Leadership & Karriere Interview: Müssen Führungskräfte auf Social Media heutzutage sichtbar sein?

Interview: Müssen Führungskräfte auf Social Media heutzutage sichtbar sein?

Mittlerweile haben viele Menschen ein Alter Ego von sich auf Social Media, das sie auf einer Plattform ihrer Wahl voll und ganz ausleben. Egal, ob Privatpersonen, Unternehmen oder Influencer:innen – Inhalte mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren ist Daily Business. Doch gilt das auch für Führungskräfte? Schließlich lauern neben Likes auch Shitstorm und Hate Speech auf Social Media.

Wie, wo, was und warum Führungskräfte auf Social Media präsent sein sollten, hat uns Brian O’Connor beantwortet. Er ist Co-Gründer und Partner von rethink, einer Digitalagentur aus Berlin, die Marken hinsichtlich ihrer Social-Media-Strategie und Kommunikation berät.

Brian, auf Linkedin gibt es bereits die Top-Voices. Müssen Führungskräfte auf Social Media heutzutage sichtbar sein?

Ein ganz klares Ja. Die Menschen haben immer häufiger das Bedürfnis, sehr genau wissen zu wollen, was für eine Person das eigentlich in der Chef:innenetage ist. Wer genau ist Herbert Diess? Wer ist Tim Höttges? Wer ist Tina Müller? Was treibt sie an? Wie wollen sie die gesellschaftlichen Herausforderungen mit ihren Unternehmen anpacken und wie führen sie die hunderttausende Mitarbeitenden? Dieses Informationsbedürfnis sollte gestillt werden. Eine authentische Präsenz auf Plattformen wie Instagram und LinkedIn hat den Vorteil, eben jenes Bedürfnis zu befriedigen und die Führungskräfte nicht nur als Markenbotschafter:innen, sondern auch als Menschen erlebbar und nahbar zu machen.

Wichtig ist dabei, dass sowohl Mitarbeitende als auch Investor:innen und die allgemeine Öffentlichkeit wirklich verstehen, warum die CEOs in sozialen Medien kommunizieren und welche Werte sie antreiben. Niemand baut auf Social Media ein großes Publikum auf, ohne Persönlichkeit zu zeigen. Das ist ein wichtiger Bestandteil großartiger Social-Media-Kommunikation.

Zur Social-Media-Präsenz: Abhängig vom Unternehmen oder auch unabhängig vom Unternehmen als Privatperson?

Hier gilt die klassische Jurist:innen-Antwort: Es kommt darauf an. Auf LinkedIn ist die Verknüpfung mit dem Unternehmen natürlich immanent. Das ist ja auch der Sinn eines Karriere-Netzwerkes. Auf Plattformen wie Facebook, Instagram, Twitter und TikTok spielt das Unternehmen hingegen keine vergleichbar große Rolle. Dort kann es unter Umständen Sinn ergeben, vor allem als Privatperson präsent zu sein. 

Auf welchen Plattformen sollten Chef:innen ein Profil haben?

Für Führungskräfte ist es ratsam, vor allem dort sichtbar zu sein, wo sich die eigenen Mitarbeitenden und die Kund:innen aufhalten. Für das eine Unternehmen kann das in erster Linie Facebook sein, für ein anderes LinkedIn. Plattformen wie TikTok und Instagram sind zwar vor allem visuell und bedienen eine sehr junge Zielgruppe, da diese Plattformen aber immer größer werden, tun sich dort auch für CEOs erhebliche Potenziale auf, um Agenda Setting zu betreiben. Ein perfektes Beispiel dafür ist das gemeinsame Selfie der FDP und den Grünen kurz nach der Bundestagswahl. 

Gibt es eine Plattform, die ein absolutes No-Go ist, außer OnlyFans wahrscheinlich?

Ich denke nicht, dass es eine Plattform gibt, die ein absolutes No-Go ist. Klar, OnlyFans ist eine Plattform mit beachtlichem Wachstum und vor allem für Influencer:innen im Erotik-Bereich relevant. Für den CEO von Pornhub wäre das doch die ideale Plattform. Allerdings haben die Betreiber:innen neulich signalisiert, dass sie ihr Schmuddel-Image zumindest ein Stück weit loswerden wollen. Wer weiß: Vielleicht ist OnlyFans in drei Jahren dann das neue Instagram. 

Instagram vs. Linkedin: Angenommen eine Führungskraft äußert sich zum Thema Nachhaltigkeit. Wie muss ein gelungener Post auf Instagram aussehen, wie auf Linkedin?

Dafür gibt es leider kein Patent-Rezept. Zum Glück, sonst würden alle Postings gleich aussehen. Und das wollen wir doch nicht. LinkedIn bietet sich dafür an, seine Gedanken – beispielsweise zum Thema Nachhaltigkeit – in aller Ausführlichkeit zu artikulieren. Volkswagen-CEO Herbert Diess etwa hat diese Möglichkeit vor wenigen Tagen genutzt, um seine Rede „Dekarbonisierung als Chance” auf der IAA im exakten Wortlaut seinen Follower:innen verfügbar zu machen.

Auf Instagram – die Plattform lässt sich aufgrund des immensen Wachstums nicht mehr ignorieren – wäre dieses Vorgehen natürlich ungeeignet. Ein Instagram-Post muss in erster Linie „eye-catching“ sein, also durch einen starken visuellen Reiz überzeugen. Die Kommunikations-Experte:innen von US-Präsident Joe Biden machen das sehr gut und erschaffen regelmäßig visuell ansprechende und leicht konsumierbare Inhalte.

Personalisierung ist eine bewährte Strategie. Wieviel Privates sollten Chef:innen teilen?

Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Und vor allem eine gute Mischung. Wenn Chef:innen in sozialen Medien nur über neue Aufträge oder die jüngsten Erfolgs-Bilanzen sprechen, dann wird’s für das Publikum sehr schnell langweilig. Auf der anderen Seite macht man sich als Führungskraft natürlich auch angreifbar, wenn zu viel Privates gepostet wird. Am Ende ist die goldene Mitte richtig.

Wie müssen sich Chef:innen auf Social Media positionieren, um nicht in Shitstorm-Fallen, peinliche Situationen oder ähnliches zu geraten?

Zwei Dinge sind meiner Ansicht nach besonders wichtig. Erstens: ein Gespür dafür, wie man mit Sprache umzugehen hat. Also zum Beispiel eine inklusive Sprache wählen, die niemanden ausschließt oder verletzt. Zweitens: ein möglichst breites Wissen über die Themen, die derzeit politisch, gesellschaftlich und sozial kontrovers diskutiert werden. Das minimiert die Chance, in Fettnäpfchen zu treten.

Außerdem ist meiner persönlichen Erfahrung nach Humor ein echtes Problem in den sozialen Medien, da er oft auf eine spaltende Art und Weise verwendet wird, die große Teile des Publikums wirklich verwirren kann. Ich persönliche plädiere für mehr „Serious Social Media”, also für mehr Ernsthaftigkeit in den sozialen Medien, statt mit Humor billigen Likes hinterherzujagen.

Welchen Gewinn hat es für das Unternehmen, wenn Chef:innen sich auf Social Media präsentieren?

Wie zu Beginn erwähnt, werden Führungskräfte durch eine authentische Präsenz in sozialen Medien auch als Mensch erlebbar, etwa durch ein Selfie beim Joggen mit dem Hund oder durch ein Video beim Wandern im Schwarzwald. Diese gewonnenen Sympathien strahlen auch auf das mit der Führungskraft verbundene Unternehmen ab. Im besten Fall lockt das neue Kund:innen an und stärkt die Employer Brand – nicht selten werden Talente auf ein Unternehmen über die Präsenz der CEOs auf Social Media aufmerksam. Menschen interessieren sich für Menschen, nicht für Dinge. Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben.

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