Life & Style DJ und Ökologe Dominik Eulberg: „Die Natur war meine erste Liebe“

DJ und Ökologe Dominik Eulberg: „Die Natur war meine erste Liebe“

Ökologe, Autor und DJ Dominik Eulberg hat ein weiteres Konzeptkunst-Album vorgelegt. Was steckt hinter dem Werk?

Dominik, du bist DJ, aber auch Ökologe, Naturschützer und Autor. Eine extrem vielfältige Jobexistenz.

Ich habe das nie so geplant, sondern habe es sich frei entwickeln lassen. Musiker wollte ich nie bewusst werden, deswegen habe ich auch kein Instrument spielen gelernt. Außerdem hat mich Musik lange nicht interessiert, bis ich das erste Mal elektronische Musik gehört habe. Das hat für mich Sinn ergeben, weil es für mich die natürlichste Form der Musik ist.

Inwiefern natürlich?

Das Erste, was wir Menschen hören, ist der Herzschlag im Mutterleib. Darauf sind wir konditioniert. Und unser Herzschlag gleicht sich der Musik an, die wir rezipieren. Elektronische Musik passt zum unbändigen Fluss des Lebens. Alles fließt. Und das Tolle an der elektronischen Musik: Es gibt klanglich keine Limitierung.

Und dann hast du noch die Ökologie für dich entdeckt?

Die Natur war meine erste große Liebe, mein Entertainmentsystem. Also habe ich Ökologie studiert. Das ist alles intrinsisch gewachsen. Unter der Woche ziehe ich mich gerne in die Natur zurück, am Wochenende darf es auch mal scheppern, hedonistisch werden.

Worin genau steckt für dich der Reiz, mehrgleisig zu fahren?

Ich sage immer: Die Dosis macht das Gift. Daher ist es gut, antagonistische Felder zu bespielen. Um in der Balance zu bleiben. Das Großartige ist ja, wenn einem als Künstler eine Bühne geboten wird, die man für wichtige Botschaften nutzen kann. In meinem Fall ist es die Natur, sie ist der einfachste, gesündeste und kostengünstigste Schlüssel zu unserem Glück.

Du meinst die Bühne auch im übertragenen Sinne?

Ja, die Bühne kann zum Beispiel auch ein Album sein, wie mein Kommendes. Über das erreiche ich Menschen, die ich sonst mit dieser Botschaft nicht erreichen würde. Ich könnte auch nur DJ sein, um die Welt jetten, Champagner trinken und teuer essen gehen. Aber das würde mich natürlich auf Dauer nicht glücklich machen, da würde mir die Sinnhaftigkeit fehlen.

Werden wir konkret: Was genau macht dich glücklich?

Die Natur. Und wenn ich sie anderen Leuten nahebringen kann. Das ist so nachhaltig und wahrhaftig. Das gibt mir eine ganz tiefe Befriedigung.

Siehst du alle Musikerinnen und Musiker in der Verantwortung, ihre Bühne für eine bestimmte Botschaft sinnvoll zu nutzen?

Absolut, alles andere würde keinen Sinn machen. Ein arrivierter Künstler hat für mich immer eine Verpflichtung, seine Reichweite für einen Zweck zu nutzen, der sich am Gemeinwohl orientiert. Das kann vieles sein, bei mir ist es eben die Sensibilisierung für unsere Überlebensversicherung Natur.

„Avichrom“ (erscheint am 4.3)

Alle elf Titel deines neuen Albums „Avichrom“ tragen die Namen von Vögeln. Was steckt dahinter?

Seit ich ein Fernglas in der Hand halten kann, beobachte ich Vögel. Es gibt 259 regelmäßige Brutvogelarten in Deutschland. Mutter Natur hat in der Welt der Vögel ihre komplette Farbpalette verwendet, sodass sich zu elf Farben namentlich eine heimische Vogelart finden lässt.

Daher also die elf Tracks!

Genau, nicht mehr und nicht weniger. Das hat mir auch geholfen, das unendliche Feld der Optionen beim Musikmachen abzustecken. Mich etwas einzugrenzen. Für jedes Stück habe ich mir eine andere Vogelart in Habitus und Phänotypus vorgestellt.

Überraschend, hier auf Konzeptkunst zu treffen. Wie hast du das im nächsten Schritt in die Form von Musik gebracht?

Nach jahrzehntelangen Beobachtungen greife ich da mittlerweile auf einen großen Fundus an Begegnungen und Erinnerungen zurück. Diese Erinnerungen erzeugen Schwingungen in mir. Wie ein Maler ein Bild eines Vogels malen würde, erzeuge ich als Musiker die passenden Töne auf Synthesizern.

Es ist dein sechstes Album. Wie genau unterscheidet es sich sonst noch von deinen anderen Werken?

Man entwickelt sich immer weiter, erweitert seinen musikalischen wie produktionstechnischen Horizont. Mein Ziel war es dieses Mal, ein bunteres Album zu machen. Das einen mit auf eine Reise nimmt, in verschiedenen Klangkostümen. Bei all dem Vogelsterben hätte ich auch ein dystopisches Album machen können, aber ich wollte eines erreichen: die Naturschutzbemühungen als positive Lebensphilosophien verstehen.

Inwieweit spiegelt sich diese Haltung im Sound wider?

Die Musik ist sehr divers und bunt, lustvoll und lebensbejahend. Diversität ist kein theoretisches Gedankenkonstrukt, sondern ein praktisches Prinzip der Natur zum Erhalt des Lebens. Bei der Abmischung habe ich darauf geachtet, dass sie klar und rein ist wie ein Bergsee. Diese elaborierte Auflösung hat etwas von der Schönheit der Natur. Es war mir wichtig, meine Musik in jedem kleinen Detail ungefiltert und funkelnd zu lassen.

Deswegen wirst du auch als Erfinder des Öko-Technos bezeichnet.

Was ist denn bitte Öko-Techno? Der Mensch muss immer Dinge kategorisieren, um sie greifen zu können. Meine Musik ist, so denke ich, sehr eigen oder einzigartig – das meine ich weder positiv noch negativ. Mein Stil ist sehr verspielt und melodisch komplex, eher unüblich für elektronische Musik. Es ist also schwer, eine klare Aussage über meinen Musikstil zu treffen. Es ist mir aber auch egal, da ich die Musik mache, die mich beglückt, egal was für ein Genre das jetzt sein mag.

Wie viel Zeit nahm die Produktion des Albums ein? So neben den vielen anderen Projekten als Ökologe.

Das war schon ein Balanceakt im letzten Jahr, ich habe so viele Projekte unterschiedlichster Natur. Viele Menschen denken, ich sitze zwölf Stunden im Studio vor meinen Synthesizern. Aber es gibt eben auch Spannenderes, als vor dem Computer Tasten zu drücken.

Hat sich der Release deines Albums deshalb zweimal verschoben?

Das hatte verschiedene Gründe. Hauptsächlich lag es an der Pandemie. Bei den Lieferketten für das Material der Platten gab es Engpässe. Ein weiterer Grund dafür war aber auch das neue Album der Band Abba. Die haben Unmengen an Vinyl produzieren lassen.

Absurd, dass eine einzige Band solche Auswirkungen haben kann.

Ja, gerade auf kleinere Labels kann sich das auswirken, weil sich die Produktionsprozesse dadurch verschieben können.

Jetzt steht der Release fest: Dein Album erscheint im März. Planst du, auf Tour zu gehen?

Natürlich. Die Musik live dem Publikum zu bieten: Dafür hat man die Musik ja auch geschrieben. Es ist sehr schmerzlich, nicht zu wissen, ob oder wann man dies wieder tun darf. Neben all der nervigen und frustrierenden Planungsunsicherheit ist die Pandemie jedoch auch für viele Künstler existenziell bedrohlich, da man als Musiker im digitalen Zeitalter nun mal weit über 90 Prozent seiner Einnahmen mit Auftritten generiert. Es sollte da viel mehr Solidaritätsausgleich geben. Gerade für junge Künstler:innen, die sich etwas aufbauen, ist das der Horror gerade.

Was muss passieren, damit du die Musik aufgibst und dich ganz der Ökologie widmest?

Ich werde die Musik sicherlich nie ganz verlassen. Ich liebe es, Musik zu machen und auch aufzutreten. Sie ist zudem ein so herrlich lustvoller und niederschwelliger Vektor für all meine Natursensibilisierungsprojekte. Die Frage, die man sich als Musiker nur immer stellen sollte: Wie erfolgreich will ich mit meiner Musik sein?

Wir sind gespannt auf die Antwort.

Am Anfang meiner Musikkarriere habe ich alle Grenzen ausgelotet. 20 Auftritte pro Monat in verschiedenen Ländern gespielt. Die Welt gesehen. Das war sehr reizvoll, aber heute ist das für mich nicht mehr nachhaltig. Ich will meine Kunst eher hier betreiben. Es ist wie in der Natur: Die kleinen Wunder findet man schon vor der eigenen Haustür.

Dies ist ein Text aus unserer Ausgabe 1/2022: In unserem Dossier beschäftigen wir uns mit dem Comeback des luxuriösen Lifestyles: reisen, speisen, residieren. Wir haben außerdem die Königsklasse der Fin-Meme-Bubble Papas Kreditkarte und Hedgefonds Henning zum Doppelinterview getroffen. Und mit Sony Musics GSA-CEO über seine Wurzeln gesprochen, über Dante Alighieri und darüber was ein Plattenlabel ausmacht, wenn es gar keine Platten mehr gibt. Hier gibt es das Magazin zum Bestellen.

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