Schließlich die Sorge um das lange Erbe der Nuklearenergie: In heutigen Kernkraftwerken fallen im Betrieb Materialien wie Plutonium an, allein in Deutschland etwa 450 Tonnen im Jahr. Erst nach 24 000 Jahren hat das Material seine Halbwertszeit erreicht. Ein Endlager gibt es nicht.

Obwohl auch Fusionsreaktoren Nuklearkraftwerke sind, ist das Müllproblem bei ihnen ungleich kleiner. Am Ende bleibt kaum etwas anderes übrig als Helium. Das Gas, mit dem auf Jahrmärkten Ballons für Kinder gefüllt werden. Eine Anlage wie der Wendelstein 7-X muss zwar am Ende ihrer Laufzeit wegen der angesammelten Radioaktivität eingelagert werden. Aber laut Klinger nur für eine Zeitspanne von etwa 100 Jahren.

Die Wasserstoff-Bor-Reaktion, auf die Marvel und HB11 setzen, benötigt keine radioaktiven Ausgangsmaterialien. Die Strahlung liege im Bereich medizinisch-technischer Anwendungen, sagt Heike Freund. „In weniger als 0,1 Prozent der Fälle kann bei der pB11-Fusion als Nebenprodukt das Isotop Kohlenstoff-11 entstehen, und es wird ein Neutron freigesetzt. C11 klingt mit einer Halbwertszeit von 20 Minuten ab.“

Der Lohn der Tüchtigen

Die Kernfusion kann vom uneingelösten Versprechen zur Wirklichkeit werden. Dazu aber bedarf es der großen Tugend des echten Fortschritts: Tüfteln an den kleinen Herausforderungen, Schritt für Schritt. Der Weg ist lang. Er erfordert Projekte, die die menschliche Vorstellungskraft fast übersteigen.

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