Leadership & Karriere Kolumne: Beim Thema Feedback ist unsere Aufmerksamkeit ungerecht

Kolumne: Beim Thema Feedback ist unsere Aufmerksamkeit ungerecht

Von Dr. Hanna Horvath

„Regelmäßiges Feedback hat eine positive Auswirkung auf die Leistung von Mitarbeitenden und Führungskräften”, haben sie gesagt. „Feedback ist ein Geschenk”, haben sie gesagt. Aber jetzt mal Hand aufs Herz: Niemand fühlt sich super, wenn er oder sie kritisiert wird. Und warum denken wir eigentlich bei Feedback zuerst an Kritik?

Aber fangen wir von vorne an: Laut dem renommierten Psychologen William Swann erleben wir, wenn wir kritisches Feedback erhalten, das unserem Selbstbild widerspricht, Gefühle, die mit der Bedrohung unserer Existenz vergleichbar sind. Untersuchungen belegen, dass wir auf ein kritisches Feedback sieben (!) positive Rückmeldungen bekommen müssen, um die Kritik auszugleichen und uns wieder wertgeschätzt zu fühlen.

Unser Gehirn ist evolutionär bedingt ziemlich stark auf kritische Aussagen getrimmt. Positive Aussagen wirklich wahrzunehmen, fällt uns erst einmal schwerer. Man könnte auch sagen: Unsere Aufmerksamkeit ist ungerecht.

Kritisches Feedback sollte immer aus einer wertschätzenden Haltung heraus kommen

Speaking of Wertschätzung: Sie spielt im Berufsleben eine entscheidende Rolle. Zahlreiche Studien belegen, dass Wertschätzung für unser Wohlbefinden am Arbeitsplatz wichtiger ist als Gehalt oder steile Karriereoptionen: Bekanntlich sind es nicht Merkmale wie eine hohe Arbeitsbelastung oder das als zu niedrig empfundene Gehalt, die am häufigsten zu Depression und Burnout führen, sondern ein Mangel an Wertschätzung. Eine gesunde Feedbackkultur hat ihren Ursprung also immer in einer Unternehmenskultur, die von einem wertschätzenden Umgang miteinander geprägt ist.

Die Wissenschaftler Leslie John, Alison Wood Brooks und Jaewon Yoon von der Harvard Business School haben festgestellt, dass die Reihenfolge, in der ihr Feedback gebt – zuerst das positive, dann das negative – über die Aufgeschlossenheit gegenüber Kritik bei eurem Gegenüber entscheidet.

Stellt also zunächst heraus, was er oder sie bereits gut beherrscht oder gemeistert hat. Nehmt euch außerdem Zeit, eure guten Absichten zu erklären. Indem ihr offenlegt, dass es nicht um ein Gegeneinander, sondern eine Erreichung eines gemeinsamen Ziels geht, tragt ihr dazu bei, dass euer Gegenüber das kritische Feedback besser aufnimmt.

Sammelt unbedingt konkrete Beispiele, um euer Feedback zu belegen. Nur so hat der Empfänger oder die Empfängerin die Möglichkeit nachzuvollziehen, was konkret kritisiert wird.

Jemandem zu sagen, dass man sich „einfach nicht auf sie verlassen kann“, ist nicht zielführend und schon gar nicht wertschätzend. Vielmehr solltet ihr zum Beispiel benennen, bei welchen Projekten eine vorher definierte Deadline nicht eingehalten wurde und warum das problematisch ist.

Gebt kritisches Feedback außerdem möglichst zeitnah, nicht erst Wochen oder Monate später beim Jahresgespräch. Nur so haben die Kritisierten die faire Chance, ihr Verhalten zeitnah zu verbessern. Eine Aussage wie „Ich ärgere mich schon seit Monaten über dich!“ bringt niemandem etwas, sondern kann eine Beziehung nachhaltig stören.

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