Life & Style Bargeldlose Zukunft? Was sich dafür hierzulande noch ändern muss

Bargeldlose Zukunft? Was sich dafür hierzulande noch ändern muss

ein Gastbeitrag von Marc-Alexander Christ, Mitgründer von SumUp

In Ländern wie den USA ist es total normal, alles ganz einfach mit der Kreditkarte zu bezahlen. Amerikaner*innen würden nicht auf die Idee kommen, für die Brötchen bei der Bäckerei nach Kleingeld zu kramen. Wer nun aber mit dieser Bezahlmoral nach Deutschland kommt, stellt schnell fest, dass das Bezahlverhalten hier in punkto Kartenzahlung immer noch sehr hinterherhinkt – die Deutschen lieben einfach ihr Bargeld.

In der momentanen Corona-Krise sind sie dazu angehalten, vermehrt Kartenzahlungen zu nutzen. Immer mehr Händler*innen stocken ihre Bezahlmethoden dahingehend auf. Es wird sich aber erst noch zeigen, ob sie nach überstandener Pandemie wieder zum Bargeld greifen oder aber die Vorteile der digitalen und kontaktlosen Zahlungen erkennen und beibehalten. Im Gegensatz zu Amerika oder Schweden, die bereits vor der Krise planten, bis 2023 komplett bargeldlos zu leben, schienen die Deutschen bis jetzt auf ihr Bargeld nicht verzichten zu wollen.

Warum die Deutschen das Bargeld so lieben       

Dass vor allem aus Händlersicht das Bargeld attraktiv ist, liegt vorwiegend daran, dass die Händler*innen die Gebühren bzw. monatlichen Kosten für Kartenzahlungen als zu hoch empfinden. Auch der Aufwand erscheint höher, das Bargeld dagegen unkompliziert. Außerdem spürten viele Händler*innen bis vor Kurzem keine Nachfrage der Kund*innen nach der Möglichkeit zur Kartenzahlung.

Doch war die nicht vorhandene Nachfrage nach Kartenzahlungen in Deutschland vielleicht ohnehin nur ein Trugschluss? Tatsächlich ärgerten sich schon in einer Bitkom-Studie vom Juli 2019 rund zwei Drittel der Bundesbürger*innen darüber, dass sie nicht überall bargeldlos bezahlen können. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Deutschen das Bargeld insgeheim abschaffen wollen, vielmehr wollen sie eine Koexistenz von verbesserten Möglichkeiten der Kartenzahlung und Bargeld – also eine Art Veränderung, bei der sich gleichzeitig nicht zu viel verändert.

Marc-Alexander Christ ist Gründer des FinTechs SumUp, einem der führenden Unternehmen weltweit im Bereich Mobile Payment mit Geschäftstätigkeit in mehr als 33 Ländern weltweit, darunter Europa, Brasilien und die USA.

Dies liegt vorwiegend daran, dass die Deutschen sich allgemein einfach schwer mit Innovationen tun und ganz generell immer erst einmal skeptisch Neuem gegenüber sind. In Deutschland ist auch die Angst, mittels Kartenzahlungen überwacht zu werden, ganz besonders groß, denn der Datenschutz ist gerade den Deutschen sehr wichtig. Diese Angst ist allerdings vollkommen unbegründet, da Kartenzahlungen den gleichen Auflagen unterliegen, wie beispielsweise Bankgeschäfte, und damit bezüglich Datenschutz den wohl strengsten Vorgaben folgen.   

Warum bargeldloses Bezahlen besser ist   

Wenn es um den Umstieg auf Kartenzahlungen geht, sehen Händler*innen auf den ersten Blick häufig nur die initial höheren Ausgaben. Dabei gibt es tatsächlich sehr kostengünstige und flexible Alternativen zu den traditionell sehr starren und teuren Lösungen und Anbieter*innen. 

Kartenakzeptanz fördert auch nachweislich den Umsatz. Für 75 Prozent der SumUp-Händler*innen bedeutete die Einführung von Kartenzahlungen eine Umsatzsteigerung. Durchschnittlich 40 bis 60 Prozent mehr Umsatz verzeichneten Händler*innen damit. 

Hinzu kommen viele weitere Vorteile, wie die gesteigerte Sicherheit für Händler*innen, die ohne physische Kasse nicht bestohlen werden können, oder die Vereinfachung und enorme Zeiteinsparung beim Rechnungswesen, weil unter anderem kein Wechselgeld bereitgestellt und am Ende des Tages gezählt werden muss.

Die Kund*innen hingegen gewinnen an Entscheidungsfreiheit, Flexibilität und Zeitersparnis, denn ohne Bargeld haben sie die freie Wahl, wie, wo und wann sie etwas kaufen möchten, ohne Rücksicht darauf nehmen zu müssen, wie viel Geld sich gerade im Portemonnaie befindet oder wo sie die nächste Bank finden können.

Was sich in den nächsten Jahren verändern wird

Heutzutage ist es selbst in Zeiten der Coronakrise in Deutschland nach wie vor ratsam, immer Bargeld dabeizuhaben. Jede*r Händler*in entscheidet ganz individuell, welche Bezahlmöglichkeiten sie oder er anbietet. So entsteht ein Flickenteppich aus verschiedensten Bezahlvarianten. Das ist nicht nur kompliziert und undurchsichtig, sondern auch problematisch, weil die fehlende Einheitlichkeit langfristig für Unzufriedenheit bei den Konsument*innen sorgt – beispielsweise bei potenziellen Kund*innen, die ausgeschlossen werden, weil sie das entsprechende Zahlungsmittel nicht parat haben.

Doch so wird es nicht bleiben, denn das Bezahlverhalten wird sich auch in Deutschland in den nächsten Jahren stark verändern. Das fängt beim Bargeld an, das früher oder später sicherlich ganz verschwinden wird. Die Karte als Zahlungsmittel wird sich hingegen sicherlich noch um einiges länger halten – vielleicht „versteckt“ im Telefon, einem Wearable oder ganz neuen Innovationen. Die herkömmliche „Plastikkarte“ hingegen wird wohl ebenfalls in den nächsten Jahren schon wesentlich weniger verbreitet sein.

Ultimativ sollte letztendlich die Transaktion zur Interaktion und der Bezahlprozess gar nicht mehr als solcher wahrgenommen werden. Die Payment-Experience unsichtbar zu machen wird das entscheidende Thema der Zukunft. Hier wird es vermutlich viele neue Anbieter*innen auf dem Payment-Markt geben.

In Asien machen es ja die sogenannten Super-Apps bereits vor: Man verabredet sich mit Freund*innen, reserviert einen Tisch im Restaurant, kauft noch schnell die Kinotickets für danach und bestellt direkt ein Taxi für die Heimfahrt – alles mit einem Klick innerhalb einer einzigen App. Praktisch, schnell und einfach, aber trotzdem sicher.   

Idealerweise verschwendet also bald schon niemand mehr einen Gedanken an Zahlungsmodalitäten, weil diese komplett unsichtbar für die Nutzer*innen im Hintergrund stattfinden. Niemand schaut mehr auf den zu zahlenden Betrag und niemand denkt noch darüber nach, womit er eigentlich bezahlt.       

Was dafür noch getan werden muss       

Digitale und mobile Zahlungsvarianten wie Apple Pay, Distanzzahlungen per SMS, E- Mail-Link oder WhatsApp sowie Bestellmöglichkeiten per QR-Code erleichtern den Händler*innen bereits heute maßgeblich das Geschäft. Die notwendigen Technologien für Zukunftsszenarien von Bezahlvorgängen sind also im Prinzip bereits vorhanden und stellen sicherlich das geringste Problem dar.           

Die Herausforderung liegt hierzulande vor allem darin, die Menschen von neuen Technologien und Innovationen in allen Bereichen zu überzeugen. Während die Finanzdienstleister*innen diese Entwicklung gesamtheitlich wollen und vorantreiben müssen, sollten für nachhaltigen Erfolg am Ende alle an einem Strang ziehen. 

Dass die Finanzbranche bezüglich des digitalen Fortschritts zugegebenermaßen immer noch etwas hinterherhinkt, liegt dabei aber nicht nur an den komplexen Strukturen, sondern auch am fehlenden Vertrauen der Kund*innen. Und genau daran muss in Deutschland noch intensiver gearbeitet werden als in anderen Ländern, wo Innovationen oft per se einfach schneller und dankbarer angenommen werden.

Vielleicht ist die aktuelle Lage, in der die Welt von der Coronakrise erschüttert wird, der entscheidende Moment für Deutschland, der diese Entwicklung positiv beeinflussen und vorantreiben kann. Denn wo Gedanken an alternative Technologien und digitale Lösungen vor ein paar Monaten bei einigen noch ein ungutes Gefühl bezüglich Privatsphäre und Datenschutz verursachten, zeigt sich nun ein erstes Umdenken. 

Die Menschen sind mittlerweile froh, dass solche Technologien in Notsituationen wie diesen vorhanden sind. Es zeigt sich, wie schnell und unkompliziert ein Bezahlvorgang schon jetzt sein kann, wie sicher diese Art des Zahlungsprozesses und wie verzichtbar das Bargeld eigentlich doch ist.

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