Productivity & New Work Resilienz in Krisenzeiten: Drei Übungen, um einen kühlen Kopf zu bewahren

Resilienz in Krisenzeiten: Drei Übungen, um einen kühlen Kopf zu bewahren

In Krisenzeiten die Coolness und einen klaren Kopf zu bewahren, gleicht einer Meisterleistung. Erst recht, wenn die Krise nicht nach ein paar Wochen überstanden ist, sondern sich wie im Fall von Corona über Jahre zieht. Dann kommen noch mehrere kleine Krisen obendrauf und die Anspannung reicht bis ins Unendliche. Ein einfaches „Wusa“ reicht da zur Entspannung nicht. Da hilft nur ein gutes Maß an Resilienz – und das kann man trainieren. Nicht nur mit Sätzen, sondern auch körperlich.

Wir haben mit Marius Krämer und Hady Daboul von heyvie gesprochen. Sie haben eine App entwickelt, um Resilienz zu trainieren, insbesondere bei Migräne. Im Interview verraten sie ihre Top drei Übungen.

Man hat den Begriff schon oft gehört, aber in a nutshell: Was ist Resilienz?

Resilienz ist unser bounce-back Mechanismus. Im Prinzip beschreibt es die Fähigkeit, wie effektiv wir nach einem einschneidenden Erlebnis auf unser Ausgangsniveau zurückkommen.

Kann ich Resilienz tatsächlich trainieren?

Wir glauben, dass man verschiedene Teilaspekte trainieren kann, um resilienter zu werden. Nehmen wir an, unsere Augen sind durch die Reize des Alltags überfordert. Mit Übungen nehmen wir etwas Stress aus diesem System heraus. Unserem Gehirn steht nun mehr Energie zur Verfügung, um sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Eventuell mehr Energie, um wieder auf unser Ausgangsniveau zurückzukehren.

Bauen wir nun systematisch viele verschiedene Systeme im Körper auf, hat unser Gehirn die Möglichkeiten die frei gewordenen Kapazitäten besser zu verteilen. Das heißt: Wir werden langfristig resilienter.

Was passiert dabei im Körper?

Schauen wir uns das autonome Nervensystem kurz an. Über den Tag befinden wir uns irgendwo auf dem Spektrum zwischen Stress und Entspannung. Dabei ist Stress nicht negativ gemeint. Wir brauchen ein gewisses Level an Stress und Ausschüttung von Stresshormonen, damit wir wach sind und uns konzentrieren können. Wollen wir uns allerdings ausruhen, sollten wir dazu ebenfalls in der Lage sein.

Durch unsere Übung ist der Körper in der Lage, präzise auf Situationen zu reagieren. Wir verfallen nicht so schnell in eine Überreaktion, sondern können adequat reagieren. Es wird genau im richtigen Maße Energie bereit gestellt und wenn die Phase der erhöhten Aufmerksamkeit vorbei ist, sind wir in der Lage die Anspannung loszulassen.

Kurz gesagt: Wenn nötig, ist der Körper in der Lage zu agieren ohne zu Überreaktionen zu neigen. Haben wir die Möglichkeit uns auszuruhen, können wir auch das, ohne eine zusätzliche Anspannung mitzutragen.

Welches sind deine Top drei Übungen, um Resilienz zu trainieren?

Zungendehnung
Der Vagus-Nerv ist einer unserer größten Nerven, die dazu beitragen, Stress zu reduzieren und unser Immunsystem kompetent zu halten. Dieser hat einige Verbindung zu den Nerven, die für unsere Zungenmuskulatur verantwortlich sind. Durch einen Zungenstretch wollen wir diesen Nerven ein wenig aktivieren, dass du dich ruhiger und gelassener fühlst.

Nimm dafür deinen Finger einige 2-3 cm vor deinen Mund. Öffne deinen Mund leicht und versuche mit deiner Zungenspitze deinen Finger zu berühren. Du solltest einen Stretch an der Unterseite deiner Zunge bemerken. Übe nur so stark, wie der Stretch angenehm ist. Fühlst du nichts, kannst du den Finger einen cm weiter nach vorne bewegen. Übe so für 5 bis 10 Wiederholungen.

Augenentspannung
Unser visuelles System ist mehr denn je ausgelastet. Smartphones, Computer, Tablets und ständige Reklamen wenn man durch die Stadt läuft tragen dazu bei. Wir sind in unserem Alltag einer unglaublichen Menge an visuellen Reizen ausgesetzt, auf die unser System in erster Linie noch nicht optimal angepasst ist. Dieser Überreizung wollen wir mit der 2. Übung entgegen wirken: Die Augenentspannung.

Setz dich hin, schließe deine Augen und lege deine Hände über deine Augen. Versuche eine Hohlhand zu bilden, sodass du keinerlei Druck auf deine Augen ausübst. Es sollte so dunkel wie möglich sein. Nun nimmst du wahrscheinlich Lichtblitze und -flecken wahr. Verharre in der Position einige Sekunden bis diese weniger werden. Üblicherweise dauert es ca. eine halbe Minute. Du kannst auch in der Situation bleiben bis du ein einheitliches Schwarz vor deinen Augen hast. Öffne deine Augen entspannt.

Langsames Wippen
Unser Gleichgewichtsorgan nimmt Informationen zur Beschleunigung und Geschwindigkeit auf. Einfach gesagt: Wir wissen, wo oben und unten ist. Schließen wir unsere Augen im Zug, können wir sagen, ob er nach vorne, hinten oder eine Kurve fährt. Durch das Wippen aktivieren wir das Gleichgewichtsorgan und man kommt in einen entspannteren Zustand. Ähnlich wie eine Mutter, die ihr Kind in den Schlaf wiegt. 

Stell dich gerade hin und suche dir auf Augenhöhe ein visuelles Ziel. Beginne nun langsam aus dem Fußballen rauf und runter zu Wippen. Bewege dich dabei nur so schnell ,wie du das Ziel scharf halten kannst. Übe so für 30 Sekunden.
Wenn du dich nach den Übungen gut fühlst, kannst du sie 3 Mal pro Tag machen. 

Gibt es einen bestimmten Leitsatz, den man sich immer wieder zusprechen kann in langen Krisenzeiten?

Ich denke es gibt immer etwas, was man für sich selbst oder die Leute um einen herum tun kann, um die Situation ein wenig besser zu machen. Dabei ist es nicht wichtig, wie lange sich die Situation bessert oder nicht. Es ist oft schon sehr hilfreich, aus einer Handlungsunfähigkeit herauszukommen.

Ein kleiner Augenzwinker: Wenn ich von dem Song „Last Christmas“ und dem Geschenkeshoppen gestresst bin: Welche Übung empfiehlst du dann?

Um schnell in einen ruhigen Modus zu kommen, empfiehlt sich oft summen gut. Summen aktiviert Muskulatur, die an unserer Stimmbildung beteiligt sind. Diese werden von dem Vagusnerv versorgt. Der Vagusnerv ist einer unserer Hauptnerven, die Stress abbauen.

Durch das Summen aktivieren wir den Nerv und bringen uns runter. Oft bemerkt man gegen Ende der Übung, dass sich die Stimmlage ein kleines bisschen vertieft. Ein weiteres Anzeichen dafür, dass man gerade etwas entspannter ist.

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