Productivity & New Work Wieso wir bei Stress unausstehlich werden – ohne es zu merken

Wieso wir bei Stress unausstehlich werden – ohne es zu merken

Ein Gastbeitrag von Anja Niekerken

Kurz vor einer wichtigen Abgabe, einer Präsentation, einem Termin beim Vorstand oder irgendeiner anderen Situation, in der es für uns gefühlt um Kopf und Kragen geht, sind wir im Stress. Okay, für diese Feststellung braucht es diesen Artikel nicht wirklich. Soweit so gut. Was wir in solchen Situationen aber eher nicht auf dem Schirm haben ist, was Stress mit uns macht.

Stress macht nämlich nicht nur blöd, er lässt uns zusätzlich zum Arschloch mutieren. Mit anderen Worten, wenn es wirklich wichtig wird, werden wir zu dämlichen Arschlöchern, ohne es zu merken.

Warum geraten wir überhaupt in Stress?

Schauen wir uns zunächst mal an, wofür Stress von der Evolution eigentlich mal gedacht war und wo die Stressauslöser im Hirn sitzen.

Stress ist ein Programm, um unser Überleben unter Lebensgefahr zu sichern. Aha. Nun sind wir in unserer modernen Arbeitswelt eher selten direkt in Lebensgefahr. Und es ist eher selten, dass wir unser Leben im direkten Kampf verteidigen müssen. Denn genau dafür ist Stress gedacht.

©Anja Niekerken

In dem Moment in dem wir unter Stress geraten, ist ein sehr evolutionsbiologisch sehr alter Teil unseres Gehirn am Start: die Amygdala. Diese hat, aus welchem Grund auch immer, einen Stressor identifiziert und startet, ohne Mitspracherecht der höheren Denkfunktionen, das Stressprogramm. Dabei flutet sie unseren Körper mit Stresshormonen, die uns für Kampf, Flucht oder simples Totstellen bereit machen.

Bye, Hirn!

Körperfunktionen, die für diese Tätigkeiten nicht gebraucht werden, werden runtergeregelt oder ganz ausgeschaltet, zum Beispiel das Sprachzentrum. Wer sich schon mal gewundert hat, warum man in bestimmten, meist stressigen, Situationen keine schlauen Antworten einfallen oder bei einer Präsentation auf einmal alles weg ist: Das ist der Grund.

Natürlich ist nicht jede Situation gleich stressig. Mal flutet die Amygdala unser gesamtes System und spendiert uns damit das volle Stressprogramm mit Schnappatmung und Herzrasen. Und mal gibt es Stresshormone in verträglicher Dosierung. Dann ist Stress sogar produktiv. Wir sind wacher und wir haben richtig viel Energie. Gegen den Stress hat niemand etwas einzuwenden. Dann sind wir ja auch noch Herr im eigenen Oberstübchen. Die Krux ist, dass unser Körper eine bestimmte Zeit braucht, um Stresshormone auch wieder abzubauen. Zeit, die wir in unserem modernen Joballtag oft nicht haben. So bleiben oft ein paar Stresshormone im System zurück, die sich dann über die Zeit immer mehr summieren. Wir werden immer dünnhäutiger – und leider auch immer unangenehmer.

Zurück zur rationalen Denke

Je mehr wir unter Druck stehen, umso unwirscher werden wir. Die dunkle Seite der Macht ergreift Besitz von uns. Wir werden immer mehr zu Reiz-Reaktionsmaschinen. Das Fatale: Mit steigendem Stresslevel sinkt unsere Fähigkeit, rational zu denken. Sehr schön übrigens in den „Star Wars„-Filmen dargestellt, wenn Anakin Skywalker nicht mehr für die Argumente von Obi-Wan Kenobi zugänglich ist.

Was kann man aber gegen dieses Steinzeitprogramm tun?

1. Sei nicht so hart zu dir selbst. Denn, hey, jeder hat dieses Programm in sich. Also, sei nett zu dir selbst, wenn Du mal in den Steinzeitarschlochstressmodus fällst. Wichtig ist, dass Du auch wieder raus kommst und Dein Verhalten reflektierst und Dir eine Strategie fürs nächste Mal zulegst. So trainierst Du, langsam aber sicher, unter Stress rationaler zu funktionieren. Alles, was wir automatisieren, kann auch unter Stress abgerufen werden.

2. Suche die Schuld nicht bei Anderen oder den Umständen. In dem Moment hast Du keine Möglichkeit mehr irgendetwas zu ändern. Es wird immer wieder ein nächstes Mal geben. Wenn wir die Anderen und die Umstände nicht ändern können, können wir nur unsere Reaktion darauf verändern. Also: raus aus der Opferhaltung!

3. Entspann Dich! Sorge immer wieder für Ausgleich und tue auch mal gar nichts. Nicht in der Freizeit auch noch das volle Programm durchziehen. Einfach mal die Seele baumeln lassen. Das reduziert, in Kombination mit Sport, Stress am effektivsten.

Anja Niekerken ist Autorin, Coach und Host des Natural Leadership Podcasts. Anfang des Jahres erschien ihr neues Buch „Die Kunst, kein Arschloch zu sein“.

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