Innovation & Future Das Schulsystem braucht Nachhilfe von Startups

Das Schulsystem braucht Nachhilfe von Startups

Ein Gastbeitrag von Lisa Steinhauser

Immer wieder wird das Schulsystem kritisiert: Es gibt zu wenig Lehrer:innen. Das Abitur ist in jedem Bundesland anders und somit ungerecht. Die Digitalisierung in Schulen schreitet zu langsam voran. Ich stimme jedem einzelnen dieser Statements zu. 

Jedoch wird viel zu selten darüber geredet, dass auch falsche Arbeitsweisen und ein falsches Mindset vermittelt werden. Deshalb sollten einige Methoden, wie man die Schüler:innen ideal auf ihr späteres Leben vorbereiten kann, durch etwas Nachhilfe und Inspiration von den Arbeitsweisen in Startups adaptiert werden.

Unser Schulsystem ist festgefahren

Ich selbst habe 2020 erfolgreich meine Allgemeine Hochschulreife abgeschlossen. Durch mein Praktikum im HR Tech-Startup „matched.io“ haben sich mir neue Sichtweisen bezüglich Lehr- und Bildungskonzepten ergeben, die ich mir zu meiner Schulzeit gewünscht hätte. So gab es einige Aspekte, die für mich und andere Schüler:innen sehr frustrierend waren. 

Die Strukturen in Schulen sind zu starr 

Aufgrund großer Klassen, sowie fehlender Flexibilität und Zusatzangebote, gibt es kaum Möglichkeiten, sich als Schüler:in frei zu entfalten. Jede:r Schüler:in lernt unterschiedlich schnell und benötigt andere Lehrmethoden, um bestmöglich gefördert werden zu können. 

Bei matched.io hatte ich regelmäßige Gespräche mit der Mitgründerin, die von Beginn an versucht hat, mir basierend auf meinen Stärken, Interessen und Zielen, Aufgaben und Projekte zuzuteilen, die mich herausfordern, an denen ich wachsen kann und dabei Freude habe. 

Auch Schüler:innen brauchen eine selbstgewählte Ansprechperson die regelmäßig Gespräche mit ihnen führt, um zu verstehen, was in ihnen vorgeht und was die nächsten logischen Schritte sind, um Schüler:innen bestmöglich und individuell zu fördern. So findet man die Ziele oder eine Richtung, die Schüler:innen bislang fehlt. 

Das Ziel, das von Anfang an gepredigt wird, sind gute Noten. 

Noten stellen immer eine extrinsische Motivation dar. Zusätzlich werden Fehler in dem Zusammenhang als etwas Schlechtes dargestellt, weshalb sie nicht hinterfragt, sondern verdrängt werden. 

Besser ist eine offene Fehlerkultur, wie bei matched.io, in der Verbesserung belohnt wird. Ganz nach dem Motto „Try. Fail. Learn. Repeat.“

In keinem Fach lernt man etwas über sich selbst. 

Selbstreflexion und persönliche Zielsetzung sind Fähigkeiten, die unfassbar wichtig sind, um die eigene intrinsische Motivation zu finden. Nur damit kann man berufliche und private Ziele erreichen und gleichzeitig Freude dabei haben. 

Deshalb braucht es in einzelnen Klassenstufen ein neues, unbenotetes Pflichtfach, in dem diese Themen in Form von „Coachings“ an die Schüler:innen herangetragen werden. 

Die meiste Arbeit in Startups, aber auch in anderen Unternehmen, besteht aus Projekt- und Teamarbeiten. 

Individuelle Arbeitsweisen sind in Lehrplänen kaum vorgesehen.

Es braucht fächerübergreifende Projekte. Die „echte Welt“ ist nicht in Mathematik, Wirtschaft, Englisch und Geologie aufgeteilt. 

Die Welt wird komplexer und alles ist miteinander verflochten. Stichwort Globalisierung und Klimawandel. 

Das Schulsystem der Zukunft soll glückliche, selbstreflektierte Menschen hervorbringen

Was es braucht, sind also individuelle Betreuung, eine gesunde Fehlerkultur, ein Fach, das die Fähigkeit zur Selbstreflexion vermittelt, und fächerübergreifende Projekte. Dann würden wir kritisch und ganzheitlich denkende, glückliche und junge Erwachsene aus unserem Schulsystem hervorbringen. 

Die Idee und ihre Umsetzung scheitert vor allem daran, dass die meisten Entscheidungsträger:innen selbst nie mit agilen Arbeitsweisen und flachen Hierarchien, wie sie vor allem in Startups, wie matched.io, vorkommen, gearbeitet haben. Außerdem fehlen zur Umsetzung noch immer finanzielle und personelle Ressourcen. 

Mein Appell geht daher einerseits an die Bildungsministerien, die sich bei zukünftigen Entscheidungen von den fortschrittlichen Arbeitsweisen in Startups inspirieren lassen sollten. Andererseits können ambitionierte Schüler:innen, Lehrkräfte und Eltern an ihren Schulen einzelne der oben genannten Punkte anführen, um so Stück für Stück ein zukunftsfähiges Schulsystem aufzubauen.

Im nächsten Gastbeitrag von Lisa Steinhauser geht es darum, weshalb wir mehr Frauen in technischen Berufen brauchen und welches Sprichwort sie persönlich schon oft dazu ermutigt hat, scheinbar unerreichbare Dinge anzugehen. Der Artikel erscheint am Montag, den 14. Juni.

Lisa Steinhauser ist Teilnehmerin des technischen Studienorientierungs- und vorbereitungsjahres „proTechnicale“. In diesem Rahmen machte sie ein Praktikum beim HR Tech-Startup „matched.io“, wobei sie ihre ersten Berufserfahrungen sammelt. 

Lisas Ziel ist es, später einmal selbst ein Tech-Startup zu gründen, mit dem sie gesellschaftliche oder Umweltprobleme lösen kann. Für ihr Engagement und Interesse wurde sie im Jahr 2019 mit dem „Top Talents under 25“-Award ausgezeichnet.

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