Leadership & Karriere Kolumne: Warum Taten in der Unternehmenskultur mehr Macht haben als Worte

Kolumne: Warum Taten in der Unternehmenskultur mehr Macht haben als Worte

von Nico Rose

Catchy, weil’s wahr ist: Unternehmenskultur frisst Post-its zum Frühstück. Unser Kolumnist Nico Rose über die Macht von Taten statt Worten.

Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Dieses Bonmot gilt auch für die Unternehmenskultur. Spätestens, wenn die Zahl der Mitarbeiter:innen eine mittlere zweistellige Ausprägung erreicht hat, sollte man sich als Gründer:in bewusst Gedanken um dieses diffizile Thema machen. Bis zu diesem Punkt ist die Kultur im Grunde das, was „alle den ganzen Tag so machen“. Doch wenn man gewisse Dinge nicht dem Zufall überlassen will, braucht es fortan mehr intentionale Beschäftigung mit diesem Sujet.

Die Kultur eines Unternehmens ist das, was wir in der Organisationspsychologie als „emergentes Phänomen“ bezeichnen: Man kann sie nicht so recht (an)fassen, und sie ist auch kaum auf das Handeln einzelner Personen zurückzuführen. Alle Beteiligten (re)kreieren die Kultur gemeinschaftlich jeden Tag aufs Neue, wobei den handelnden Personen ein Großteil dieser Dynamiken gar nicht bewusst wird. Deshalb ist es auch so schwierig, Unternehmenskulturen bewusst zu verändern. Ganze Brigaden von Change-Managern und Kulturwandel-Teams haben sich daran schon die Zähne ausgebissen.

Der kapitalste Fehler liegt darin, dass man versucht, die Kultur direkt zu ändern, indem man über sie spricht, quasi eine andere Kultur herbeireden möchte. Viele Unternehmen veranstalten dazu Workshops und schreiben dann wort- und post-it-gewaltig auf, wie sie kulturell betrachtet im besten Fall gerne wären. Doch es ist ein wenig wie mit den Zehn Geboten: Die allerwenigsten von uns werden zu Mörder:innen, doch die anderen neun Gebote missachten wir im Niveau-Limbo des Lebens hin und wieder. So verhält es sich auch mit der Wunschkultur: Man begibt sich sehenden Auges auf ganz dünnes Eis, weil nicht wenigen die Diskrepanz zwischen den intendierten Kulturausprägungen und ihrem tatsächlichen Erleben wie Zynismus vorkommt.

Wenn man Kultur also kaum direkt verändern kann, welche Hebel gibt es stattdessen? Hier drei Anregungen. Du bekommst …

1. … die Kultur, die du bezahlst

Bitte hundertmal aufschreiben: Mitarbeiter:innen sind nicht doof. Mitarbeiter:innen sind nicht doof. Mitarbeiter:innen sind … Erfahrungsgemäß wissen Unternehmen nicht, welches Kulturverhalten sie mit ihren Zielvorgaben und Vergütungssystemen incentivieren. Da wird dann beispielsweise propagiert, dass die bereichsübergreifende Zusammenarbeit gestärkt werden soll. Ein Blick in das Zielsystem offenbart allerdings, dass ein jeder nur für seinen persönlichen Erfolg oder den des eigenen Teams (gesondert) belohnt wird. Wenn Kooperation gefordert, aber Individualismus gefördert wird, dann gewinnt … wie gesagt: Mitarbeiter:innen sind nicht doof.

2. … die Kultur, die du „regelst“

Gemeinhin wird überschätzt, wie stark unser Handeln von Intentionen abhängt. Gleichzeitig wird unterschätzt, wie dezidiert unser Tun von Regeln und Strukturen geleitet ist. Nicht wenige Organisationen schreiben in ihren Kulturmanifesten beispielsweise etwas von Vertrauen oder Empowerment. Gleichzeitig zeigt sich, dass viele Prozesse dort genau solche Aspekte der Kultur effizient verhindern. Beispiel: Ein klassischer Mechanismus zur Kontrolle von Geldströmen im Unternehmen sind die Zeichnungsrechte: Wie viel Euro darf jemand im Alleingang ausgeben, wie viele Menschen müssen abzeichnen? Ein echter Schritt in Richtung einer (ausgeprägteren) Vertrauenskultur hieße, auf allen Stufen den Betrag zu erhöhen, den jede und jeder ohne zweites Augenpaar über den Äther jagen kann.

3. … die Kultur, die du vorlebst

Wasser predigen und Wein trinken: Wenn das eine gesagt, aber das andere getan wird, zieht das umso weitere Kreise, je höher die Person in der Hierarchie angesiedelt ist. Für den Einfluss auf die Kultur gilt eindeutig: Taten schlagen Worte. Das nicht kulturkonforme Verhalten der Führungskräfte legitimiert implizit das nicht kulturkonforme Verhalten der weiteren Mitarbeiter:innen. Diese Legitimation durch die Macht des Faktischen pulverisiert jedes Leitbild schneller, als man OKR sagen kann.

Bonustipp: Expert:innen gehen davon aus, dass ein umfassender Kulturwandel – bis hin zu greifbaren Ergebnissen – mindestens fünf Jahre benötigt. Bei einem Startup, das noch keine konzernhaften Dimensionen angenommen hat, mag es vielleicht ein wenig schneller vorangehen. Trotzdem: Wenn dir nicht gefällt, was du siehst, dann fängst du besser heute als morgen an, dich zu kümmern.

Nico Rose: Der Heavy-Metal-Fan ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der ISM in Dortmund. Davor hat er High Potentials zu Bertelsmann gelockt. Seit 2008 coacht er zudem Menschen auf ihrem Weg zu mehr Erfolg und Zufriedenheit.

Im Dossier der vierten Ausgabe beschäftigen wir uns mit dem Thema Sales & Retail. Mit Blick auf unsere Titelgeschichte sei gesagt: Wir brauchen eine OnlyFans-Strategie! Außerdem ist es eine sehr musik- und kunstlastige Ausgabe geworden: Drangsal, Kool Savas, Ju Schnee, Simon Lohmeyer, Rapperin Little Simz – alle dabei. Dies und noch viel, viel mehr gibt es am Kiosk eures Vertrauens – oder wie immer hier im Aboshop.

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