Productivity & New Work Warum es ok ist, dass Frauen mehr gefördert werden als Vorstands-Thomasse

Warum es ok ist, dass Frauen mehr gefördert werden als Vorstands-Thomasse

Ein Gastbeitrag von Anna Rossi

Diversity, Frauenquoten, Gender-irgendwas  – für manch einen ist das einfach too much und so bekomme ich als Veranstalterin von Businesstalks und des Female Kollektivs, einem Business Club für Frauen, ab und zu zu hören, wie nervig das ganze Gender-Geplänkel sei, die Frauenquote Männer diskriminiere und Frauennetzwerke ja sowieso nichts bringen.

The story behind

Ein Blick in die Vergangenheit hilft das Ganze klarer zu sehen: Das Frauenwahlrecht besteht erst seit 1919, noch bis 1977 benötigten Frauen in Deutschland die Erlaubnis ihres Mannes, um zu arbeiten. Bis 1958 konnten Ehemänner nach Belieben die Verträge ihrer Frauen kündigen. Frauen galten bis 1962 als nicht geschäftsfähig und durften keine Konten eröffnen. Männer haben das Wirtschaftsleben vor uns Frauen eingenommen und geprägt. Das ist kein Vorwurf. Es ist einer der Gründe, warum die meisten Unternehmen soziologisch gesehen männlich geführt werden, mehr als 90 Prozent der Dax-Vorstandsposten von Männern besetzt und 86 Prozent aller Gründer männlich sind. Failfact No 1: In der deutschen Wirtschaft gibt es mehr Vorstände, die Thomas heißen, als es insgesamt Vorständinnen gibt. Sorry für die klischeehafte Gegenüberstellung, aber: Take the fact. Männer und Frauen sind heute im Business gleichberechtigt, aber nicht gleichbeteiligt. Frauen sind in vielen Funktionen in der Wirtschaft unterrepräsentiert als Ergebnis unserer Kultur.

Empört euch, mindestens!

Es ist selbstverständlich, dass wir heute versuchen, diesen Fakt auf allen Ebenen auszugleichen. Das hier ist kein Männerbashing. Es geht nicht um Schuld. Männer sind ganz genauso bedeutend wie Frauen, wenn wir unsere Kultur verändern wollen. Mit Empörung meine ich auch nicht, dass wir Molotowcocktails an die Wand unserer Arbeitgeber*innen schmeißen, obwohl es absolut notwendig ist, Veränderungen auch im großen Rahmen anzupacken: mit Quoten, Netzwerken, Verbänden. Es gibt Unterschiede, klar. In all unseren Formaten wie der Talknight Female Speak Up Night und dem Businessclub Female Kollektiv legen wir zum Beispiel Wert darauf, dass sie unsere Teilnehmerinnen konkret im Alltag, in ihrer Sache, weiterbringen und das Netzwerk aktiv genutzt wird. Viel wichtiger als die Unterschiede ist aber, dass es all diese Institutionen und Communities gibt und wir sie nutzen können.

Das Jammertal ist kein Ort für Performer!

Und trotzdem ist das kein Grund dafür, sich selbst aus der Verantwortung zu ziehen. Kultur sind wir in erster Linie selbst, jede*r von uns. Jede Revolution beginnt bei dir, nicht bei unseren Männern, Chefs und Politikern. Es beginnt damit, Aussagen nicht mehr stehen zu lassen, die Bullshit sind, deinen Job zu wechseln, wenn Every-Day-Excel dich fertig macht, und deinen Partner in die Pflicht zu nehmen, wenn Kindererziehung bisher immer noch reine Frauensache ist. Es heißt, sich aktiv für das eigene Leben einzusetzen und Dinge, die veränderbar sind, tatsächlich anzupacken. Empört euch, heißt gerade nicht, darauf zu warten, dass sich Familie, Vorgesetzte, die Wirtschaft und Politik verändern, bis sich auch etwas für mich verändern kann. Ladies, viel mehr von uns können viel mehr für sich tun. Zu viele von uns sind noch zu passiv, wenn es um Job und Business geht. Du kommst im Job nicht weiter? Deine Kund*innen kaufen nie? Es gibt sehr viele Arbeitgeber*innen da draußen.

Und sehr viele Vertriebsmodelle. „Das ist alles nicht so einfach“, ist die Standardantwort auf diese Aussage, die mein Trommelfell in einen Müllhaufen verwandelt. Es ist nicht einfach, aber nichts tun ist keine Option. Geht in Netzwerke, bewerbt euch, fordert, was ihr möchtet, und wenn es nicht hinhaut, zieht weiter. Was Performer*innen weiterbringt, ist konsequentes Handeln, nicht ewiges Gequassel und Nachdenken bis zum Tod. Ablehnung, Rebellion und aktive Veränderung gehören für mich zusammen. Wenn ich Gender-Gegnern sage „Heul doch“, dann hat das mit der Haltung gegen gesellschaftliche strukturelle Benachteiligung zu tun, eine Haltung, die die meisten Menschen teilen. Genauso sage ich zu allen anderen aber auch, allen voran uns Frauen, „Mach doch“, weil Veränderung erst an diesem Punkt beginnt. Weil hier das Leben passiert, nicht hinter verschlossen Abstimmungssälen. Weil wir die Kultur sind, die wir wollen.

 

Anna Rossi ist Geschäftsführerin des Business Kollektivs, der innovativen New Work-Academy, als auch Herausgeber von Businesstalks und Communityformaten. Hierzu zählt der Podcast „Am Puls“, die Female Speak Up Night und einer der innovativsten Business Clubs Deutschlands – das Female Kollektiv.

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