Productivity & New Work Präsenz: Der Präsident, der nicht auf die Uhr schaute         

Präsenz: Der Präsident, der nicht auf die Uhr schaute         

Bei Wahldebatten müssen sogar Präsidentschaftskandidaten eins zu eins mit dem Wähler kommunizieren. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel aus den USA zeigt: Wenn wir Gespräche führen, in denen es um viel geht, kommt es nicht allein auf die Argumente an. Manchmal gewinnt der bessere Zuhörer.    

Es war einmal ein Präsident der vereinigten Staaten, der aus dem Amt gewählt wurde, weil er im falschen Moment auf die Uhr geschaut hat. Und ja, er hieß Bush. Aber nicht George W., sondern George H. Achtung, Donald: Du hast die Respektlosigkeit nicht erfunden.

Der Showdown fand am 15. Oktober 1992 statt. Zum ersten Mal durften an diesem Tag in Amerika Menschen aus der Bevölkerung bei einer politischen Podiumsdiskussion direkte Fragen an die Präsidentschaftskandidaten richten. Eine der Bürgerinnen und Bürger, die sich an der Diskussion beteiligten, war die 26-jährige Afroamerikanerin Marisa Hall. Sie konfrontierte den amtierenden Präsidenten George H. Bush mit einer brisanten Frage: „Wie hat die Staatsverschuldung sich auf Ihr persönliches Leben ausgewirkt? Und wenn es keine Auswirkungen gab, wie können Sie ehrlich eine Lösung für die wirtschaftlichen Probleme der breiten Masse finden, wenn Sie keine Erfahrung mit dem haben, was sie plagt?“

Ein Wendepunkt im Wahlkampf

Diese Szene wurde zum Wendepunkt in George H. Bushs Karriere. Sie kostete ihn fünf Prozent Wählerstimmen. Nach Einschätzung von Experten sogar: die Präsidentschaft. Warum? Während Marisa Hall ihre Frage stellte, schaute George H. Bush nicht etwa in die Augen der jungen Frau – sondern auf seine Armbanduhr.

Er hörte nicht zu. Er zeigte keinerlei Interesse für das Anliegen dieser Wählerin, und damit: keine Respekt. Respekt bedeutet den Anderen zu sehen. Und das kann ich nicht, wenn ich stattdessen auf die Uhr schaue. Diese ‚Kultur des gesenkten Haupts‘ erleben wir heute täglich: Viel zu oft sind wir mit dem Smartphone beschäftigt, anstatt uns dem Gesprächspartner zu widmen.

Als Bush versuchte auszuweichen und sie schließlich zu wiederholen bat, kam sie der Bitte geduldig nach. Versuchte sich zu erklären, mehrfach. Doch es zeigte sich, dass Bush ihr einfach nicht richtig zuhörte. Immer wieder verstand er die Frage falsch und gab eine inadäquate Antwort nach der anderen. Die amerikanischen Wähler, deren Land gerade tief in einer wirtschaftlichen Krise steckte, bekamen es auf dem Silbertablett: Der Mann konnte sich nicht in ihre Lage hineinversetzen.

Sein Konkurrent ließ sich dagegen nicht lange bitten. Bill Clinton machte in diesem Moment alles richtig – indem er Präsenz zeigte. Er demonstrierte den Wählern, wie man schwierige Gespräche entscheidet: indem man ganz beim Gesprächspartner ist.

Zuhören heißt mehr als im Raum sein. Was echte Präsenz bedeutet, zeigte Clinton an diesem Tag eindrucksvoll: Er stand auf, ging auf Marisa Hall zu, blickte ihr in die Augen. Er nahm Bezug auf ihre Worte und stellte Rückfragen – zeigte also Interesse. Und dann gab er ihr eine Antwort, die sich nicht um ihn drehte, wie die kläglichen Antwortversuche von Bush zuvor.

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