Life & Style Selbstverteidigung mit Office-Gegenständen: Wir haben Krav Maga ausprobiert

Selbstverteidigung mit Office-Gegenständen: Wir haben Krav Maga ausprobiert

Ehrlich: Schon beim Aufwärmen wird mir schwarz vor Augen. Mein Partner und ich stehen uns auf einem Bein gegenüber und versuchen uns aus dem Gleichgewicht zu bringen. Leichte Übung, denn vom Laufen, den Sit-ups, Push-ups, Crunches und den Schlägen auf das Polster bin ich bereits am Ende. Spoiler: Drei Stunden später werde ich richtig hart am Arsch sein. Ich bin selbst überrascht, denn eigentlich mache ich viel Sport. Klettern hauptsächlich. Aber beim Krav Maga mit Alltagsgegenständen kennen sie keine Gnade. Wir trainieren den Ernstfall: Wie kann ich mich verteidigen?

Krav Maga ist, das weiß mittlerweile jeder, israelischer Armeesport. Deswegen geht es hier im Evolution Gym in Berlin dann auch ordentlich zur Sache. Mein Trainer, Jean-Paul Jauffret, hat mehr als 20 Jahre Erfahrung und trainiert Eliteeinheiten: etwa Fallschirmjäger der französischen Fremdenlegion. Wir, die rund 50 Teilnehmer*innen, werden von ihm so richtig gescheucht. Gut, dafür sind wir hier. Die meisten sind so alt wie ich, Anfang 30, fast alle tragen Schwarz. Marcel Jardinier ist der Chef des Gyms. Er steht im mit Matten ausgelegten Raum und begrüßt uns. Und dann geht es los.

Handy, Visitenkarte und auch Kugelschreiber werden zu Waffen.
Jean-Paul (r.) zeigt jede Übung mit Geduld. Die braucht er bei uns auch.

Der erste Gegenstand, mit dem wir üben, ist das Handy. Das Szenario ist einfach: Wir telefonieren und werden dabei angegriffen. Das Ganze trainieren wir als Partnerübung. Mal greife ich an, mal werde ich angegriffen. Das Ziel ist es, den Angriff des Gegners zu blocken und ihm dann das Handy in den Nacken oder den Kehlkopf zu rammen. Wichtig: Es muss dabei fest auf dem Handballen aufliegen. Immer und immer wieder geht das so. Angriff, verteidigen, mit dem Handy die Schwachpunkte des Gegners traktieren. Gar nicht so leicht: Mein Partner und ich sind beide so verschwitzt, dass wir uns kaum zu greifen bekommen. Vor der Pause lässt uns Jean-Paul dann wieder Liegestütze und Kniestöße gegen die Pratze machen.

Die nächste Waffe ist der Kugelschreiber. Ihn sollen wir entweder in die geballte Hand nehmen und mit dem Daumen fixieren oder zwischen Ring- und Mittelfinger klemmen. Das sieht dann ein bisschen aus wie im Film „Wolverine“. Übung: die Faustschläge des Gegners blocken und ihm dann den Stift in die Halsschlagader rammen. Das alles läuft völlig ohne Witze ab. „Auf den Straßen müsst ihr stark sein – oder ihr seid am Arsch“, sagt Jean-Paul. Er lässt uns immer wieder Push-ups machen, immer wieder gegen die Schlagpolster angehen. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft. Mit jedem Schlag werden meine Arme leerer. Ich kann nicht mehr, denke nur noch daran, keine Schwäche zu zeigen und bis zum Ende durchzuhalten. Mit meinem Partner unterhalte ich mich kurz über die Übungen, mehr ist aber nicht drin: Er ist genauso fertig wie ich. Also machen wir einfach weiter, Liegestütze, Sit-ups, Schlagen. Mein Shirt hängt wie ein Lappen an mir herunter, alles riecht nach Schweiß. Bitte, holt mich hier raus!

Mit jedem Schlag wird mein Arm schwächer.

Gut, letzte Übung: Dieses Mal ist die Kreditkarte das Mittel der Wahl. Wir sollen sie dem Gegner so schnell wie möglich durchs Gesicht ziehen, um ihn so außer Gefecht zu setzen. Zu Übungszwecken nehmen wir die Visitenkarte eines Strafverteidigers. Wahrscheinlich sinnvoll, die für die Zukunft mal in der Tasche zu haben. Während wir uns quälen, geht Jean-Paul durch den Raum und korrigiert unsere Bewegungen. Das macht er unerwartet nett, lässt aber wie immer keinen Zweifel daran aufkommen, dass er das hier sehr, sehr ernst nimmt. Und das ist ansteckend: Auch wir entwickeln immer größeren Ehrgeiz, unseren Gegner zu besiegen. Der Gegner, das sind wir allerdings selber, unsere ausgelaugten Körper.

Am Ende der Übung fragt Jean-Paul, ob wir noch Fragen hätten. Nein, haben wir nicht. Auch, weil keiner mehr denken kann. Das heißt aber, dass es weitergeht: wieder Liegestütze. Die letzten schaffe ich schon gar nicht mehr und bleibe einfach am Boden liegen. Dann stellt doch noch jemand eine Frage: Ob man auch einen Schlüssel zur Verteidigung nutzen kann? „Nein, zu kurz“, sagt Jean-Paul. „Damit tut ihr euch nur selbst weh“. Danke, gemerkt.

Jeder hat Kreditkarte und Handy jederzeit in der Tasche. Bloß weiß ich jetzt, wie ich sie zu anderen Zwecken einsetzen kann. Die Übungen waren so easy, dass ich mich auch jetzt noch an sie erinnern kann. Jean-Paul sagt, dass Krav Maga genau darauf ausgelegt sei: den Gegner in jeder Situation intuitiv ausknocken zu können. Das ist hart, aber die Vorstellung, auf die Fresse zu bekommen, ist härter.


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