Life & Style Little Simz: Wie die Rapperin es als Introvertierte nach ganz oben schafft

Little Simz: Wie die Rapperin es als Introvertierte nach ganz oben schafft

Business School of Rap: Little Simz verbindet Old-School-Flows von Lauryn Hill und die Vibes von M.I.A. mit der Angriffslust des britischen Grime – und hat es so als introvertierte Frau im Rap-Biz bis ganz nach oben geschafft. Was lässt sich sonst noch von der Gastprofessorin dieser Ausgabe lernen? Lassen wir den Star selber in sieben knackigen Lektionen zu Wort kommen, worauf man beim Karrierebasteln bauen sollte

• Lektion 1: Stolz ja, Arroganz nein

„Angel said: ,Don’t let you ego be a disturbance‘ / Inner demon said: ,Motherfucker, you earned this‘“ (aus „Introvert“). Wer, wie Little Simz, weder in die Oberschicht hineingeboren wurde noch aus einer Mittelschichtsfamilie stammt, wo es immerhin Wege und Möglichkeiten aufzusteigen gibt, kennt das Dilemma: Hier der Stolz, dass man es trotz aller Widrigkeiten geschafft hat – da die Demut, weil man ja intuitiv ahnt, dass Hochmut vor dem Fall kommt. Und man schon so viele Aufsteiger und Neureiche über ihr Ego hat stolpern sehen.

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Little Simz aber hat Engel und Teufel unter Kontrolle, schon deshalb, weil sie als selbst ernannte Introvertierte viel Zeit mit sich selbst verbringt und reflektiert, wie sie erzählt: „Ich bleibe für mich, kümmere mich um meine Angelegenheiten – und bin sehr entspannt“, sagt Little Simz, die bürgerlich Simbiatu Ajikawo heißt und deren Familie aus Nigeria stammt. „Aber ich bin trotzdem bis heute sehr selbstbewusst.“ Diese Balance zwischen Zufriedenheit und Hunger, zwischen Stolz und dem Wissen um die eigene Fehlbarkeit zu bewahren ist zwar noch kein Erfolgsrezept. Aber eine gute Absicherung gegen Misserfolg.

• Lektion 2: Alles ist das Team

„I just wanna do this all for my people, fuck the rest / Give you realness every time, nothing more, nothing less“ (aus „Wings“). Auch wenn sich Little Simz in ihren Lyrics oft als Einzelkämpferin und einsame Seele beschreibt, arbeitet sie hinter den Kulissen mit einem engen Team langjähriger Freunde zusammen. „Meine Freunde haben mich wirklich immer unterstützt und ermutigt und mir den Rücken gestärkt“, sagt Little Simz. „Es ist sehr schön, die kontinuierliche Unterstützung zu haben.“

Entsprechend ist aus Little Simz’ ursprünglicher Crew, Space Age, zu der auch Josh Arcé und Chuck 20 gehörten, seit zehn Jahren ihr Freund Tilla an ihrer Seite, als Mitarbeiter und Backgroundsänger. „Er hat mir von Anfang an den Rücken gestärkt und war einfach immer ein großartiger Unterstützer“, sagt Little Simz heute über Tilla. „Er hat mich, und ich habe ihn gestützt, ich glaube, wir tun das füreinander.“ Aber natürlich ist Tilla, der für Little Simz auch als Assistent arbeitet, wie sie erzählt, bis heute auch Sänger und Musiker geblieben – auf den Tracks „Zone 3“ und „Poison Ivy“ vom Album „Stillness in Wonderland“ kann man ihn jeweils im Refrain hören.

• Lektion 3: Fokus, Fokus, Fokus

„Can’t wait to look at you and tell you that I made it (…) / Good things come to the people that wait and I waited / Tell me, do you believe the quote above I stated? Nobody handed me a dream, I had to chase it“ (aus „Wings“). Über eine Landkarte erreicht man kein Ziel, man muss schon losgehen, sagt ein altes Sprichwort. Aber nicht bloß einfach losgehen. Sondern all-in sein. „Ich bin einfach sehr leidenschaftlich“, sagt Little Simz über ihre Art zu arbeiten. „Wenn Menschen das tun, was sie lieben, holen sie das Beste aus sich heraus.“ Dazu gehört laut der Rapperin aber auch, dass man bei allem Ehrgeiz, Antrieb und Fokus rücksichtsvoll mit sich selbst umgeht. „Jeder ist immer noch ein Mensch, und das bedeutet, dass manchmal Fehler passieren, ist einfach so. Doch solange die Bereitschaft da ist, immer weiterzumachen, Liebe und Energie in die Arbeit zu stecken, um gut zu sein, wird man am Ende immer ein gutes Ergebnis erzielen.“

• Lektion 4: Ora et labora

„In tune, with myself on it, my mind is my weakness / With your strength, you might surprise yourself / Never deny yourself, I live in the space is my thesis“ (aus „Garage Palace“ feat. Gorillaz). Erfolg, sagt man, ist nur der sichtbare Teil von harter Arbeit. „Ich mache das alles schon so lange und habe so hart daran gearbeitet“, sagt Little Simz über ihre Musik und ihre Hits. Ihr Trick? „Man muss daran glauben, dass man talentiert ist – und bereit sein, sich anzustrengen und besser zu werden.“

Es ist wie Yin und Yang: Ohne Selbstbewusstsein und Ehrgeiz hilft das größte Talent überhaupt nichts. Und ohne Talent und harte Arbeit ist ein übergroßes Ego einfach nur lächerlich und peinlich. Als Rapperin weiß Little Simz, was sie da sagt: Jede Ansage, jeder überzogene Vergleich ist wie ein Bluff auf dem Zehn-Meter-Brett. Wenn man nicht wirklich bereit ist zu springen, wenn’s darauf ankommt, sollte man die Klappe nicht zu weit aufreißen. Aber Little Simz kann beides: Die Klappe aufreißen. Und dann auch springen.

• Lektion 5: Grenzen aufzeigen

„Never been a dickhead in life, don’t ever try me / Don’t get it confused ’cause I’m humble and I’m quiet / Loud niggas step into Simz and get silenced / I ain’t gotta say how but it don’t involve violence“ (aus „Backseat“). Ob im Business oder der Kunst, noch immer nehmen die Lauten den allermeisten Platz ein und machen meist die Regeln. Aber das muss so nicht sein, sagt Little Simz. Im Gegenteil: Weder muss man sich nach den Lautstarken richten, noch muss man selbst zu einem dieser „Dickheads“ werden, um erfolgreich zu sein oder gesehen zu werden.

Auch demütig und leise, sagt Simz, kann man seinen Weg gehen. Man darf sich nur nichts gefallen lassen und kann auf eigene Art die Lautstarken von ihrem Podest holen. „Entschuldige dich nicht dafür, dass du dich nicht anpassen wirst und nicht so sein willst wie die anderen“, sagt die Rapperin. „Das ist total in Ordnung. Sei einfach geduldig mit dir selbst, und gib dir selbst Liebe, und es wird dir gut gehen.“ Little Simz’ Message für alle Introvertierten? „Ihr sind genauso stark und mächtig und müsst nicht die Lauteste im Raum sein, um präsent zu sein!“

• Lektion 6: Lob dich selbst

„The biggest phenomenon and I’m Picasso with the pen (…) Figured I should say some’, but you don’t wanna hear me vent“ (aus „Offence“). Das Problem mit dem Aufstieg ist ja dieses: Auf dem Weg nach oben kommt man erstens nie wirklich an. Es gibt zweitens keine Pausen und keine Plateaus. Denn wenn „the sky’s the limit“, dann geht es immer weiter und weiter und weiter. Und während man das beklagen, aber nicht ändern kann, ist es umso wichtiger, sich selbst etwas Zeit zu nehmen und anzuerkennen, wo man hergekommen ist, was man geschafft hat, und daraus Stolz und Kraft zu ziehen, sagt Little Simz.

„Ich versuche, mir unterwegs einen Moment Zeit zu nehmen, um all das anzuerkennen und mir selbst ein wenig auf die Schulter zu klopfen. Denn es ist leicht, nach einem Erfolg einfach abzuschalten und die großartigen Dinge, die man getan hat, nicht weiter anzuerkennen, weil man einfach schon so sehr auf die nächste Aufgabe konzentriert ist.“ Das größte Phänomen, Picasso mit einem Stift? Wenn dir das Kraft gibt, das so zu sehen, sieh es so. Und nutze die Kraft für das nächste Level. „Es ist großartig zu wissen, dass das hier mein viertes Album ist und ich immer noch hier bin. Unverblümt und mir selbst treu. Allein das fühlt sich schon wie Erfolg an.“

• Lektion 7: Eigene Regeln zählen

„Rejected the dotted line but not the pen / Invested in myself, that was money well spent“ (aus „Boss“). Wenn man beruflich oder künstlerisch Erfolg hat, gibt es immer diesen einen kniffeligen Übergang: In Phase eins gilt es zu verstehen und zu lernen, wie die Dinge ganz grundsätzlich funktionieren, Fehler machen, hart arbeiten und innerhalb der jeweiligen Regeln möglichst gut vorankommen.

Und dann kommt die Wende zu Phase zwei: Die Regeln brechen, die Enge verlassen, eigene Regeln aufstellen. Nicht ganz einfach: Wenn man zu früh ausschert, wenn man noch nicht gut genug ist, wirkt es schnell, als habe man das Game nicht verstanden und nie beherrscht. Wenn man aber zu lange nur reproduziert, wird man auch fix zum Mitläufer – und öde. Little Simz, die schon seit 30 Jahren von der immer gleichen Realness-im-Rap-Debatte verfolgt wird, hat sich erst hochgearbeitet und dann locker gemacht: „Was auch immer ich in diesem Moment tue, will ich ohne das Gefühl machen, dass jemand über mich urteilen wird“, sagt Little Simz. „Das ist mein Vibe für das Leben: alles zu meiner Zeit, in meinem Tempo. Einfach, weil ich es will.“

Im Dossier der vierten Ausgabe beschäftigen wir uns mit dem Thema Sales & Retail. Mit Blick auf unsere Titelgeschichte sei gesagt: Wir brauchen eine OnlyFans-Strategie! Außerdem ist es eine sehr musik- und kunstlastige Ausgabe geworden: Drangsal, Kool Savas, Ju Schnee, Simon Lohmeyer, Little Simz – alle dabei. Dies und noch viel, viel mehr gibt es am Kiosk eures Vertrauens – oder wie immer hier im Aboshop.

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