Female Entrepreneurship „Wenn man resilient ist, kann man das Machbare vom Unmöglichen unterscheiden“

„Wenn man resilient ist, kann man das Machbare vom Unmöglichen unterscheiden“

Gegründet hat Heide Straub mit ihrem Mann in Zeiten, in denen es nicht selbstverständlich war, dass Frauen sich selbstständig machen. In den 70er-Jahren riefen sie die ComTeam AG ins Leben, eine Academy für Coaching. Heute blickt Straub auf 47 Jahre Karriere als Unternehmensinhaberin und Coachin zurück, setzte sich schon für Frauen ein und arbeitet weiterhin ehrenamtlich einmal die Woche in ihrem Beruf.

Wir haben mit Straub über progressives Denken gesprochen, was eine gute Führungskraft ausmacht und haben nach Ratschlägen für junge Frauen gefragt.

Liebe Heide, wie schafft man es, so lange in einem Job glücklich zu sein?

Indem man immer wieder frisch bleibt und hinterfragt, ob Aufgabenbereiche noch zu einem passen oder man etwas anderes mittlerweile besser kann.

Und auch ganz wichtig: Sich selbst in dem Fachbereich immer auf den neuesten Wissensstand zu bringen. Man muss sich aber auch Auszeiten nehmen. Ich habe mit der Zeit gelernt, dass die Termine mit meinen Freundinnen genauso wichtig sind, wie berufliche Termine. Da muss man dann eben auch mal seinen Kunden und Kundinnen absagen.

Wie bist Du damals dazu gekommen zu gründen?

Mein Mann war als Berater viel unterwegs und ich war in München. Wir wollten Kinder. So kam die Idee auf, uns mit einem Beratungsunternehmen gemeinsam selbstständig zu machen, damit wir Familie und Beruf zusammenbringen können.

Ich wurde oft gefragt, wieso ich denn berufstätig sei, obwohl ich Kinder habe? Mein Mann bekam solche Fragen nicht zu hören.

Klingt aus heutiger Sicht pragmatisch.

Es war in den 70er-Jahren noch sehr ungewöhnlich. Viele in meinem Umfeld waren skeptisch, dass ich mit meinem Mann zusammenarbeiten möchte. Ich fand es aber sehr normal. Mich hat es daran erinnert, dass es schon traditionelle Formen dafür gab. Auf Bauernhöfen zum Beispiel oder in Handwerker-Familien. In Speditionen haben ebenfalls Frauen gleichberechtigt mitgearbeitet.

Wenn es ungewöhnlich war, wurdest du dann Ernst genommen?

Ich wurde oft gefragt, wieso ich denn berufstätig sei, obwohl ich Kinder habe? Mein Mann bekam solche Fragen nicht zu hören.

Ich hatte auch einmal ein Erlebnis in den 80er-Jahren: Mein Mann und ich haben Vorstandsklausuren für Vorstände und Geschäftsführer moderiert. Das waren reine Männergremien. Wir hatten ausgemacht, dass ich die erste halbe Stunde übernehme und er sich im Hintergrund hält, damit die Vorstände mich kennenlernen können.

Als es zum Essen ging, saß ein Vorstandsvorsitzender neben mir und unterhielt sich mit mir über die Kinder und mit meinem Mann über Arbeit und Wirtschaft. Mein Mann sagte dann irgendwann zu ihm: „Sie können mit mir auch über die Kinder reden”.

Starke Geste.

Ich habe das damals so erlebt, dass es in der Zeit Männer gebraucht hat, die an meiner Seite standen und mich auch gefördert haben, um anderen Männern aufzuzeigen, dass auch Frauen all das können. Vielleicht ist es heute auch immer noch ein Thema, dass Frauen nicht nur weibliche, sondern auch männliche Fürsprecher brauchen, die auf ihrer Seite sind, weil manche Kollegen dann doch mal mehr auf Männer hören.

Woher glaubst du kam euer progressives Denken?

Ich glaube, dass mein Mann und ich noch sehr von der 68er-Bewegung geprägt waren. Da war Basisdemokratie ein großes Wort. Deswegen haben wir auch unser Team in alle Entscheidungen miteinbezogen. Im Laufe der Jahre haben wir aber dann gelernt, dass es nicht bei allen Themen geht und manche Entscheidungen nur von der Geschäftsführung getroffen werden sollten.

Das klingt nach dem heutigen New Work. Hast du noch weitere Sachen umgesetzt, die damals fortschrittlich waren?

Als wir im Jahr 83 das Hotel eröffnet haben, habe ich dafür die Führung übernommen. Mir war von Anfang an wichtig, dass die Frauen in der Küche nicht nur dem Koch zuarbeiten, sondern eigenständige Gebiete beim Kochen haben. Eine war für die Salate zuständig, eine andere fürs Backen. Der Koch bestimmte das Menü, die Frauen lieferten Rezepte und gemeinsam stellten sie das Buffett zusammen. Und das musste ich dem Koch beibringen, dass ich das so möchte.

Das war anfangs nicht einfach. Aber da ich glaube, das ist eine Aufgabe als Führungskraft: Man muss dran bleiben und den vorgegebenen Rahmen kontrollieren und prüfen, ob er eingehalten wird.

Was macht für dich eine gute Führungskraft noch aus?

Wo ich mich am meisten wiederfinde, ist im Rahmen der Agilität. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich stelle mich in den Dienst des Teams. Das finde ich sehr wichtig. Ich setze ihm einen Rahmen, in dem sie erfolgreich sein können.

Was eine Führungskraft auch unbedingt braucht ist Selbstreflexion. Sich immer wieder zu fragen: Was mache ich da? Wie mache ich das? Und was ist meine Wirkung von dem, was ich sage? Und was viele Führungskräfte nicht können, ist, ihre Wirkung einzuschätzen. Das erlebe ich im Coaching immer wieder.

Außerdem sollte man als Führungskraft zu dem ganzen Team gute Beziehungen haben und in Kontakt zu bleiben. Jeden Morgen bin ich in die Küche und hab die Mitarbeiter:innen begrüßt und sie gefragt, was an dem Tag ansteht, egal, ob ich eine Veranstaltung hatte oder nicht.

Vor dem Gründen hast du als Ergotherapeutin in einer Psychiatrie gerarbeitet. Was hast du daraus für deinen Job als Coachin gelernt?

Während meiner Zeit als Leiterin von therapeutischen Wohngemeinschaften hab ich viel über Helfen gelernt. Mit 25 war es mein Ziel, die Menschen alle zu retten, weil ich es nur gut meinte. Damit bewirkt man aber oft das Gegenteil. Ich habe gelernt, wo ich loslassen muss, wo ich anderen die Verantwortung nicht nehmen darf und wo und wie ich sie aber auch fördern kann.

Es geht darum, Menschen zu respektieren und auch ehrlich mit Stolpersteinen umzugehen. Das alles habe ich mitgenommen in meine Arbeit als Coachin.

Worin haben sich die Themen, in denen du Frauen beraten hast verändert, im Vergleich zu den 80er-Jahren?

Vieles ist damals wie heute. Hauptthema ist, dass Frauen für sich einstehen.

Ich sage immer: Nehmt all eure Stärken, all euer Potential, all eure Werte und präsentiert sie schön.

Was sich natürlich verändert hat: Frauen in Führungspositionen müssen heutztage auch ältere Menschen führen. Das war in den 70er, 80er und 90er-Jahren überhaupt nicht der Fall. Frauen in Führungspositionen waren zu dieser Zeit kaum vorhanden und der Wandel, dass jüngere Frauen ältere Mitarbeiter:innen geführt haben hat sich erst nach 2000 vollzogen.

Ich coache die Frauen dabei, wie sie damit umgehen können. Mir ist wichtig, dass sie den Älteren mit Respekt und Achtung ihrer Erfahrungen begegnen. Aber ihnen auch klar machen, dass sich die Welt verändert hat. Ich finde ein gutes Prinzip ist, ältere Mitarbeiter:innen zu fragen, was sie in der Vergangenheit gut gemacht haben und das in die Gegenwart zu nehmen, um die Zukunft zu gestalten.

Das bedeutet aber auch, dass man sich in der Gegenwart von manchem aus der Vergangenheit verabschieden muss, weil es keine Relevanz mehr hat oder nicht mehr so wirksam ist.

Schöner Ansatz. Wir können nur von einander profitieren – jung und alt.

Es gibt diese zwei Gruppen: Für die eine ist Veränderung furchtbar. Für die andere ist Veränderung wie ein Glas Champagner, das prickelt. Die freuen sich über Aufbruchstimmung und sind voller Neugierde.

Was denkst du, erwartet uns in Zukunft noch?

New Work und New World. Dass wir noch mehr in Netzwerken und in interdisziplineren Gruppen arbeiten und noch weniger Hieracrhien haben werden. Kreativität könnte da sehr hilfreich sein. Wir haben damals phasenweise auch schon so gearbeitet. Das fand ich sehr beglückend.

Noch weniger Hierarchien?

Man kann schon noch einiges ausprobieren. Natürlich wird es ganz ohne Führungskraft nie gehen, aber in der Agilität gibt es schon Arbeitsformen, in denen die Führungskraft eine ganz andere Rolle halt.

Was ich für künftig auch wichtig finde, dass die Position der Vorstandssitzenden begrenzt werden muss und Aufischtsräte auch nur für eine bestimmte Zeit lang tätig sein können. Die kleben sonst so an ihren Job fest und sind machtversessen. Und ob sie dann noch ihrer Funktion und Verantwortung gerecht werden können, daran habe ich meine Zweifel.  

Welchen Rat würdest du Frauen mit auf den Weg geben?

Resilienz üben. Um es leicht aufzudröseln und konkret zu machen: Wenn man resilient ist, also widerstandsfähig, und gut mit Krisen umgehen kann, dann ist man in der Lage, das Machbare vom Unmöglichen zu unterscheiden. Ich kann meine Grenzen erkennen und ich kann auch erkennen, was ich beeinflussen kann und was nicht.

Der zweite Rat: fachliche und soziale Netzwerke. Sie sind heutzutage so wichtig. Das war früher nicht so. Die sozialen Netzwerke hat man, dass man sich gegenseitig auffängt, Trost spenden kann, aber auch miteinander Erfolge feiert. Die fachlichen Netzwerke, damit man sich inhaltlich austauschen und beruflich füreinander einstehen kann.

Und zuletzt eine gute Steuerberaterin. Jemanden, der oder die ordentlich berät. Darauf aufmerksam macht, wenn da irgendwas in die falsche Bahn greaten könnte oder was man nicht machen soll. Gute Steuerberater:innen sind ein Sicherheitsnetz, damit man sein Geschäft ordentlich betreiben kann.

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