Work & Winning Das kann weg: Wie die Gaga-Bürokratie Wohnmobil-Fahrern das Leben schwer macht

Das kann weg: Wie die Gaga-Bürokratie Wohnmobil-Fahrern das Leben schwer macht

Heute ist Bürokratie-FREItag und es geht um „Rolling Homes“. In Deutschland sind mehr als eine Million Wohnmobile zugelassen. Wenn die Bürokratie zuschlägt, trifft es also durchaus eine erkleckliche Zahl von Leuten – die doch einfach nur mal verreisen wollen. Aber so einfach geht das natürlich nicht.

Zwei große Bereiche lassen immer wieder die Hüte hochgehen bei den Enthusiasten, die im übrigen meist über 60 Jahre alt sind, also keine Neulinge im Alltagsleben und den Anforderungen deutscher Gründlichkeit: Zum einen geht es um die Bedingungen für den Betrieb der oft sehr teuren Camper und Wohnmobile selbst. Zum anderen die bange Frage, wo kann man damit hin in Gegenden, die schön und entsprechend beliebt sind? Ersteres bringt die Fahrzeugbehörden, letzteres die Anbieter von Campingplätzen und Freizeiteinrichtungen ins Spiel – und oft genug auf die Palme.

Zunächst einmal ist da die Frage der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Statt klarer Regeln gibt es Kauderwelsch – erfahrene Wohnmobilisten wissen es dennoch, keine Frage – notfalls wird man mit jedem Bußgeldbescheid klüger, wie auch sonst im Leben. Dass man mit Fahrzeugen über 3,5 t Gesamtgewicht 80/60 Stundenkilometer fahren darf, natürlich außerorts, steht noch deutlich im § 3 Abs. 3 und weiteren Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung. Allerdings gibt es da noch die Zwölfte Ausnahmeverordnung zur StVO (12. StVOAusnV): „Abweichend von § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 t bis 7,5 t, die im Fahrzeugschein als Wohnmobil bezeichnet sind, auf Autobahnen … 100 km/h.“

Soweit erleichternd für alle Beteiligten, denn die modernen Fahrzeuge können so immerhin mal einen Lkw überholen (theoretisch). Das nutzt auch Carlo Schmidt (Name geändert), der ein Wohnmobil des Herstellers Mercedes/Hymer fährt, 4,5 Tonnen Gesamtgewicht, also bei entsprechender Verkehrslage auch mal mit 100 Sachen unterwegs. Nun kollidiert unter bestimmten Bedingungen die Straßenverkehrsordnung (StVO) ganz sachte mit der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Darin ist nämlich geregelt, wie die Steuergeräte bei Lastkraftwagen über 3,5 t zu programmieren und regelmäßig anzupassen und zu prüfen sind. Und dann kommt der Schildbürgerstreich: „Halter, deren Fahrzeuge mit einem Geschwindigkeitsbegrenzer […] ausgerüstet sind, haben auf ihre Kosten die Geschwindigkeitsbegrenzer […] nach jeder Änderung des wirksamen Reifenumfangs … prüfen zu lassen, ob Einbau, Zustand und Arbeitsweise vorschriftsmäßig sind.“ Dies gilt für gewerblich genutzte Fahrzeuge. Die Geschwindigkeitsbegrenzung gilt aber für alle mit den entsprechenden Merkmalen, und zwar auch noch jenseits der Grenzen Deutschlands.

Carlo Schmidt ließ, zum Beispiel um Bergtouren entspannt bewältigen zu können, Geländereifen montieren. Der abweichende Abrollumfang der Geländereifen (Grobstollenbereifung) gegenüber gewöhnlichen Pneus macht eine Neukalibrierung des Tempo-Steuergeräts notwendig. Der Clou: Die Reifen sind für Geschwindigkeiten von 120 km/h zugelassen, die das Wohnmobil mit seinem Limit von 100 km/h ohnehin nicht fahren darf. So wird das Gerät aber vorschriftsmäßig auf 120 km/h eingestellt. Halter und Hersteller (bei Neufahrzeugen) haben trotz allem Widersinn die Kosten für die entsprechenden Anpassungen in der Werkstatt zu schultern, deren Qualifikation natürlich auch zahlreichen Vorschriften unterliegt. Immerhin rund 600 Euro kostet das. Ein teurer Spaß für eine eher sinnlose Sache. Halt – das war es noch nicht ganz: Denn nun muss vorschriftsgemäß auch am Armaturenbrett noch einmal deutlich sichtbar gekennzeichnet werden, was denn nun gilt als Tempolimit. Denn die Reifenart mit ihrer 120-Tempobegrenzung dürfte in der Regel doch unter der bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit des Wohnmobils liegen, das theoretisch schneller unterwegs sein könnte. Damit greift § 36 Abs. 5 StVZO. Der regelt, dass eine Warnung des Fahrzeugführers erfolgen muss, sobald die erlaubte Geschwindigkeit der Reifen, also 120 km/h, überschritten wird. Das heißt: Wird die zulässige Reifen-Geschwindigkeit unterschritten (z. B. Reifen mit Speed-Index L = 120 km/h), muss diese per Aufkleber oder Anzeigetafel im Cockpit kenntlich gemacht werden – unabhängig von der bereits bestehenden 100-km/h-Interneinstellung. Wichtiges Detail: Bei Verwendung der “Grobstollenreifen” auf bestimmten Mercedes-Felgen gilt die Begrenzung auf 120 km/h für Fahrzeuge unabhängig vom Gesamtgewicht – also auch für die kleineren Camper, so Carlo Schmidt über die Erkenntnisse im Laufe des ganzen Prozesses.

Natürlich fußt auch dieser im Einzelfall als Nonsens wirkende Eifer des Gesetzes auf einer EU-Richtlinie, nämlich Richtlinie 92/6/EWG des Rates vom 10. Februar 1992, die in Deutschland über § 57c/d StVZO umgesetzt wurde. Für wirklich interessierte Laien empfiehlt sich das Amtsblatt mit der mehrfach in der StVZO zitierten Regelung “Nr. 117 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) – Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Reifen hinsichtlich der Rollgeräuschemissionen und der Haftung auf nassen Oberflächen und/oder des Rollwiderstandes (ABl. L 218 vom 12.8.2016, S. 1)”. 

Wohnmobil, wohin?

Begegnet man einem Wohnmobil auf der Straße, kommt dieses mit einiger Wahrscheinlichkeit aus Ostfriesland, Schleswig-Flensburg oder Garmisch-Partenkirchen. In diesen Bezirken sind nämlich jeweils mehr als 25 Wohnmobile pro 1.000 Einwohner zugelassen. Der Bundesdurchschnitt liegt laut Kraftfahrt-Bundesamt bei 10,8 Campern pro 1.000 Einwohner. Stimmen nun alle Anforderungen an Bereifung und Kennzeichnung, und sind auch sonst die ungefähr 575 Einzelbestimmungen der StVZO inklusive ihrer 10 Anhänge erfüllt, könnte es losgehen. Es empfiehlt sich aber, den aktuellen Stand des Ausbaus von Parkmöglichkeiten für Wohnmobile und der Versorgung auf Campingplätzen abzufragen. Zwischen Planung und Ausführung liegen nämlich öfter mal Jahre, und das womöglich auf einer Homepage gezeigte Vorhaben ist dann doch nie verwirklicht worden.

Im vergangenen Jahr machten Fälle aus Bayern, genauer gesagt der Fränkischen Schweiz, von sich reden. Die beliebte Urlaubsregion möchte natürlich Wildcamper in die registrierten Campingplätze verweisen können, und die Betreiber von Ferienanlagen würden sich freuen, mehr der Wohnmobilreisenden unterbringen zu dürfen. Im Fall eines Betreibers scheiterte der Bau von acht Stellplätzen allerdings nach zweieinhalb Jahren an der Behördendichte. Vom Landratsamt über das Wasserwirtschaftsamt, den Behörden für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Baubehörden bis hin zum Landesbund für Vogelschutz musste die Familie, die bereits Minigolf, einen Biergarten und mehr anbietet, bei so vielen Behörden vorstellig werden, dass ohne die Bewegung eines einzigen Bausteins allein eine mittlere sechsstellige Summe zu berappen war. Dafür gab es immerhin über zehn Aktenordner mit Unterlagen. Die Pläne ließ man dann zunächst einmal fallen. Andere in der Region standen die Prozeduren durch, zahlten allerdings rund 40.000 Euro für acht Stellplätze, die nun immerhin tatsächlich verfügbar sind. Fazit des Betreibers dennoch: „Die Bürokratie macht uns kaputt. Systematisch.“