Leadership & Karriere Gründen in Zürich: Seriös, schick, sauteuer. Stimmt das überhaupt ?

Gründen in Zürich: Seriös, schick, sauteuer. Stimmt das überhaupt ?

Zürich bietet allerhand: horrende Mieten und hohe Gehälter. Kein guter Ort für Gründer mit großen Ideen und wenig Geld. Stimmt das überhaupt?

Die 500 Franken im Monat für eine Garage sind natürlich ein Problem. Nicht so sehr für die Autobesitzer von Zürich, wo Stellplätze tatsächlich genauso viel kosten. Sondern für den Mythos. Wollte man in Zürich wie einst Steve Jobs oder Larry Page und Sergey Brin in einer Garage gründen, hätte man schon ein ernsthaftes Problem. Irgendein SUV-Fahrer würde sich garantiert finden, der für die Garage mehr zahlen könnte und wollte als ein paar junge Typen mit IT-Kenntnissen und einer Idee. Und damit ist zu Zürich als Startup-Standort im Grunde schon alles gesagt.

zuerich
Anne Gabriel-Juergens

Berlin ist weltoffen und billig. London ist zwar nicht billig, dafür aber sehr international. Das Silicon Valley ist ein Ort, an dem alles möglich erscheint und an dem das Geld locker sitzt. Zürich ist nichts von alledem. Nicht billig und, abgesehen von den vielen, vielen Deutschen in der Stadt, nicht besonders international, vor allen Dingen keine Stadt, die zum Spinnen einlädt. Wenn man wissen will, wie schwer Zürich es jungen Startups macht, muss man mit Johannes Reck sprechen. Reck ist Deutscher, hat an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, kurz ETH, Biochemie studiert und dort 2008 mit einer Handvoll Kommilitonen sein Startup Get Your Guide gegründet.

Get Your Guide ist für Ausflüge, Sehenswürdigkeiten und Touren, was Booking.com für Hotels ist: eine Seite, auf der Veranstalter ihre Angebote einstellen und bewerben und auf der User die angebotenen Touren buchen und bewerten können. Mit über 25 000 Touren an 2 300 Orten auf der ganzen Welt ist Recks Firma Marktführer in ihrem Segment. Ein Startup aus Zürich, weltweit erfolgreich, Gründen in Zürich geht also doch.

Nun, das ist nicht die ganze Story: 2012 zog Get Your Guide nach Berlin, allein die IT-Abteilung ist in der Schweiz verblieben. Spricht man Reck auf den Umzug an, ist ein gewisser Frust rauszuhören. „Zürich ist sehr eta­bliert“, sagt er, und es klingt wie ein Vorwurf. Der Kurs des Franken und das allgemeine Einkommensniveau machten es zudem schwer, mit einer Idee, aber ohne großes Budget gute Leute zu begeistern. „Im Grunde“, sagt Reck, „ist die zentrale Frage für jedes Zürcher Startup: Was kann ich auslagern?“

Im Fall von Standortfaktoren für junge Unternehmen spricht man oft von einem Biotop, das es braucht, damit sie gedeihen. Zürich ist in diesem Sinn eher eine Wüste. Was hier wächst, muss ganz besonders robust sein. Muss mit Ressourcen speziell klug umgehen. Und genau verstehen, wohin man unter diesen widrigen Umständen wachsen kann.

Ankunft in Zürich: Die Limmat ist blau, der Himmel über der Stadt ist blau, die perfekt geschnittenen Hemden der glatt rasierten jungen Männer, die am Bahnhof Tiefenbrunn direkt am blauen Zürichsee aus der S-Bahn steigen, sind blau. Über die schmale Seefeldstraße gondeln ein paar Geländewagen, in einem Fitnessstudio verrenken sich akkurat gekleidete Frauen, ein Mann mit einem schönen, großen Hund schlendert durch die Sonne. Hier um die maximal spießige Ecke hat eines der renommiertesten Startups der Schweiz seine Büros – Uepaa.

In einer ehemaligen Galerie in einem Hinterhof im Kreis 8, direkt neben dem Zürcher Kammerorchester-Verein residiert die Firma von Mathias Haussmann. Es sieht ein bisschen aus, als verkaufe Ikea schlüsselfertige Gründerbüros: Über den großen, weißen Tischen mit Macbooks hängen die obligatorischen Industrielampen, auf der offenen Theke im Küchenbereich steht eine teure Kaffeemaschine, an der Wand hängen Schiefertafeln mit aktuellen Aufgaben, und auf einem kleinen Bücherregal drängen sich Whisky- und Gin-Flaschen. Alles ein bisschen zu aufgeräumt, ein wenig zu sauber und deutlich zu strukturiert. Als würden hier grundsolide, sehr nette und gar nicht so verrückte Menschen Startup spielen. Nun, ein bisschen stimmt das ja auch.

Yahoo auf Schwyzerdütsch

Die Geschichte von Uepaa geht im Grunde so: Hauss­mann, der Gründer, war gerade Vater geworden, als er 2011 etwas südlich von Luzern zu einer Skitour im Pulverschnee aufbrach. Durch die neue Verantwortung nicht nur für sich, sondern auch seine Familie kam Haussmann ins Grübeln: Wäre es nicht klug, wenn sich die Smartphones der Skifahrer abseits der großen Pisten miteinander verständigen könnten? Auch ohne Empfang? So dachte Haussmann. Er begann zu recherchieren und fand heraus: An der ETH war über zehn Jahre eine Peer-to-Peer-Technologie entwickelt worden, die genau das konnte. 2012 erwarb Haussmann, der zuvor lange in der Medizin- und Biotechnikbranche gearbeitet und darum solide Grundkenntnisse in Sachen Startups hatte, das Patent an der Technologie und gründete damit Uepaa. Der Name, so viel Mut war drin, ist quasi das schwyzerdütsche Pedant zu „yahoo!“ – ein frei erfundener, freudiger Ausruf.

Uepaa verband auf wunderbare Weise alles, wofür die Schweiz in der Welt bekannt ist: Natur und Schnee, Hightech und Vernunft. Und Haussmann hatte Glück mit einem Unglück: Gerade mal fünf Tage nach dem Launch der App konnte bereits ein verunglückter Paraglider dank Uepaa gerettet werden.

Das Presseecho auf Uepaa war enorm, nicht nur in der Schweiz: Die amerikanische „Huffington Post“ besprach die Sicherheitsapp, „Business Insider UK“ wählte Uepaa zu einem der heißesten Startups Europas. Haussmann aber war bereits auf der Suche nach neuen Anwendungen für die Technologie und wurde schnell fündig.

Zürichs wilder Westen / Zürich-West
Anne Gabriel-Juergens

Mittlerweile wird das sogenannte p2pkit unter anderem von einer Datingplattform, einem Partyguide und einer App eingesetzt, die ihren Nutzern bei Events sagt, wer sich gerade in ihrer Nähe befindet. Und das ist gerade mal der Anfang. Geht es nach Haussmann, wird Uepaa in den kommenden Monaten den Schritt in die Vereinigten Staaten wagen, um näher an den Giganten der sozialen Netzwerke dran zu sein. „Dort sitzen Firmen wie Whatsapp, Tinder oder Viber. Für die könnte unsere Technologie sehr interessant werden. Und die Nähe zu diesen Unternehmen ist für uns damit natürlich enorm wichtig“, sagt er. So wichtig Zürich mit der ETH, so hilfreich die outdoorverrückte Schweiz mit ihren Anwendungsfällen bis hierhin auch gewesen sein mag, für Haussmann ist ganz klar: Um das Potenzial seiner Technologie entfalten zu können, muss er raus. Aus Zürich, aus der Schweiz und, wenn man ganz ehrlich ist, auch Europa. Jedenfalls: raus.

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