Life & Style Eskapismus pur: Ein Rundgang durch Palermos legendäres Grandhotel

Eskapismus pur: Ein Rundgang durch Palermos legendäres Grandhotel

Auch Normalsterbliche bekommen auf diese Weise Zugang auf Zeit, lernen probeweise Luxus kennen. Zwei Stunden im Leben der One Percent, bitte. Auch beliebt in Palermo: das Hotel für Privatfeiern zu mieten.

Der Garten der Villa Igiea steht unter Denkmalschutz und eignet sich perfekt für diese Anlässe. Ein kleiner Tempel direkt über den Klippen mit Blick zum Meer war in den vergangenen Jahren das beliebteste Fotomotiv für Hochzeiten. Einmal die Torte anschneiden und in die Kameras lächeln. Glück fürs Foto: nicht nur für die One Percent erreichbar. Das Geschäft mit den Events läuft in der Villa Igiea gut, für 2022 sind bereits fünf Buchungen von großen Corporate-Kunden reingekommen. Die lassen sich dann auch nicht mit einem Konferenzraum samt Catering abspeisen, sondern mieten – geschlossene Gesellschaft – gleich das ganze Hotel.

Keine goldenen Hähne

Anfang des Jahres geht das Hotel in eine Winterpause, es muss noch weiter renoviert werden. Viele der Suiten und Zimmer sind deswegen gerade schon leer. Doch auch wenn sie natürlich nur unbewohnte Zimmer zeigt, folgt die PR-Managerin der Villa beim Rundgang einer alten Hotelier-Sitte: Sie klingelt an jeder Tür, bevor sie die Zimmer betritt – lieber auf Nummer sicher gehen. Das oberste Gebot eines Grandhotels: Bitte nicht stören. Das hat sich seit den Zeiten Alfred Polgars nicht geändert.

Die Einrichtung hingegen hat sich stark verändert. Die Zimmer bekamen infolge der Übernahme durch die Forte-Hotels im Jahr 2019 einen neuen Stil. Nicht allzu protzig. Marmor in den Bädern, das schon, aber bitte keine goldenen Wasserhähne. Viel Blau und Braun, abstrakte Gemälde an den Wänden, kein Stuck, keine zu ausgefallenen Muster. Hier ist ein selbstverständlicher Umgang mit dem Haben zu betrachten: Wer will schon so wirken, als müsse man den eigenen Status bewiesen bekommen?

Wer ernsthaft reich ist, wird auf goldene Löwen am Türgriff verzichten können. Im Jahr 1899, als die Villa Igiea gerade erst in Planung war, prägte der US-Soziologe Thorstein Veblen den ätzend gemeinten Begriff der „Conspicuous Consumption“ – Besitztümer, die eigentlich nur dazu da sind, um anzugeben. Rund 120 Jahre später verfolgt die Einrichtung der Villa Igiea ein Eingeweihtsein: Understatement, bitte.

Für ein Haus wie die Villa Igiea, das die einstige Inhaberfamilie Florio zum spektakulären Architekturjuwel ausstatten ließ, ist dies eine beinah ironische Wendung. Denn die Florios waren eine schwerreiche Dynastie, die ihr Geld mit Thunfisch verdiente. Die Fabrik zur Verarbeitung des Fangs kann man noch heute vom Garten der Villa aus sehen. Um die Jahrhundertwende kauften sie den Vorgängerbau des Hotels von einem Engländer. So sollte für Gäste aus der feinsten internationalen Gesellschaft eine Unterkunft entstehen, die sich mit allem messen konnte, was man so von anderen Grandhotels kannte, aus den noblen Häusern in Baden-Baden oder Paris. Sie engagierten dazu Palermos aufstrebenden Architekten Ernesto Basile, der für den sogenannten Liberty-Stil stand, eine lokale Variante des Jugendstils.

Und so entwarf der Architekt mit der Sala Basile einen Raum, den die heutige Mitarbeiterin Rizzo schon mit 17 so aufregend fand, dass sie damals einen Ausflug in das Hotel machte: Die Wände sind bedeckt mit überbordenden Blumen- und Tanzmotiven, wie sie für den Jugendstil typisch sind. Das Deckengewölbe aus Holz wirkt wie natürlich gewachsen, Holzstreben ranken sich in die Höhe, alles ist fließende Form.

Neben der Villa Igiea hat Basile übrigens auch an Palermos Teatro Massimo mitgebaut, einem Opernhaus. Das wirkte so gewaltig, dass der italienische König sich geweigert haben soll, es zu besuchen – dieses Palermo am Rande seines Landes soll so ein riesiges Theater nämlich gar nicht verdient haben. Alles nördlich von Sizilien redet ja gerne mal abfällig über die Insel, das hat sich bis heute nicht geändert.

Selbst die Florios wanderten später nach Rom aus. So mussten sie auch ihr Wohnhaus verlassen, das sie ebenfalls von Ernesto Basile hatten bauen lassen, im Liberty-Stil natürlich, und zwar hier richtig auf die Spitze getrieben – überall Bezüge zu Schiffen, Wasserpflanzen und anderen Meeresdingen. Diese Florio-Villa, die am anderen Ende Palermos steht, wirkt deshalb wie eine Kreuzung aus Leuchtturm, Meeresschnecke und Segelfregatte. Heute ist sie ein Museum. Und der Besuch ist ein deutlich günstigeres Vergnügen als das Übernachten in der Villa Igiea.

Dies ist ein Text aus der Ausgabe 1/2022: In unserem Dossier beschäftigen wir uns mit dem Comeback des luxuriösen Lifestyles: reisen, speisen, residieren. Wir haben außerdem die Königsklasse der Fin-Meme-Bubble Papas Kreditkarte und Hedgefonds Henning zum Doppelinterview getroffen. Und mit Sony Musics GSA-CEO über seine Wurzeln gesprochen, über Dante Alighieri und darüber was ein Plattenlabel ausmacht, wenn es gar keine Platten mehr gibt. Hier gibt es das Magazin zum Bestellen.

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