Life & Style Kolumne: Starke Kollabs benötigen starke Persönlichkeiten

Kolumne: Starke Kollabs benötigen starke Persönlichkeiten

In seiner neuesten Kolumne warnt Massoud Mahgoli vor geist- und sinnlosen Zusammenarbeiten, die langfristig den Ruf der Marken schädigen

Als ich noch ganz am Anfang meiner Karriere stand, prasselten gleich die ersten großen Einflüsse auf mich ein: Ich war als Junior Label Manager beim Global Player Loco Dice aktiv, spielte nebenher Platten und lernte so auf Umwegen das Duo Inan Batman und seinen Brother from another Mother Afshin Momadi kennen. Batman ist DJ und Designer, Momadi Fashionist und Founding Member bei Afterlife. Die Jungs hatten unter anderem eine Kollabo mit Chi Modu, dem Fotografen von Biggie und Tupac, außerdem gute Jobs in der gehobenen Modeindustrie.

Daran erinnere ich mich heute noch gerne – als Advokat der Kreativität.

Damals pushten die beiden das Label Inan an allen Fronten. Und ich bekam das mit: Ihre Arbeit war für mich extrem greifbar, spannend und authentisch. Die Kollaborationen berührten mich. Sie waren glaubwürdig. Es ging um weit mehr als nur darum, irgendwie zwei Brands miteinander zu verkuppeln.

Fast Forward ins Q1 2022 – meine erste eigene Modekollektion steht in den Startlöchern. Und im Zuge des Launchs habe ich mir viele Fragen gestellt, mich intensiv damit auseinandergesetzt, was so ein gemeinschaftlicher Launch überhaupt leisten soll – und was er leisten kann. Ich bin überzeugt, dass eine Kollab zwingend die Greifbarkeit einer Message braucht. Noch weiter gefasst: Es ist nötig, sich mit dem Gedanken um die Persönlichkeit hinter der Zusammenarbeit auseinanderzusetzen. Sonst bleibt es stumpf und flach.

Sinn der Kollab ist nicht ein simples 1 + 1 = 2. Idealerweise kommt sehr viel mehr dabei rum, der Horizont des Möglichen wird maximal gepusht. Wer mit derzeit hippen Brands arbeitet und schlimmstenfalls bloß seinen Namen draufgibt, positioniert sich nicht nachhaltig. Es ist die starke Persönlichkeit hinter der Kollabo, die sie veredelt.

Derzeit merke ich schon stark, wie sehr Kollaborationen wirtschaftlich getrieben sind. Die Modeindustrie kann unmöglich vorhersehen, was das nächste virale Ding wird. Dementsprechend wird das Salzstreuerprinzip aufgefahren: Geld drauf, Label drauf, ein Drop nach dem anderen, irgendwo wird es schon funktionieren.

Und die Sache ist: Es wird tatsächlich irgendwie und irgendwo funktionieren. Ich kann nachvollziehen, dass die Versuchung riesig ist, mit allem zu kollaborieren, von Streetwear bis hin zu Media-Powerhouses. Bloß ist das Ergebnis dann überhaupt nicht mehr kulturell aufgeladen, hat fast keine Relevanz mehr – es taugt höchstens noch als schneller Joke. Und für die Käufer dann als Gegenstand, den man nur kauft, weil der StockX-Account mit irgendwas gefüllt werden will. Das ist schade. „Irgendwie“ und „irgendwo“ sind das Gegenteil von dem, was ein schlauer Drop sein kann.

Wie es sehr viel besser funktionieren kann, zeigt ausgerechnet ein Traditionsunternehmen – nämlich Porsche. Die sind im Herbst mit dem Pariser Modelabel L’Art de L’Automobile von Arthur Kar eine Partnerschaft eingegangen und haben einen Porsche 968 als Artcar umstylen lassen. Das Ergebnis ist smart, radikal, unerwartet und überraschend – eben alles, was eine gute Kollabo ausmacht. Und das ist nicht alles: Mit dem Künstler Daniel Arsham und seiner Porsche-Skulptur gelang dem Sportwagenhersteller der Coup, in der zeitgenössischen Kunstwelt glaubhaft Fuß zu fassen – bis hin zur NFT-Weiterentwicklung des Werks.

Anyway: Wer geistlos einen Drop nach dem anderen veranstaltet oder einfach nur der gefühlt Zehnte sein will, der gemeinsam mit einer familienfreundlichen Comicikone die nächste Kollab droppt, begeht mindestens gleich zwei Fehler. Denn einerseits erfindet er das Rad nicht neu – und läuft damit dem Gebot der unbedingten Kreativität zuwider. Andererseits läuft er Gefahr, sich mit diesen distinktionslosen Projekten selber überflüssig zu machen. Schlimmer noch: unauthentisch. Think about that.

Das ist ein Text aus unserer Ausgabe 6/2021: Außerdem findet ihr darin 100 spannende Menschen, von denen wir im neuen Jahr Großes erwarten. Wir haben die Musik-Chefin von Youtube Deutschland im Berliner Google-Büro getroffen. Und der CEO von Reddit war in der Redaktion zu Gast und hat mit uns über Memes und WallStreetBets diskutiert. Hier gibt es das Magazin zum Bestellen.

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