Work & Winning Inside Northvolt: Chaos beim Batteriehersteller, in den Habeck 600 Millionen investierte

Inside Northvolt: Chaos beim Batteriehersteller, in den Habeck 600 Millionen investierte

Der Autohersteller, an dem das Land Niedersachsen beteiligt ist, war also bestens über die wahre Situation bei Northvolt im Bilde. Und die war offenbar schon wenige Monate nach der neuen Finanzierungsrunde alles andere als rosig. Im Geschäftsbericht von VW jedenfalls wird die Beteiligung an Northvolt 2022 nur noch mit 900 Millionen Euro beziffert, im darauffolgenden Jahr – dann also, als der Bund die Haftung für das KfW-Engagement übernahm – hat VW seine Beteiligung bereits auf 693 Millionen Euro abgeschrieben, also etwa die Hälfte des ursprünglichen Wertes. Hier haben sich offenbar früh Hoffnungen nicht erfüllt. Ein VW-Sprecher äußerte sich nicht dazu, wie hoch der Konzern den aktuellen Wert einschätze. Ein anderer Investor, der Vermögensverwalter Blackrock, hat bereits mitgeteilt, dass er seine Northvolt-Beteiligung inzwischen auf null abgeschrieben hat. 

Der nach unten rauschende Wert der VW-Beteiligung an Northvolt hätte ein Indiz sein können, das Habeck stutzig machen konnte, wenn er es gesehen hätte. Ein Besuch von Northvolt in Schweden hätte den geldgebenden Deutschen möglicherweise auch die Augen öffnen können. Den hat allerdings nicht das Wirtschaftsministerium gemacht, sondern die britische Finanzzeitung Financial Times, und auch das erst, als die Schwierigkeiten bei Northvolt Ende vergangenen Jahres eskalierten. Was die Reporter jedoch herausfanden, waren Missstände, mit denen die Schweden schon jahrelang zu kämpfen hatten. Die Reportage aus dem Startup, das 2017 von zwei ehemaligen Tesla-Managern geründet worden war und inzwischen 7000 Menschen beschäftigt, liest sich wie das Protokoll aus einem Irrenhaus. 

Zehn ehemalige und gegenwärtige Mitarbeiter berichteten der Zeitung vom Chaos vor Ort. „Batterien herzustellen ist schwierig, wirklich schwierig. Wir haben versucht, fast alles auf einmal zu machen“, sagte ein ehemaliger leitender Angestellter. „Und die Probleme häuften sich einfach an. Ich weiß nicht, ob sie es jetzt schaffen können.“ „Die Chinesen sind so schnell“, ergänzt ein ehemaliger Chemieingenieur von Northvolt. „Sie sind etabliert und haben es bereits geschafft, sie sind einfach besser. Wir kommen zu spät zur Party.“ 

Northvolt stellte deswegen Spitzenkräfte aus Japan und Südkorea für die Herstellung von Batterien ein. „Sie wohnen in einem eigenen Lager und kommen jeden Tag hierher, um die Maschinen zu installieren und zu bedienen“, erzählen die Northvolt-Mitarbeiter. Sie seien aber länger geblieben als eigentlich erwartet. Die Kommunikation sei schwierig gewesen. Ein Mitarbeiter berichtet von einem Vorfall im Unternehmen, bei dem Alarm ausgelöst wurde: „Wir haben das nicht verstanden“ also habe erst ein Chinese mithilfe von Google Translate mitgeteilt, dass alle das Werk sofort verlassen müssten. Seit 2021 war Northvolt in 47 Arbeitsunfälle mit Chemikalien verwickelt, die von der schwedischen Behörde für Arbeitsumwelt als „besonders gefährlich“ eingestuft wurden, berichtet der schwedische Sender SVT. „Sie haben nicht verstanden, was es bedeutet, Risiken zu beseitigen“, kommentierte das ein Gewerkschaftsvertreter. 

„Ich habe noch nie so viele Manager und Direktoren gesehen, die nicht darauf vorbereitet waren, mit der Situation in der Öffentlichkeit umzugehen und richtig mit ihren Mitarbeitern zu sprechen“, sagt ein Mitarbeiter der Qualitätskontrolle. Er fügt hinzu, dass Northvolt „eine Menge unerfahrener Mitarbeiter in allen Bereichen habe, darunter Manager, Ingenieure, in der Produktion, Techniker, sogar Direktoren“. Ein ehemaliger Datentechniker sagt der Financial Times, dass ihm, obwohl er „als Praktikant ohne Erfahrung“ anfing, „große Verantwortung übertragen wurde, weil es sonst niemanden gab, der das tun konnte. Ich habe nebenbei gelernt und alles durcheinandergebracht. Die häufigen Umstrukturierungen hätten dazu geführt, dass „sich die Ziele ständig änderten und es sich sehr chaotisch anfühlte“. „Die Manager haben den Ingenieuren nicht genau zugehört“, sagt ein anderer Bauarbeiter. „Sie hatten nur ein Ziel: Das Projekt innerhalb eines festen Zeitrahmens abzuliefern. Das Budget war ihnen egal.“ Ein ehemaliger Materialbearbeiter wird mit den Worten zitiert, dass Northvolt Produkte schnell entwickeln wollte, um weiteres Geld zu beschaffen. Den Prozess beschreibt er so: „Die Produkte werden wohl wieder zurückgeschickt, aber wenn wir sie liefern, erreichen wir unser Ziel und erhalten die Finanzierung.“ 

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