Leadership & Karriere Rhetorik: Das Spiel mit Nähe und Distanz

Rhetorik: Das Spiel mit Nähe und Distanz

Der Friedensaktivist Zak Ebrahim erzählt auf der Bühne von den Gräueltaten eines ägyptisch-amerikanischen Terroristen. Dass es sich dabei um seinen Vater handelt, verschweigt er dem Publikum zunächst. Aus gutem Grund.  

„Am 5. November 1990 ging ein Mann namens Al-Sayyid Nosair in ein Hotel in Manhattan und ermordete den Anführer der Jewish Defense League. Während er im Gefängnis saß, begannen er und andere Männer Anschläge auf ein Dutzend Bauwerke in New York zu planen. Zum Glück wurden diese Anschläge von einem FBI-Informanten vereitelt. Der Anschlag auf das World Trade Center 1993 leider nicht. Nosair wurde für seine Beteiligung verurteilt.“

Und dann, nach einer Pause: „Al-Sayyid Nosair ist mein Vater.“

Der Friedensaktivist Zak Ebrahim trägt diesen Satz ganz ruhig vor, ganz sachlich. Wenn du schon immer wissen wolltest, wie es klingt, wenn man im Publikum eine Stecknadel fallen hören könnte: Schaue dir diesen Vortrag an. Dem Sohn eines Terroristen hören wir zu, wenn er über Frieden spricht.

Was tut der Redner, um diesen Effekt zu erzielen? Fragen wir lieber, was nicht: Er enthält seinen Zuhörern erst einmal die entscheidende Information vor. Durch die Anonymisierung seiner Story wiegt er das Publikum in Sicherheit – alles schön abstrakt hier, Terror und so, im kuscheligen Auditorium. Als er schließlich mit der Horrornachricht in die höfliche Aufmerksamkeit platzt, ist das eine maximale Konfrontation: Plötzlich steht die Bedrohung, wenn auch mittelbar, leibhaftig im Raum.

Der Anonymisierungstrick ist ein Wirkungsturbo von der brachialen Sorte. Steve Jobs tat im übertragenen Sinne nichts anderes, als er 2007 das erste iPhone präsentierte: Genüsslich erzählte er von einer ziemlich abstrakten, technologischen Revolution aus der Abteilung Sci-Fi – bevor er sie dann ganz beiläufig aus der Hosentasche zauberte und in die Realität krachen ließ.

Probier es bei deiner nächsten Präsentation aus: Erzeuge erst Distanz, indem du eine anonymisierte Geschichte erzählst. Halte kurz inne. Dann wirst du mit einem beiläufigen Satz oder Handgriff ganz persönlich, ganz real und ganz konkret. 

Und dann lässt du spaßeshalber mal eine Stecknadel fallen.

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