Leadership & Karriere Was ihr eigentlich macht, wenn ihr Urlaub habt – eine Typologie

Was ihr eigentlich macht, wenn ihr Urlaub habt – eine Typologie

W-Lan im Whirlpool und Slack am Strand machen es fast unmöglich, komplett abzuschalten. Aber ist das so schlimm? Kommt darauf an, was man draus macht. Eine Typologie für alle, die nur kurz die Mails checken.

Urlaub also. Erwartungsgemäß sollte hier stehen: Total wichtig, Trillionen Studien belegen das. Pausen sind essenziell, weil Dauerbelastung und Dauerablenkung uns auffressen und ausbrennen. Stimmt.

Aber die allerwenigsten können das, einfach nichts tun an 24 plus x Tagen im Jahr. Mal eben den Bürokram in einer Hirnfalte verstecken und aufs Meer gucken und „schön“ denken. Wir sind, wie wir nun einmal sind: rastlos. Und Rastlosigkeit ist ätzend. Auf der Fahrt über die Küstenstraßen Ibizas das Pitch-Deck für den potenziellen Kunden durchgehen und nichts von der Aussicht mitbekommen, wegen der man diese Straßen ja genommen hat – fühlt sich falsch an. Rastlos den Strand nach Schatten abscannen, um besser auf dem iPad Mails lesen zu können – frustrierend. Budgetdebatten am Handy, während man im unterklimatisierten Hotelzimmer friert – absurd. Man reist doch nicht Tausende Kilometer, um am Ziel Arbeit zu spielen. Unter erschwerten Bedingungen.

Geist mit Irrwitzigem vollblasen lassen

Mies, wenn es sich dann anfühlt, als hätte man irgendwie die freien Tage verpasst. Den Urlaub. Das Leben. Andererseits: Antriebslos auf Strandtüchern liegend die Tage wie Sand verrieseln zu lassen ist auch nicht besser. Dann doch lieber rastlos gute Dinge tun und erleben. Manchem hilft, den rastlosen Körper wursteln zu lassen, dann gibt auch der Geist endlich mal Ruhe. Anderen wiederum hilft es, sich den Geist vollblasen zu lassen mit Irrwitzigem, Bizarrem, Wunderbarem. Wer während einer Karaoketour durch Seoul ernsthaft noch an Jahresabschlussbilanzen denkt, dem ist nun wirklich nicht mehr zu helfen.

Wir sollten Urlaub differenzierter betrachten. Wir brauchen frei von den nervigen Bereichen des Jobs, dem Rum­gemaile und den Calls. Also kein „Kurz die Mails durchgehen“ im Hotelbett, besser die Zeit in die Lektüre von Fachliteratur stecken. Best-Practice-Beispiele der eigenen Branche auf einem anderen Teil der Erde anschauen. Oder einfach mal über Inhalte nachdenken. Inhalte! Nicht Orga, Verwaltung, Firmenpolitik.
Nichts gilt für alle, völlig klar. Jeder Urlaubstyp ist anders – doch keiner kommt mehr umhin, genau zu überlegen, welche Rolle die Arbeit an den freien Tagen spielen soll. Denn wir sind viel zu sehr mit unserer Arbeit verwoben, als dass sie uns auf Kommando egal sein könnte.

Der Urlaubsverweigerer

Urlaub, das ist für ihn ein Phänomen der unteren Gehaltsklassen. Das muss man einfach so sehen: Ab oberem Management verliert dieses Wort jede Bedeutung. Besser spricht man vom „Arbeiten von anderen Orten aus“. Business auf Reisen. Das sind für ihn jene Tage im Jahr, auf denen seine Frau beharrt und an denen er sein Laptop jeden Morgen im schattigsten Raum eines lichtdurchfluteten Hauses auf Long Island in okayer Fußentfernung vom Strand aufklappt statt im Panoramablickbüro. Works for me: Abends können sie aber dann ja ausnahmsweise alle zusammen essen – wegen der Zeitverschiebung, da kommt dann auch wirklich mal wenig bis gar nichts mehr aus Deutschland. Die Mail mit dem Hinweis zu den im März verfallenden Urlaubstagen aus dem alten Jahr ignoriert er geflissentlich. Ist so, muss so, wenn man oben mitspielen will.

Schmerzensgeld gibt’s ja genug. Totale Urlaubsverweigerung kann eine Option sein – sofern die Rente mit 55, weil ausgesorgt, realistisch scheint. Blöd ist es allerdings, wenn all die oben beschriebenen Klischees nicht zutreffen. Wenn „zu Hause“ nicht der Direkt-unter-Vorstand-Posten im Dax-Unternehmen ist, sondern Junior Dingsbums Wizard und das Reiseziel ein Campismo in der Algarve und nicht Long Beach. Dann bedeutet, so zu tun, als habe man keinen Urlaub und wolle man auch gar keinen haben, nichts als idiotische Wichtigtuerei.

Die Schöpferin

Als der Flieger nach vier Wochen Laos zum Landeanflug ansetzt, musste sie nur noch „… bedanke mich für die gute Zusammenarbeit und verbleibe mit freundlichen Grüßen“ unter das Kündigungsschreiben setzen. Was für ein perfekter Urlaub. Raus, weit weg und Kopf frei. Plötzlich lief das alles, die Ideen, der Mut und der Businessplan. Kam alles einfach so, endlich. Und Zeit, alles aufzuschreiben, war auch: Öko-Luxusspielzeug-Abo für Hunde! Klar, ein gewisses Risiko der Ferienverblendung besteht bei der Ausarbeitung von Startup-Konzepten am Strand. Wie bei Rotwein, der jeden Abend mit dem Blick auf Cinque Terre so gut geschmeckt hat, auf dem Hinterhofbalkon aber nur noch lasch. Manch genialer Einfall wird, zurück daheim, schnell auf mitteleuropäische Zehn-Grad-Nieselregen runtergekühlt.

Egal, einfach mal drauf ankommen lassen, allein schon wegen der Gründerstory: „Wie ich auf die Idee mit der Virtual-Floating-App kam? Also: „Im Urlaub schipperte ich auf einem Gummireifen den Fluss von Vientiane runter und …“ Klingt spannender als „beim Businessplan-Wettbewerb der IHK“, weshalb solche oder ähnliche Storys inzwischen in jeder PR-Legende durchbrechender Startups auftauchen (und oft erfunden sind). Aber: Wenn gute Ideen einen überhaupt jemals wie der Heilige Geist überkommen, dann eher unter optimalen Raus-aus-allem-Bedingungen als im Büro zwischen Mittagspause und Jour fixe.

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