Productivity & New Work Keine Angst vorm Scheitern: Warum Ungewissheit manchmal wichtig für gute Entscheidungen ist

Keine Angst vorm Scheitern: Warum Ungewissheit manchmal wichtig für gute Entscheidungen ist

Ungewissheit hat einen ziemlich schlechten Ruf. Zu Unrecht, findet Rike Pätzold. Ein Gastbeitrag.

Als 2008 die Bankenkrise kam, gab es Menschen, die waren nicht überrascht, darunter Nassim Nicholas Taleb. Der Wirtschaftswissenschaftler hatte dem Bankensystem schon Jahren vor dem Crash Instabilität attestiert – oder wie er es nennt: Fragilität. Das Gegenteil davon, Antifragilität, bedeutet Ungewissheit und Fehler nicht nur unbeschadet zu überstehen, sondern sogar daran zu wachsen. Weil Fehler vor allem eines sind: Information.

Erst Fehler ermöglichen, dass etwas verbessert werden kann, weil sie uns zeigen, was nicht funktioniert. Versuch und Irrtum. Leider stehen die meisten mit Fehlern und dem Nicht-Wissen auf Kriegsfuß. Aber es gibt eine Gruppe von Menschen, die sind sozusagen Meister:innen im Scheitern – und gerade deshalb erfolgreich: Serial Entrepreneurs!

Erfolgreiche Unternehmer sind Meister im Scheitern

Die (größtenteils unbewussten) Methoden, anhand derer diese Serienunternehmer:innen intuitiv Entscheidungen treffen, wurden unter dem Begriff Effectuation zusammengefasst.

Effectuation, also die Kunst bei ungewissem Ausgang Entscheidungen zu treffen, basiert auf ein paar wenige Prinzipien, die sich gleichzeitig wunderbar als Ungewissheits- und Antifragilitätsstrategien hernehmen lassen:

1. Redundanzen oder das Prinzip des verschmerzbaren Verlusts
Erfolgreiche Unternehmer:innen gehen Risiken ein. Aber sie riskieren nur so viel, wie sie auch verkraften können zu verlieren. Dabei gehen sie schon beim Eingehen des Risikos davon aus, dass es wahrscheinlich schief läuft und haben dann kein Problem, wenn es das tatsächlich tut. Erfolgreiche Unternehmer:innen sind sozusagen Weltmeister:innen im Falschmachen, vor allem, wenn man davon ausgeht, dass von zehn Unternehmungen neun nicht klappen. Beim Investieren rät Taleb deshalb zur sogenannten Hantelstrategie, bei der man zehn Prozent hoch riskant und 90 Prozent extrem konservativ anlegen soll. Dabei schreibt man im Prinzip die zehn Prozent im Kopf schon ab und freut sich um so mehr, wenn die dann richtig viel abwerfen.

Risiken einzugehen, ist also eine feine Sache, aber es muss etwas geben, worauf man zurückfallen kann, wenn man falsch gelegen hat. Das muss nicht unbedingt Geld sein, obwohl ein finanzielles Polster nicht schadet. Das kann auch eine Fähigkeit sein, die immer gebraucht wird und wodurch man sich jederzeit über Wasser halten kann. Genauso können das Beziehungen sein, die einen tragen, wenn etwas in die Hose geht. Gute Beziehungshygiene ist eine gute Investition in die ungewisse Zukunft.

2. Hätte, könnte, sollte – machen! 
Erfolgreiche Unternehmer:innen arbeiten mit dem, was sie schon haben und nutzen ihr Netzwerk: Wer bin ich, was habe ich, wen kenne ich? Sie warten nicht, bis die Umstände perfekt sind. Viele Menschen denken zu weit in die Zukunft: „Wenn ich dann mal irgendwann…, dann kann ich…“ Aber zwischen jetzt und dann können tausend Dinge passieren, die verhindern, dass es tatsächlich so kommt.

Die Zukunft ist aber genau genommen immer schon der nächste Moment, und der lässt sich wunderbar gestalten. Dafür braucht man zuerst eine klare Vision, die einem die Richtung vorgibt. Wenn man die aber hat, geht es immer um den nächsten Schritt. Nicht schon um den über- und überübernächsten.

3. Keine Angst vor Rückschlägen 
Wahrscheinlich fehlt der Spruch in kaum einem Poesiealbum: „Wenn das Leben dir Zitronen gibt, dann mach Limonade draus.“ Und so platt er auch sein mag, es steckt eine Menge Wahrheit drin. Die Fähigkeit, etwas aus allem zu machen und sich von Rück- und Fehlschlägen nicht ausbremsen zu lassen, ist eine der Grundvoraussetzungen für Antifragilität. Dazu gehört, jeden Ball, den einem das Leben zuwirft, aufzufangen und aufmerksam anzusehen, ob nicht doch was Nützliches oder zumindest Lehrreiches darin steckt. Das ist übrigens gelebte Ergebnisoffenheit und die kann man üben.

Ein paar Tipps, wie man Ergebnisoffenheit üben kann:

Geh an deinem freien Tag vor die Tür, ohne Agenda und ohne Plan. Nimm einen Würfel mit oder eine andere Entscheidungshilfe, die dir sagt, ob du nach rechts, links oder geradeaus gehen sollst. Lass den Zufall bestimmen und nimm bewusst deine Umgebung wahr. Unser Hirn verlässt nur ungern die vertrauten Pfade, und unsere Wahrnehmung ist von daher oft viel zu eingeengt.

Deute vermeintliche Misserfolge bewusst um. Höchstwahrscheinlich kannst du doch irgendeinen Nutzen oder eine Lehre daraus ziehen.

Unser Gehirn mag Neues nicht

Ergebnisoffenheit und Kreativität sind eng verwandt. Für beide braucht man ein Gehirn, dem es leicht fällt neue Synapsen herzustellen. Unser Gehirn hat allerdings einen hohen Energieverbrauch und versucht daher so effizient wie möglich zu arbeiten. Deshalb wird es immer versuchen, Neues und Unbekanntes zu torpedieren, um ja auf den ausgetretenen neuralen Autobahnen bleiben zu können.

Das merken wir immer dann, wenn wir Widerstand empfinden. Je öfter wir aber Dinge anders tun, wenn wir Gewohntes mit Ungewohntem ersetzen, desto leichter wird das mit den neuen Synapsen und desto besser können wir mit Ungewissheit umgehen.

Rike Pätzold ist Ungewissheitsexpertin. Dazu coacht sie, hält Vorträge und gibt Seminare. Mehr zum Thema Antifragilität und Ungewissheitstoleranz gibt’s auf ihrem Blog.

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