Work & Winning „100 % geht gar nicht“ – Gen-Z-Influencer rechnet mit dem klassischen Arbeitstag ab

„100 % geht gar nicht“ – Gen-Z-Influencer rechnet mit dem klassischen Arbeitstag ab

Ein 24-jähriger Influencer löst mit seiner Kritik an der 40-Stunden-Woche eine gesellschaftliche Debatte aus. Während Politik auf mehr Arbeit pocht, zeigen Umfragen: Der Wunsch nach Arbeitszeitreduktion zieht sich durch alle Generationen.

Die Vollzeitarbeit steht am Pranger. Mit einem viralen Video hat der 24-jährige Influencer Julian Kamps eine Grundsatzdebatte über die 40-Stunden-Woche entfacht. Sein emotionaler Ausbruch auf Instagram – „100 Prozent geht gar nicht“ – trifft offenbar den Nerv einer ganzen Generation. Während Wirtschaftsvertreter und Politik auf mehr Arbeit pochen, formiert sich Widerstand gegen ein Arbeitsmodell, das aus einer anderen Zeit zu stammen scheint.

Der virale Aufschrei

„Ihr wollt mir doch nicht sagen, dass das das Leben ist“, klagt der ehemalige „Germany’s Next Topmodel“-Teilnehmer in seinem Video, das über vier Millionen Aufrufe und fast 150.000 Likes sammelte.

Nach einem Arbeitstag bleiben ihm gerade mal dreieinhalb Stunden „zum Leben“, bevor der Zyklus von vorne beginnt. Kamps, der laut „Welt“ als Junior Manager Digital Media bei WPP Media arbeitet, hat nach nur drei Wochen Vollzeit genug: „Ich muss auf jeden Fall meine Stunden reduzieren.“

Generationenkonflikt oder gesellschaftlicher Wandel?

Die Reaktionen auf Kamps‘ Aussagen offenbaren einen tiefen gesellschaftlichen Graben. „Boomer regen sich auf, dass GenZ traut das auszusprechen, was ALLE denken“, lautet ein populärer Kommentar unter dem Video. Ein anderer User bringt es auf den Punkt: „Die 40-Stunden-Woche stammt aus einer Zeit, in der nur der Mann arbeiten ging. Nebenbei konntest du allein ein Haus abbezahlen.“

Die Kritik richtet sich nicht gegen Arbeit an sich, sondern gegen ein System, das den veränderten Lebensrealitäten nicht mehr gerecht wird. Natürlich gibt es auch Gegenstimmen. „Wir sind so verloren. Früher gab es einfach eine 6-Tage-Woche“, schreibt ein Kritiker.

Daten stützen den Trend zur Arbeitszeitreduktion

Die Debatte ist mehr als ein Gen-Z-Phänomen. Eine Erhebung des Karrierenetzwerks Xing zeigt laut „Merkur“, dass der Wunsch nach weniger Arbeit generationsübergreifend existiert.

55 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Zeit für Hobbys, 47 Prozent für Care-Arbeit und 44 Prozent für Familie und Freunde. Am stärksten ausgeprägt ist dieser Wunsch in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen – jene Generation, die gerade Karriere und Familie unter einen Hut bringen muss.

Politik vs. Realität

CDU-Kanzler Friedrich Merz hat mit seiner Aussage „Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand unseres Landes nicht erhalten können“ eine kontroverse Debatte ausgelöst.

Sein Vorstoß, das Arbeitszeitgesetz zu lockern, um längere tägliche Arbeitszeiten zu ermöglichen, steht im direkten Widerspruch zu den Wünschen vieler Arbeitnehmer. Kamps selbst verteidigt seine Position in einem Folgevideo: „Ich glaube wirklich, 40 Stunden zu arbeiten, ist nicht gut für die mentale Gesundheit.“ Seine Beobachtung aus früheren Banktätigkeiten: Langjährige Kollegen hätten keine „Lebensenergie“ und „Passion“ mehr gehabt – für ihn eine „Horrorvorstellung“.

Business Punk Check

Die 40-Stunden-Woche ist ein Dinosaurier aus dem Industriezeitalter, der in der digitalen Wirtschaft keinen Sinn mehr ergibt. Die Produktivität hat sich vervielfacht, während die Arbeitszeit stagniert. Der wahre Konflikt liegt nicht zwischen den Generationen, sondern zwischen überholten Wirtschaftsmodellen und modernen Lebensrealitäten. Unternehmen, die an starren Zeitmodellen festhalten, werden im Kampf um Talente verlieren.

Progressive Arbeitgeber experimentieren bereits mit 30-Stunden-Wochen bei vollem Lohnausgleich und stellen fest: Die Produktivität sinkt nicht – im Gegenteil. Während die Politik noch von „mehr arbeiten“ träumt, haben zukunftsorientierte Unternehmen längst verstanden: Es geht nicht um die Menge der Arbeitsstunden, sondern um deren Qualität und Wirkung. Die zentrale Frage für Wirtschaftslenker lautet: Wollen wir Anwesenheit oder Ergebnisse belohnen?

Häufig gestellte Fragen

  • Ist die Kritik an der 40-Stunden-Woche wirklich nur ein Gen-Z-Problem?
    Keineswegs. Laut Xing-Umfrage zieht sich der Wunsch nach weniger Arbeitszeit durch alle Altersgruppen. 55 Prozent aller Befragten wünschen sich mehr Zeit für Hobbys, unabhängig vom Alter. Die Debatte betrifft den gesamten Arbeitsmarkt.
  • Welche Alternativen zur klassischen 40-Stunden-Woche gibt es für Unternehmen?
    Progressive Unternehmen setzen auf flexible Modelle wie komprimierte Arbeitswochen (4×10 Stunden), echte 4-Tage-Wochen mit Lohnausgleich oder ergebnisorientierte Arbeitsmodelle ohne feste Stundenzahl. Entscheidend ist die Fokussierung auf Resultate statt Anwesenheit.
  • Gefährdet eine Reduzierung der Arbeitszeit wirklich den Wohlstand, wie Politiker behaupten?
    Studien aus Island, Schweden und Neuseeland zeigen das Gegenteil: Bei reduzierter Arbeitszeit steigen Produktivität und Mitarbeiterzufriedenheit. Der Schlüssel liegt in der Effizienzsteigerung und dem Abbau unproduktiver Meetings und Prozesse.
  • Wie können Mittelständler auf den Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten reagieren?
    Mittelständische Unternehmen können mit Teilzeitmodellen, Job-Sharing und flexiblen Arbeitszeiten punkten. Der Vorteil gegenüber Konzernen: schnellere Entscheidungswege und die Möglichkeit, individuelle Lösungen zu finden. Wichtig ist eine schrittweise Implementierung mit Pilotphasen.
  • Welche Branchen eignen sich besonders für reduzierte Arbeitszeiten?
    Besonders wissensbasierte Branchen wie IT, Beratung und Kreativwirtschaft können von kürzeren, aber intensiveren Arbeitszeiten profitieren. Im produzierenden Gewerbe sind Schichtmodelle mit kürzeren Einheiten denkbar. Die Digitalisierung eröffnet in fast allen Sektoren Spielräume für Arbeitszeitverkürzungen.

Quellen: „Welt“, „Merkur“