Leadership & Karriere Der Koffer als It-Piece: Ein New Yorker Startup revolutioniert den Markt

Der Koffer als It-Piece: Ein New Yorker Startup revolutioniert den Markt

Das gute Storytelling und die superpersönliche Kommunikation, die neben einem ausgereiften Produkt den Kern des Erfolgs der Marke begründen, entstehen in einem kleinen Team von Away. Die Gründerinnen haben bewusst keine externe Agentur beauftragt, sondern die Kompetenz inhouse entwickelt. „Das war immer eine unserer Stärken“, sagt Rubio. „Wenn du nicht kreativ bist und nicht weißt, wie man Geschichten erzählt, kannst du keine Marke aufbauen.“ Und wer das beherrscht, der kann einen praktischen Gegenstand zum Schlüssel zu Geschichten über das Unterwegssein umdefinieren. „Vor Away hat niemand über seine Koffer gesprochen“, sagt Rubio. „Aber wir haben es geschafft, dass die Leute ihr Gepäck wirklich lieben.“ Es ist gewissermaßen der Wanderlust-Hashtag, den die Besitzer auf Reisen neben sich herschieben.

Klassische Reisemedien? Sind out

Dafür erwarten sie allerdings auch, dass die Wanderlust-Kompetenz Substanz hat. Als das Away-Team für ein Fotoshooting in Tokio war und Bilder davon auf Instagram postete, riefen mehrere Fans bei der Servicehotline der Koffermarke an, um nach Tipps für die Stadt zu fragten. Für Rubio und Korey ein Proof of Concept: Sie sahen, dass sich ihre Kunden tatsächlich mit der Marke und dem Lifestyle, den sie repräsentiert, identifizieren konnten. Und sie erkannten, dass ihre Zielgruppe sich durch klassische Reisemedien nicht bedient fühlte.

Darum launchten Rubio und Korey ein eigenes Magazin. „Wir wollten eine Plattform schaffen, auf der wir Reisegeschichten erzählen können, die es so noch nicht gibt“, sagt Rubio. Storys im Look and Feel von Away. „Here“ heißt das Heft und erscheint viermal jährlich. Es wird bei jedem Kofferkauf mitgeliefert oder kann für 10 Euro im Onlineshop von Away bestellt werden. Das Magazin ist so stylisch, persönlich und sorgfältig kuratiert, dass es sogar für Werbekunden interessant ist. So wurde „Here“ zu einem eigenständigen Geschäftszweig des Unternehmens. Rubio sagt: „Das war nie unser Ziel, aber wir haben ein funktionierendes Medienbusiness aufgebaut.“

Ein Fashion-Crowd-Hotel

Bei anderer Gelegenheit versuchte man sich am Hospitality-Business und testete mit einem Pop-up-Hotel während der Pariser Fashion Week, ob sich eine bestehende Herberge im Stil von Away, wie Rubio sagt, „programmieren ließe“. Konkret bedeutete das, exakt auf die Bedürfnisse der Fashion-Crowd abgestimmte Annehmlichkeiten anzubieten: Es gab Personal, das Influencern und Redakteuren beim Zusammenstellen von Outfits half oder den Transport der Goodie-Bags organisierte, rund um die Uhr waren Haar- und Make-up-Stylisten verfügbar, außerdem wurden Work-outs und Ruheräume zum Rückzug zwischen stressigen Terminen angeboten.

Damit wollten Rubio und Korey testen, ob ihre Community der Marke zutraute, mehr als nur gute Koffer zu machen. „Die Resonanz hat uns umgehauen“, so Rubio. „Das Hotel war innerhalb von Minuten ausgebucht.“ In nur fünf Tagen hatte Away einen Proof of Concept für ein völlig neues Geschäftsfeld. Allerdings ließ Rubio immer wieder durchblicken, dass Away erst einmal nicht ins Hotelgewerbe einsteigen will. Vielmehr denke man über eine Art „Layer of Experiences“ nach, quasi eine Mischung aus Consulting und Qualitätsstempel, der bestehenden Hotels verpasst werden könne.

Mit klugem Trial and Error haben die beiden Frauen es geschafft, nur ein Jahr nach dem Launch ihres ersten Produkts bereits profitabel zu sein. Ihre Investoren wird es freuen. Zu den Geldgebern zählen unter anderem Forerunner Ventures, die auch Warby Parker finanziert hatten, sowie Global Founders Capital, die neben Facebook, Delivery Hero und Zalando auch Skyscanner und Trivago Geld gegeben hatten. Insgesamt wurden 81 Mio. Dollar in Away investiert. Kein Wunder, das Potenzial der Marke ist immens: Allein der Community-Aspekt bietet viele Monetarisierungsmöglichkeiten. Und selbst das Kerngeschäft hat bereits zunächst nicht eingeplante Erlösquellen aufgetan.

Jen Rubio ist Mitgründerin und Chief Brand Officer von Away. Sie hat ihr Studium kurz vor Ende geschmisse, um an ihrer Marketingkarriere zu feilen. © Daniela Spector/Away

 

Eigentlich war Away nämlich als reiner Onlineshop gedacht. Als Rubio und Korey aber wenige Monate nach dem Launch einen Pop-up-Store in New York als eine Art Real-Life-Billboard eröffneten, wurde ihnen klar, dass sie mittelfristig am stationären Handel nicht vorbeikommen würden. Wie viele der anfangs als online-only gestarteten Direct-to-Consumer-Startups merkte auch Away, dass die Kunden die Koffer sehen und anfassen wollten, ehe sie kauften. Ein weiterer Vorteil eines echten Anlaufpunkts: Durch ein sorgsam kuratiertes, auf die individuellen Interessen der Leute in den sechs Städten in den USA und in London zugeschnittenes Veranstaltungsprogramm lernte Away die eigene Zielgruppe besser kennen: „In New York haben wir beispielsweise ein Panel mit Reiseautoren veranstaltet, auf denen diese erzählten, wie sie Inspiration finden“, sagt Rubio. „In L.A. sind die Leute eher daran interessiert, welche Nahrungsergänzungsmittel sie auf Reisen nehmen sollten oder welche Work-outs man in Hotelzimmern machen kann.“

Aber was, wenn der Hype um die schönen Koffer vorbei ist? Was, wenn sich alle dran sattgesehen haben und ein neuer Trend kommt? Rubio und Korey wissen um dieses Risiko. Und dass ihr Erfolg auch ein Wettlauf gegen die Halbwertszeit des eigenen Hypes ist. Trotzdem wollen sie sich in den kommenden ein, zwei Jahren weiter auf Travelprodukte konzentrieren. Erst danach soll der nächste Schritt unternommen werden. An Ideen mangelt es Rubio und Korey nicht: „Wir sind überzeugt, dass wir beispielsweise den Aufenthalt in Flughäfen verbessern oder die Art und Weise, wie Hotels betrieben werden, revolutionieren können. Oder dass wir einen neuen Weg schaffen, wie Leute Experiences buchen“, sagt Rubio. Das größte Problem sei, festzulegen, in welcher Reihenfolge all die Pläne umgesetzt werden sollen.

Sie setzen aufs Lebensgefühl

Doch was auch immer die beiden Gründerinnen angehen, ihre Nähe zu den Bedürfnissen ihrer Zielgruppe und das hohes Vertrauen, das die Marke genießt, bringen Away in eine komfortable Ausgangslage: Während etablierte Player von Air­bnb über Lufthansa bis Samsonite immer größeren Kommunikationsaufwand betreiben müssen, um den Kunden plausibel zu machen, dass sie nun auch Dienstleistungen und Produkte anbieten, die eigentlich nicht in ihre Kernkompetenz fallen, kann Away alle möglichen Ideen auf den Markt bringen, solange sich die mit dem Lebensgefühl der Kunden und deren Idee von Reisen deckt.

Rubio zeigt sich darum zuversichtlich: „Ich bin überzeugt, dass die Leute so etwas von uns wollen.“ Doch für sie gibt es noch einen wichtigeren Grund, jetzt nicht stehen zu bleiben, sondern einfach das erfolgreich gestartete Kerngeschäft zu pflegen und auf möglichst vielen Märkten auszurollen: „Solche Unternehmen überstehen den Lauf der Zeit nicht“, sagt Rubio. „Außerdem wäre eine reine Kofferfirma doch total langweilig, oder?“

 

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Der Artikel stammt aus unserer aktuellen Ausgabe. Titelstory: Wieso Nico Rosberg sich nach seinem radikalen Karriere-Schlussstrich 2016 gerade als Investor in Zukunftstechnologien neu erfindet. Außerdem haben wir ein Dossier zum Thema Travel Biz für euch. Darin berichten wir unter anderem über Away, das New Yorker Koffer-Startup, das mit clever konzipiertem Gepäck gerade zur Love-Brand der Millennials wird. Mehr Infos gibt es hier.

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