Work & Winning Gesund bleiben zahlt sich aus: Bis zu 1000 Euro Bonus für Nicht-Kranke

Gesund bleiben zahlt sich aus: Bis zu 1000 Euro Bonus für Nicht-Kranke

Immer mehr Unternehmen setzen auf Anwesenheitsprämien, um hohe Krankenstände zu bekämpfen. Während Kritiker vor „Präsentismus“ warnen, berichten Firmen von positiven Effekten. Ein Blick auf die kontroverse Praxis.

Der Krankenstand in Deutschland erreicht Rekordwerte. 15,1 Arbeitstage fehlten Beschäftigte 2023 durchschnittlich – fast doppelt so viele wie noch 2007. Die wirtschaftlichen Folgen sind massiv: 128 Milliarden Euro Produktionsausfälle schätzt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin allein für das vergangene Jahr. Kein Wunder, dass Unternehmen nach Lösungen suchen. Eine davon: finanzielle Belohnungen für Mitarbeiter, die nicht krank werden.

Gesundbleiben als Geschäftsmodell

Der Trend zur „Anwesenheitsprämie“ gewinnt in deutschen Unternehmen an Fahrt. Das Prinzip ist einfach: Wer selten oder gar nicht fehlt, erhält einen finanziellen Bonus – bis zu 1000 Euro jährlich sind möglich. Besonders in Branchen mit chronischem Personalmangel und hohen Ausfallraten wie Verkehrsbetrieben, Sicherheitsdienstleistern und der Automobilindustrie setzen Arbeitgeber auf dieses Anreizsystem.

Die Hamburger Hochbahn zahlt beispielsweise seit über zwei Jahrzehnten eine halbjährliche Prämie von 615,62 Euro. „Das hat sich seit Langem bei uns bewährt“, erklärt ein Unternehmenssprecher. Um Missverständnissen vorzubeugen: Ein Abzug erfolgt erst ab dem dritten Krankheitstag, ab dem 17. Tag entfällt die Prämie komplett. Diese Staffelung soll verhindern, dass sich Mitarbeiter krank zur Arbeit schleppen.

Auch die Kieler Verkehrsgesellschaft (KVG) setzt auf finanzielle Anreize und zahlt bis zu 1000 Euro jährlich für gesunde Mitarbeiter. Bei Sicherheitsdienstleistern wie der Flughafen München Sicherheit GmbH oder I-SEC am Frankfurter Flughafen gehören die Boni mittlerweile zum Standardrepertoire der Vergütungssysteme.

Zwischen Zuckerbrot und Peitsche

Die Debatte um Anwesenheitsprämien hat durch Allianz-Chef Oliver Bäte neuen Zündstoff erhalten. Der 59-Jährige forderte kürzlich, Arbeitnehmern am ersten Krankheitstag keine Lohnfortzahlung mehr zu gewähren – ein Vorstoß, der auf breite Kritik stieß. FDP-Ex-Chef Christian Lindner konterte mit dem Vorschlag eines Belohnungsmodells: Boni für jeden Monat ohne Krankmeldung.

Während Bätes Ansatz die Peitsche repräsentiert, steht Lindners Idee für das Zuckerbrot. Doch beide Konzepte werfen die gleiche Frage auf: Ist es sinnvoll, Gesundheit finanziell zu incentivieren?

Der US-Autobauer Tesla kombiniert in seinem Werk in Grünheide beide Ansätze. Einerseits können Mitarbeiter im sogenannten „Gold-Status“ bis zu 1000 Euro Anwesenheitsbonus erhalten. Andererseits scheut das Unternehmen nicht vor unkonventionellen Kontrollmaßnahmen zurück. Als die Krankenquote im August auf 17 Prozent stieg, statteten Führungskräfte einigen krankgeschriebenen Mitarbeitern Hausbesuche ab – offiziell aus Sorge, nicht zur Kontrolle.

Krankenstand als Kostenfaktor

Besonders die Autobranche kämpft mit hohen Fehlzeiten. Daimler-Chef Ola Källenius beklagt: „Wenn unter gleichen Produktionsbedingungen der Krankenstand in Deutschland teils doppelt so hoch ist wie im europäischen Ausland, hat das wirtschaftliche Folgen.“ Dennoch hat sein Unternehmen die Anwesenheitsprämie nach nur zwei Jahren wieder abgeschafft.

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