Leadership & Karriere Die unsichtbare Bedrohung: Warum Unternehmen bei psychischer Gesundheit versagen

Die unsichtbare Bedrohung: Warum Unternehmen bei psychischer Gesundheit versagen

Gastbeitrag von Marlow Guttmann, Unternehmensberater, Wirtschaftsjurist und Autor.

In der modernen Arbeitswelt manifestiert sich eine stille, jedoch weitreichende Krise, die nun greifbare und dramatische wirtschaftliche Folgen zeigt: die Zunahme psychischer Erkrankungen unter Beschäftigten. Ein neues Kapitel in dieser Entwicklung wurde kürzlich durch eine Analyse des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (VFA) aufgeschlagen, die einen direkten Zusammenhang zwischen dem rekordhohen Krankenstand des vergangenen Jahres und einer daraus resultierenden wirtschaftlichen Rezession in Deutschland aufzeigt.

Laut des VFA führten erhebliche Arbeitsausfälle zu beträchtlichen Produktionseinbußen. Die deutsche Wirtschaft, die ohne die überdurchschnittlichen Krankentage um knapp 0,5 Prozent gewachsen wäre, musste stattdessen einen Rückgang um 0,3 Prozent verzeichnen. Diese alarmierenden Zahlen verdeutlichen, wie unmittelbar die Gesundheit der Arbeitnehmenden mit der ökonomischen Leistungsfähigkeit eines Landes verknüpft ist.

Jüngste Studien der Techniker Krankenkasse (TK) und der DAK-Gesundheit unterstreichen dieses Bild mit besorgniserregenden Daten zur mentalen Gesundheit in deutschen Unternehmen. Die TK-Studie „#Whatsnext – Gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt“ und die Fehlzeitenanalyse der DAK-Gesundheit zeigen einen alarmierenden Trend auf: Einen Anstieg der Fehltage aufgrund psychischer Beschwerden um nahezu 24,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und einen Anteil psychischer Erkrankungen am Gesamtkrankenstand von rund 17,5 Prozent. Diese Entwicklung stellt nicht nur eine direkte Bedrohung für das Wohlbefinden der Beschäftigten dar, sondern ist nun offenkundig auch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung.

Die Gründe für diesen Trend sind vielschichtig und reflektieren die Komplexität der heutigen Arbeitswelt. Die fortschreitende Digitalisierung, gestiegene Arbeitsgeschwindigkeiten und zunehmende Aufgabenkomplexität zehren an der psychischen Widerstandsfähigkeit der Arbeitnehmenden. Hybride Arbeitsmodelle bieten zwar Flexibilität, bringen aber auch Herausforderungen mit sich, die zu einer Erosion traditioneller Arbeitsstrukturen und sozialer Bindungen führen können. Die Pandemie hat diese Entwicklungen nicht nur beschleunigt, sondern auch die psychischen Belastungen durch Isolation, Unsicherheit und Angst verstärkt.

Für Unternehmen und die deutsche Wirtschaft insgesamt hat diese Entwicklung weitreichende Folgen. Neben den unmittelbaren finanziellen Belastungen durch Krankenstände und Produktivitätseinbußen steht die langfristige Bindung und Gewinnung von Fachkräften auf dem Spiel. Eine Unternehmenskultur, die die mentale Gesundheit ignoriert, riskiert nicht nur den Verlust wertvoller Talente, sondern, wie die VFA-Studie eindrücklich zeigt, auch direkte wirtschaftliche Einbußen.

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