Leadership & Karriere Warum das Rechtssystem für Ungleichheit sorgt

Warum das Rechtssystem für Ungleichheit sorgt

War das mal anders?

Im 15. Jahrhundert regelten die Venezianer, dass die Ideen der Glasbläser rechtlich geschützt wurden. Aber die Stadt hatte immer Zugriff auf sie. Wenn der Staat Milliarden von Geldern in die Forschung steckt, dann müsste er sich im Grunde auch das Recht sichern, davon zu profitieren. Hier in den USA hat das Nationalen Gesundheitsinstitut NIH deshalb Anteil am Patent des Moderna-Impfstoffs. In einer globalen Pandemie muss man sich überlegen, wo die Prioritäten liegen. Bei der Gewinnabschöpfung oder bei der schnellen Bekämpfung des Virus.

Interessant, dass dies ausgerechnet in den staatskritischen USA so ist und hier nicht.

Das liegt wohl daran, dass ein Teil der Innovation dafür im NIH selbst erreicht wurde. Und das NIH hat aus schlechten Erfahrungen gelernt, dass es aggressiver die Patente anmeldet, bevor der private Sektor das tut und dann allein die Gewinne abschöpft.

Sie schreiben in dem Buch von einem „Quellcode des Kapitals“. Programmieren die Jurist:innen sozusagen die ungleich machende Wirtschaftsordnung?

Ja, so kann man es verstehen. Aber unsere Rechtsordnung ist auch ziemlich offen und flexibel. Mein Hauptargument ist, dass die private Rechtsordnung mit einer Handvoll von Modulen arbeitet, mit diesen Rechtsformen. Weil Ansprüche damit erst durchsetzbar sind. Die könnten wir aber auch ganz anders interpretieren.

Waren diese Rechtsformen von Anfang an so angelegt, dass sie Ungleichheit verstärken?

Ich denke schon. Es gibt ein sehr schönes Zitat von Bernard Rudden, der war Rechtshistoriker in Oxford: Die Eigentumsrechte stammen aus dem Feudalismus und sind damals für die Feudalherren geschaffen worden, nicht für die Bauern. Und die gleichen Rechte gibt es heute in der Finanzwirtschaft. Da ist eine Kontinuität.

Eigentumsrechte wurden historisch immer wieder umdefiniert. © Alexandre Lecocq CC0

Eigentum wurde geschichtlich immer wieder neu definiert.

Die Revolution in Frankreich ist wieder ein gutes Beispiel. Vor der Revolution waren Eigentumsrechte alle Privilegien, die die Adeligen hatten. Nach der Revolution hieß es: Jeder Bürger kann Eigentum haben und es ist abstrakt definiert.

Vorher konnten einfache Leute kein Eigentum haben?

Sie haben bestimmte persönliche Gegenstände an ihre Kinder weitervererben können, aber nicht das Land. Wenn sie Glück hatten, vielleicht ihr eigenes Haus. Eher wie im Sozialismus, da hatten sie auch ein Eigentumsrecht an ihrem Stuhl und ihrem Tisch, aber nicht an den Produktionsmitteln. Der eigene Pflug vielleicht noch, aber eben nicht Grund und Boden oder das Saatgut.

Wie haben sie dann Land genutz?

Da gab es bestimmte Regeln, wer zu welcher Zeit was mit dem Land machen konnte. Wann die Kühe dort geweidet werden konnten, wie viele Kühe, wann bestimmte Sachen angebaut worden sind. Das war ein Teil der gemeinschaftlichen Absprachen. Sie galten, bis der Grundherr gemerkt hat, dass er wesentlich mehr Geld aus dem Land holen kann, wenn er Schafe weiden lässt und sie schert und die Wolle in die neuen Fabriken gehen lässt. Das hieß aber, dass er die Bauern davon abhalten musste, ihre Kühe aufs Land zu schicken. Mit Zäunen und Hecken.

Seite 3: Gab es Gegenwehr?

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