Work & Winning Gesund bleiben zahlt sich aus: Bis zu 1000 Euro Bonus für Nicht-Kranke

Gesund bleiben zahlt sich aus: Bis zu 1000 Euro Bonus für Nicht-Kranke

Anders der Kunststoffhersteller und Autozulieferer BIA aus Solingen. Mit einer Krankenquote von zeitweise 9 Prozent – ein Anstieg von fast 3 Prozentpunkten binnen fünf Jahren – führte das Unternehmen im Juli eine Anwesenheitsprämie ein. Mitarbeiter können dadurch ihren Lohn um etwa 10 Prozent aufbessern, was das Unternehmen bis zu 80.000 Euro monatlich kostet. Der Effekt: Die Krankenquote sank um 3 Prozentpunkte.

Gesundheitsbranche im Dilemma

Dramatisch ist die Situation im Gesundheitssektor. 22,4 Tage fehlte das Pflegepersonal 2023 im Durchschnitt, wie Daten des BKK-Dachverbandes zeigen. Die Hamburger Asklepios-Kliniken erwogen daher im Tarifstreit mit Verdi die Einführung einer Belohnungsprämie – ein Vorschlag, den die Gewerkschaft vehement ablehnte: „Asklepios will Beschäftigte bestrafen, die krank werden. Dieses Arbeitgeberangebot ist völlig aus der Zeit gefallen.“

Die Kritik an Anwesenheitsprämien kommt nicht nur von Gewerkschaften. Auch Krankenkassen wie die Techniker Krankenkasse warnen vor dem sogenannten „Präsentismus“ – dem Phänomen, dass Mitarbeiter trotz Krankheit zur Arbeit erscheinen. Dies könne Genesungsprozesse verzögern und Kollegen gefährden, besonders bei ansteckenden Krankheiten.

Wissenschaftliche Zweifel an der Wirksamkeit

Die Wirksamkeit von Anwesenheitsprämien ist wissenschaftlich umstritten. In einer Studie untersuchten die Forscher Dirk Sliwka, Jakob Alfitian und Timo Vogelsang gemeinsam mit einer Supermarktkette das Verhalten von Mitarbeitergruppen mit und ohne Bonus. Das überraschende Ergebnis: Beschäftigte mit Anwesenheitsprämie meldeten sich sogar häufiger krank. Die Forscher vermuten, dass die Prämie den Mitarbeitern signalisierte, dass Fehltage grundsätzlich akzeptiert seien, wodurch sie sich weniger schuldig fühlten, zu Hause zu bleiben.

Zudem greifen Anwesenheitsprämien bei einem wesentlichen Treiber steigender Fehlzeiten zu kurz: psychischen Erkrankungen. Diese werden heute besser erkannt und diagnostiziert, erklärt Eike Windscheid-Profeta von der Hans-Böckler-Stiftung. Gleichzeitig dürfte der zunehmende Stress durch Personalmangel und Digitalisierung zu mehr psychischen Belastungen führen – Probleme, die sich kaum durch finanzielle Anreize lösen lassen.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Arbeitnehmer haben in Deutschland einen gesetzlichen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für bis zu sechs Wochen. In dieser Zeit darf der Lohn wegen Krankheit nicht gekürzt werden. Dennoch sind Anwesenheitsprämien rechtlich zulässig.

Einen gesetzlichen Anspruch auf derartige Prämien gäbe es nicht, erklärte Rechtsanwältin Nicole Mutschke und weiter, das eine explizite arbeitsvertragliche Regelung erforderlich sei. Alternativ können sich Ansprüche auch aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ergeben – wie bei der Hamburger Hochbahn, wo die Prämie fest im Tarifvertrag verankert ist.

Gesundheitsmanagement statt Prämiensystem

Die Zukunft dürfte weniger in einfachen Prämiensystemen liegen als in ganzheitlichen Gesundheitskonzepten. Unternehmen wie Daimler setzen bereits verstärkt auf präventive Maßnahmen: kostenlose Grippeschutzimpfungen, Gesundheitschecks, Rückenprogramme und Coachings. Diese Ansätze bekämpfen nicht nur Symptome, sondern adressieren die Ursachen von Krankheiten.

Langfristig werden Unternehmen um eine tiefgreifende Transformation ihrer Arbeitskultur nicht herumkommen. Statt Anwesenheit zu belohnen oder Abwesenheit zu bestrafen, sollten sie gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen schaffen. Flexiblere Arbeitsmodelle, bessere Work-Life-Balance und psychologische Unterstützung könnten mehr bewirken als finanzielle Anreize. Die eigentliche Herausforderung liegt nicht darin, kranke Mitarbeiter zur Arbeit zu locken, sondern zu verhindern, dass sie überhaupt krank werden.

Quellen: Bild, Manager Magazin

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