Leadership & Karriere Sabbatical für Superreiche: Nick Newbury organisiert exklusive Auszeiten

Sabbatical für Superreiche: Nick Newbury organisiert exklusive Auszeiten

Doch im Jahr 2014 stand auf einmal ein Mann in Newburys Büro. Ohne Termin. „Nick“, habe er gesagt, „ich schäme mich für die Reisen, die ich bisher unternommen habe. Ich habe wunderschöne Orte gesehen, aber mich nie mit den Einheimischen oder ihrer Kultur beschäftigt.“ Der Mann war damals 40 Jahre alt, hatte keine Kinder und gerade sein Unternehmen verkauft. Nach wie vor will er anonym bleiben. Er beauftragte Newbury, ein einjähriges Sabbatical für ihn zu entwerfen. Newbury plante. Am Ende sollte daraus eine zwei Jahre dauernde Reise werden, für die der Kunde über 1 Mio. Pfund zahlte. Newbury schickte ihn zum Reisestart nach Kenia, wo er bei Stammesgemeinschaften im Norden des Landes lebte. Er schlief in einem Zelt. Anschließend ließ Newbury ihn nach Kasachstan reisen, wo er für ihn eine Motorradtour organisierte, zu der der Mann noch 15 seiner Freunde holte, damit sie mit ihm zusammen fuhren. Newbury schickte ihn nach Südafrika, damit er an der Ostküste des Landes im Indischen Ozean tauchen konnte. Die nächste Marktlücke, lange, penibel durchdachte Auszeiten, lief Newbury also zufällig und gratis in den Laden. Wer braucht schon Marktforschung?

Newbury dachte zudem weiter: Er organisierte diesem ersten Langzeitkunden ein Kamerateam der BBC, das für ihn Filmaufnahmen zum privaten Andenken machte. Und natürlich bekam er auch eine eigene Website, über die der Kunde seine Angehörigen teilhaben lassen konnte. „Zu jedem Zeitpunkt der Reise hatten wir ungefähr die nächsten drei Monate bereits geplant“, sagt Newbury. Der Kunde blieb mit ihm in Kontakt, alle paar Tage telefonierten er und Newbury.

Die Nachfrage nach Sabbaticals nahm in der Folge der Berichterstattung über die zweijährige Odyssee des Briten sprunghaft zu. Seit 2017 hat Original Travel über 50 Sabbaticals organisiert, die länger als zwei Monate dauerten. Allerdings kommt der Großteil der Einnahmen des Unternehmens, das mittlerweile 50 Leute beschäftigt, nach wie vor von ebenfalls luxusorientierten, aber kürzeren Reisen, die im Schnitt neun Tage dauern. Zugegeben, die Zielgruppe für Newburys High-End-Sabbaticals scheint überschaubar. Aber zugleich stabil. Denn die Auszeit einer langen, luxuriösen Wanderzeit, die sich Leute als Belohnung für eine Phase intensiver Arbeit gönnen, ist auf dem Weg, ein Statussymbol zu werden wie früher mal der Porsche samt Patek Philippe. Alles gegeben, alles erreicht, jetzt muss die Weltreise her, bald ist man schließlich 30, und die Ozeane steigen.

Den Alltag der anderen erleben, von Sonnenaufgang bis -untergang. Hier beim San-Volk in der Kalahari (Credits: Original Travel).

Ganz so spitz ist die Zielgruppe in Wahrheit aber nicht. Newbury sagt, knapp die Hälfte der Kunden seien Familien mit Kindern zwischen fünf und 15 Jahren. Die andere Hälfte teile sich in zwei Gruppen: einerseits Menschen ohne Kinder um die 30, eben das Klischee. Andererseits die Kunden, die bei Original Travel „empty nesters“ heißen – also Leute, bei denen die Kinder schon aus dem Haus sind. Original Travel hat herausgefunden, dass es eine urbane Zielgruppe ist und sich hauptsächlich aus den Berufen Anwalt, Architekt oder dem Geldbusiness speist. Natürlich oft in leitender Position.

Mehr als nur Spaß

Eines eint alle Zielgruppen: der Karmagedanke. Newbury sagt, dass die Kunden sich zunehmend nicht nur für Luxus, sondern auch für Nachhaltigkeit interessierten. Deswegen fließt ein Teil der Einnahmen des Unternehmens seit einiger Zeit in die Umwelt. Der gesamte CO₂-Ausstoß einer jeden Reise wird berechnet und im Anschluss ein jeweils angemessener Geldbetrag an Umweltschutzorganisationen gespendet. 2018 waren es 40 karitative Einrichtungen, darunter auch Projekte, die sich mit dem Fluchtproblem beschäftigen.

Wer mit Newbury über seine Planerei spricht, merkt, dass er sich Gedanken macht über das Reisen an sich. Er und seine Mitarbeiter schicken Menschen nur in Länder, in denen sie selbst bereits waren – derzeit sind das 120. „Allein unser Experte für Indien war bestimmt schon 30-mal im Land.“ Zudem arbeitet Original Travel mit Einheimischen zusammen. Newbury sagt, dass dies enorm wichtig sei an Orten, die sonst weniger mit Touristen oder überhaupt der Außenwelt in Kontakt kämen. Etwa bei Stämmen in der Kalahari-Wüste. „Unser Kontakt in Botswana gehört zu einer Familie, deren Mitglieder seit fünf Generationen als Fremdenführer arbeiten. Er spricht alle Dialekte und kennt die Menschen in den ländlichen Gebieten dort sehr gut.“

Newbury sieht Reisen nicht als hedonistische Spielerei, sondern in gewisser Weise als Mittel, um die Scheuklappen loszuwerden. Das sollen seine Kinder erfahren, darum reise er viel mit ihnen. „Deshalb bin ich auch so sehr gegen den Brexit“, sagt er, „huuugely Anti-Brexit.“ Denn: „Ich will nicht, dass meine Kinder in einer Welt aufwachsen, die Mauern baut.“ Und wenn seine Kinder älter sind, kann Newbury sie vielleicht fragen: „Würdet ihr einem alten Mann einen Traum erfüllen?“

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Der Artikel stammt aus unserer aktuellen Ausgabe. Titelstory: Wieso Nico Rosberg sich nach seinem radikalen Karriere-Schlussstrich 2016 gerade als Investor in Zukunftstechnologien neu erfindet. Außerdem haben wir ein Dossier zum Thema Travel Biz für euch. Darin berichten wir unter anderem über Away, das New Yorker Koffer-Startup, das mit clever konzipiertem Gepäck gerade zur Love-Brand der Millennials wird. Mehr Infos gibt es hier.

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