Leadership & Karriere Warum das Rechtssystem für Ungleichheit sorgt

Warum das Rechtssystem für Ungleichheit sorgt

Gab es Gegenwehr?

Die Bauern haben die Zäune wieder eingerissen und das Saatgut überpflügt, bis das Ganze vor die Gerichte gegangen ist. Es gab damals kein Register des Landeigentums, aber die Gerichte haben sich letztendlich auf die Seite der Grundherren geschlagen. Das Hauptargument war, dass die Landlords schon länger da waren. Anders als die Bauern konnten sie das belegen.

Sie unterrichten an Columbia Law School Jurist:innen. Glauben Sie, dass diese Menschen daran mitwirken werden, dass das Rechtssystem gerechter wird?

Wir sind eine der großen Law Schools, die Juristen gerade für die großen Wall Street-Kanzleien ausbildet. Einer der Gründe, warum das mit der Veränderung nicht so einfach ist, sind die erheblichen Gebühren, die sie abarbeiten müssen. Dafür müssen sie in die großen Firmen. Also ich bin damit Teil eines Systems, das ich gerne ändern möchte. Was ich hoffe ist, dass viele Studenten neue Ideen mit auf den Weg nehmen, selbst wenn sie in solche Kanzleien gehen. Auch hierzulande kann man mit dem bestehenden Recht sehr innovativ sei. Etwa in den 60er, 70er Jahren, um die Bürgerrechte durchzusetzen und die Diskriminierung gegenüber den Schwarzen rechtlich anzugehen. Das kann man auch im Wirtschaftsrecht machen.

Zum Beispiel mit Genossenschaften?

Ja, die waren eine Zeit lang außer Mode. Das Genossenschaftsrecht ist nicht flexibel genug. Deshalb ist mein Vorschlag das GmbH-Recht aus dem Staate Delaware anzuwenden. Damit geht das viel einfacher. Man kann damit zum Beispiel ausschließen, dass es eine Fusion geben soll mit einem anderen Unternehmen, man kann Mehrheits-Wahlrecht in der Firma vorschrieben.

Kann man auch so etwas wie Gemeinnützigkeit festschreiben?

Ja, das kann man alles. Oft können sich normale Aktiengesellschaften oder GmbHs deklarieren, dass sie nicht nur Profitmaximierung betreiben wollen, sondern auch einen bestimmten anderen Wert schützen oder schaffen wollen. Ob das die Beseitigung von Armut in der Stadt ist, wo sie gerade sind, Kulturförderung oder Umweltschutz. Patagonia ist so ein Großunternehmen. Die haben das schon vor Jahren gemacht.

Hier in Berlin spielt das Thema Gemeinwohl in der Stadtentwicklung eine große Rolle. Für ein Grundstück kann man mit Erbbaurecht bestimmte Zwecke festlegen, soziales Wohnen zum Beispiel.

Genau, es gibt verschiedene Figuren. Im englischen Recht würde man auf den Trust setzen, um sowas festzulegen. Trusts, eine Art Stiftung, sind heute oft Instrumente, um Steuern zu umgehen. Aber den Trust kann man auch anders einsetzen. Ich habe neulich mit einer Frau aus Kalifornien geredet, die setzt ihn ein, um Biolandbau auf ihrer Farm sicherzustellen, selbst wenn sie die irgendwann verkauft.

Gerade entstehen neue Rechtsgüter, durch die Nutzung unserer digitalen Nutzerdaten. Grund zur Vorsicht?

Es ist die nächste Gruppe von Gütern, die in den kapitalistischen Wirtschaftsprozess eingebunden werden. Manche sprechen ja von der dritten Einhegung. Die erste Einhegung war die von Land. Die zweite Einhegung war das gemeinsame Wissen. Wissenschaft, die Patentrechte. Die nächste sind unsere Daten. Sie werden behandelt wie Freiwild. Solange das im Wald rumspringt, gehört es niemandem. Wenn es geschossen wurde, dann gehört es dem Jäger.

In dem Fall sind das Google, Amazon oder Facebook.

Ich bin mir nicht sicher, ob die Gesetzgeber im Europäischen Parlament oder hier im Kongress sich immer ganz im Klaren darüber sind, was sie tun. Aber wenn sie der einen Seite die Rechte zusprechen, dann sprechen sie es auch gleichzeitig der anderen Seite ab.

Im Moment läuft das rechtlich zum Vorteil der Konzerne?

Ja.  Wobei man dazu sagen muss: Wenn wir jetzt Eigentumsrechte gehabt hätten, wir würden sie wahrscheinlich sofort verkaufen, weil wir auf diese Plattformen wollen. Deswegen ist die Frage, ob die individuellen Eigentumsrechte der richtige Ansatzpunkt sind.

Haben Sie eine andere Idee?

Ich denke, dass man über kollektive Maßnahmen nachdenken muss. Da kommt auch wieder der Trust ins Spiel. Alle Facebook-Nutzer könnten durch einen Treuhänder vertreten werden und hätten dann Zugriff auf einen gewissen Profitanteil. Vielleicht auch Zugriff auf die Prozesse, wie ihre Daten genutzt werden. Facebook wird das aber von sich aus nicht machen.

Also doch eine Revolution: Dass wir als Facebook-User:innen uns die Mitbestimmung erkämpfen.

Wenn es von unten käme, wäre das eine Art Revolution. Man könnte das auch staatlich festlegen. Wenn man die Französische Revolution betrachtet, ging es letztlich darum, wer über wen Macht ausüben darf. Daten haben es privaten und staatlichen Stellen ermöglicht, Kontrolle über andere auszuüben. Staatliche Macht ist durch checks and balances eingehegt. Im Digitalen ist uns das nicht gelungen. Bis jetzt.

Katharina Pistors Buch „Der Code des Kapitals“ ist bei Suhrkamp erschienen. 440 Seiten. 32 Euro.

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