Green & Sustainability Mit der Baumfeldwirtschaft zur klimagerechten Landnutzung

Mit der Baumfeldwirtschaft zur klimagerechten Landnutzung

Als Philipp Gerhardt acht Jahre alt wurde, bekam er ein Lego-Set geschenkt. Ein Geschenk, über das sich die meisten Kinder sicher gefreut hätten. Doch Gerhardt lehnte die Lego-Steine ab. Begründung: Dafür würden zu viele Erdölressourcen verbraucht werden. „Ich hatte extrem früh ein Bewusstsein für den Klimawandel“, sagt Gerhard heute.

„Ich habe mich schon in den 90er-Jahren mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt. Ich wollte mein Leben ändern und habe mich deshalb für ein Studium der Forstwissenschaften entschieden.“ An der TU Dresden machte Gerhardt also sein Diplom, an der Universität für Bodenkultur in Wien begann er anschließend, seine Dissertation zu schreiben. Sein Schwerpunkt: integrative Landnutzungsstrategien.

Keyline-Design und Agroforst

Heute lebt Gerhardt in Brandenburg und schafft von dort aus neue Konzeptionen für eine klimagerechte Landnutzung. Systeme, die für die Menschen ertragreiche Nahrung liefern und die gleichzeitig Boden aufbauen, um die biologische Vielfalt zu wahren. Seine zwei wichtigsten Systeme sind das sogenannte Keyline-Design und die Agroforstwirtschaft, auch Baumfeldwirtschaft genannt.

Bei seinem Keyline-Design geht es darum, das Wasser in der Landschaft zu halten. Geschickte Gefälle sollen genutzt werden, um das Wasser weiterzuleiten. „Dieses System ist ein wichtiger Hebel, um den Klimawandel zu besiegen“, sagt Gerhardt. Klar, bei den langen Dürren und vertrockneten Ackerkulturen der letzten Jahre spielt die Sicherung von Wasser eine extrem wichtige Rolle.

Philipp Gerhardt ist Naturfreak, Forstwirt, Coach
und Berater in Brandenburg. Foto: privat

Doch das ist nicht alles. Gerhardt erklärt, worum es sich bei Agroforstwirtschaft auch handelt: „Agroforstwirtschaft ist die Kunst, Bäume und Landwirtschaft zu kombinieren. Es geht darum, auf Ackerbau oder auf Weidewiesen Bäume zu integrieren.“ Nehmen wir ein simples Beispiel: Es gibt in Brandenburg Ackerflächen von 100 Hektar Größe. Wenn man auf eine dieser Flächen alle 60 Meter einen Pappelstreifen pflanzt und alle zehn Jahre erntet, werden auf Dauer zehnmal so viele Pflanzen- und fünfmal so viele Insektenarten im Vergleich zu heute entstehen.

„Bäume in der Landwirtschaftsfläche bedeuten riesiges Potenzial“, sagt Gerhardt. Sie zu pflanzen stehe nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Zudem würden Agroforstsysteme die Regenwahrscheinlichkeit erhöhen und die Temperatur in Mitteleuropa durch Verdunstung und Wolkenbildung auf Dauer senken können.

„Wir hatten in Brandenburg in einem Fall 16 Prozent Ertragssteigerung auf dem Ackerbau.“

Seine älteren Projekte zeigen tatsächlich schon Wirkung, sagt Gerhardt: „Wir hatten in Brandenburg in einem Fall 16 Prozent Ertragssteigerung auf dem Ackerbau, nur weil wir diesen mit Bäumen bepflanzt haben.“ Seine Systeme bietet Gerhardt einzelnen Betrieben, regionalen Gemeinschaften und Unternehmen im Bereich nachhaltige Landnutzung an. Nahezu in allen Bundesländern Deutschlands sowie in der Schweiz kam Gerhardts Agroforstsystem bereits zum Einsatz.

Der Prozess läuft dabei folgendermaßen ab: Gibt es einen Interessenten, führt Gerhardt eine digitale Erstberatung mit ihm durch. Dafür benötigt Gerhardt Luftbilder und Bodenkarten der jeweiligen Fläche. Dann muss die Ausgangslage geklärt werden: Wie groß sind Fläche und Betrieb? Gibt es vorab konkrete Vorstellungen? Welche Kapazitäten stehen zur Verfügung?

Zum unternehmerischen Lebensprojekt

Es folgt eine Art Coaching, das auf zwei Arten funktioniert: Entweder klärt Gerhardt über das Verfahren auf, stellt die Werkzeuge zur Verfügung, und diw Kund:innen bauen das System selbst auf – oder der Plan wird Schritt für Schritt von Gerhardt selbst vor Ort durchgeführt.

Noch ist Gerhardt mit seinen Projekten als Freiberufler im Einsatz. Doch nicht mehr lange, sagt er: „Ich bin lange ein Einzelkämpfer gewesen und habe mir die Projekte in den ersten Jahren querfinanziert. Auch jetzt mache ich den großen Teil noch ehrenamtlich. Das will ich ändern.“ Dafür bildet der Forstwirt jetzt drei Trainees aus, die perspektivisch mit in das Unternehmen einsteigen sollen, das Gerhardt Ende dieses Jahres gründen will.

Aus einer Haltung, die in den 90ern mit verschmähten Lego-Steinen begann, wird nun, viele Jahre später, das unternehmerische Lebensprojekt.


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