Work & Winning Krank und gekündigt? Die drei Hürden für Arbeitgeber

Krank und gekündigt? Die drei Hürden für Arbeitgeber

Der Mythos vom Kündigungsschutz bei Krankheit hält sich hartnäckig. Doch rechtlich ist die Entlassung möglich – wenn Unternehmen drei entscheidende Bedingungen erfüllen.

Wer glaubt, eine Krankschreibung schütze automatisch vor Kündigung, irrt gewaltig. Dieser Irrglaube ist in der deutschen Arbeitswelt weit verbreitet und kann böse Überraschungen nach sich ziehen. Tatsächlich können Arbeitgeber auch kranken Mitarbeitern kündigen – allerdings unter strengen Voraussetzungen. Für Beschäftigte mit längeren Ausfallzeiten lohnt es sich, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu kennen.

Die drei Hürden für krankheitsbedingte Kündigungen

Nicht jeder Schnupfen oder jede Grippe rechtfertigt eine Kündigung. Die Messlatte liegt deutlich höher. Laut „Merkur“ müssen Arbeitgeber drei wesentliche Bedingungen erfüllen, bevor sie krankheitsbedingt kündigen dürfen: Erstens muss eine negative Gesundheitsprognose vorliegen. Das bedeutet: Keine Besserung in Sicht oder sogar eine zu erwartende Verschlechterung des Gesundheitszustands.

Zweitens müssen die Fehlzeiten nachweislich erhebliche wirtschaftliche Nachteile für das Unternehmen verursachen. Und drittens müssen die betrieblichen Interessen schwerer wiegen als die des erkrankten Mitarbeiters. Diese dreifache Hürde macht krankheitsbedingte Kündigungen zu einem komplexen Unterfangen. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast und muss dokumentieren, dass der Mitarbeiter bereits in der Vergangenheit häufig ausgefallen ist und dies auch künftig zu erwarten wäre, wie „Merkur“ berichtet.

BEM: Der Pflichtschritt vor der Kündigung

Bevor ein Unternehmen den Kündigungsbrief verfasst, steht ein verpflichtender Zwischenschritt an: das betriebliche Eingliederungsmanagement, kurz BEM. Dieses Verfahren ist seit 2004 gesetzlich vorgeschrieben und dient als Schutzschild für Arbeitnehmer. Das BEM greift, wenn jemand innerhalb von zwölf Monaten mehr als sechs Wochen krankheitsbedingt ausfällt – egal ob am Stück oder verteilt.

Ziel ist es, gemeinsam Wege zu finden, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und weiteren Ausfällen vorzubeugen. Dabei kann es um Arbeitsplatzanpassungen, flexible Arbeitszeiten oder andere Maßnahmen gehen. Ein wegweisendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom November 2021 hat die Arbeitnehmerrechte zusätzlich gestärkt: Folgt auf ein abgeschlossenes BEM innerhalb eines Jahres ein weiterer längerer Ausfall, muss der Arbeitgeber erneut ein BEM durchführen, wie „Merkur“ dokumentiert.

Rechte kranker Mitarbeiter

Entgegen verbreiteter Annahmen haben kranke Beschäftigte keinen Sonderkündigungsschutz wie etwa werdende Mütter oder Eltern in Elternzeit. Dennoch sind sie nicht schutzlos. Die Kündigung kann zwar auch während der Krankheit zugestellt werden, aber Arbeitnehmer haben durchaus Rechte. So sind sie nicht verpflichtet, während ihrer Erkrankung mit dem Vorgesetzten zu sprechen oder gar Besuche zu Hause zu empfangen.

Auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Kündigungsschutz funktioniert nicht – der Chef muss nicht warten, bis der Mitarbeiter wieder gesund ist. Wer eine Kündigung erhält, sollte schnell handeln: Nur innerhalb von drei Wochen kann eine Kündigungsschutzklage eingereicht werden. Die Erfolgsaussichten stehen dabei nicht schlecht, denn laut „Merkur“ sind krankheitsbedingte Kündigungen in der Praxis selten und oft rechtlich unwirksam.

Business Punk Check

Der Mythos vom unantastbaren Kranken ist entlarvt – aber die Realität ist komplexer als viele Arbeitgeber denken. Die drei Hürden sind keine Formalie, sondern echte juristische Bollwerke. Besonders das BEM wird oft unterschätzt: Es ist kein bürokratischer Papiertiger, sondern ein mächtiges Tool für Arbeitnehmer.

Progressive Unternehmen nutzen es längst als Chance für New Work-Konzepte: Homeoffice für chronisch Kranke, flexible Arbeitszeiten bei Therapien oder Job-Sharing bei reduzierter Belastbarkeit. Die Zukunft gehört nicht den Kündigern, sondern den kreativen Problemlösern. Wer als Arbeitgeber bei Krankheit reflexartig zur Kündigung greift, verschenkt nicht nur Talent, sondern riskiert teure Rechtsstreitigkeiten und Reputationsschäden.

Häufig gestellte Fragen

  • Wie kann ich als Arbeitnehmer das BEM strategisch für meine Jobsicherheit nutzen?
    Im BEM-Gespräch konkrete Lösungsvorschläge einbringen: flexible Arbeitszeiten, temporäres Homeoffice oder angepasste Aufgaben. Dokumentieren Sie alle Gespräche schriftlich und ziehen Sie einen Betriebsrat oder externen Beistand hinzu. Zeigen Sie proaktiv Bereitschaft zur Wiedereingliederung – das stärkt Ihre Position erheblich.
  • Welche innovativen Alternativen zur Kündigung können Arbeitgeber bei chronisch kranken Mitarbeitern einsetzen?
    Statt Kündigung bieten sich Job-Crafting (Neuzuschnitt der Stelle), hybride Arbeitsmodelle oder Teilzeit-Tandems an. Digitale Tools können Präsenzzeiten reduzieren, während KI-gestützte Assistenzsysteme Belastungsspitzen abfedern. Innovative Unternehmen schaffen dedizierte Health-Manager-Positionen für maßgeschneiderte Lösungen.
  • Wie verändert Remote Work die rechtliche Bewertung krankheitsbedingter Kündigungen?
    Remote-Modelle schwächen das Argument der betrieblichen Beeinträchtigung erheblich. Wenn Mitarbeiter ortsunabhängig arbeiten können, ist die zweite Kündigungshürde kaum noch zu nehmen. Gerichte berücksichtigen zunehmend, ob Unternehmen flexible Arbeitsmodelle als mildere Alternative zur Kündigung geprüft haben.
  • Welche Future Skills helfen Arbeitnehmern, trotz gesundheitlicher Einschränkungen wertvoll zu bleiben?
    Digitale Kollaborationsfähigkeiten, asynchrones Arbeiten und Selbstmanagement werden zu entscheidenden Kompetenzen. Wer zusätzlich spezialisiertes Fachwissen aufbaut, das remote einsetzbar ist, schafft sich ein Sicherheitsnetz. Besonders wertvoll: Die Fähigkeit, eigene Arbeitsprozesse zu dokumentieren und für Teams transparent zu gestalten.

Quellen: „Merkur“