Productivity & New Work Lunia Hara: „Es sollte bei Offenheit nicht um Autorität, sondern um Vertrauen gehen“

Lunia Hara: „Es sollte bei Offenheit nicht um Autorität, sondern um Vertrauen gehen“

Offenheit bei Führungskräften ist ein großes Thema – erst recht, seitdem Beiträge auf Linkedin immer persönlicher werden. Doch was meint Offenheit eigentlich? Wann wird sie zu viel?

Darüber sprechen wir mit Lunia Hara. Sie ist Director im Bereich Projektmanagement beim digitalen Dienstanbieter Diconium, Expertin für die Themengebiete emphatische Führung, Diversity und digitale Transformation. Und Außerdem Linkedin Top Voice und Changemaker. Ihre These: Wenn Führungskräfte nicht offen sind, lenkt das Mitarbeitende von der Arbeit ab.

Lunia, wie stellst du dich als Führungskraft neuen Mitarbeitenden vor?

Meistens sage ich: ‘Ich freue mich mit dir zusammenzuarbeiten. Während deiner Probezeit möchte ich, dass du bei Fragen und Problemen immer zu mir kommst. Deswegen haben wir einen wöchentlichen Termin, damit ich sehe worin ich dich unterstützen kann. Sag mir, wenn dir Expertise fehlt, dann finden wir jemanden, der dir das beibringen kann.

Und zu meiner Person: Ich versuche immer transparent dir gegenüber zu sein. Manchmal bin ich auch gehetzt und sage vielleicht etwas, was dir eventuell komisch vorkommt. Wenn du dieses Gefühl nach unserem Gespräch hast, sprich mich darauf an, dann sprechen wir darüber.  Ich möchte, dass du dich auf die Arbeit konzentrierst und nicht darüber nachdenkst, was ich von dir wollen könnte. Ich bin die Person, die das auflösen kann. Deswegen komm zu mir.‘

Was meinst du mit Offenheit, wenn wir darüber sprechen?

Ich merke, dass viele Führungskräfte sich zurückhalten oder verstellen. Das ist totaler Quatsch. Dadurch schaffen sie Störungen in der Kommunikation, weil wir ja auch nonverbal kommunizieren. Wir Menschen lernen nonverbale Kommunikation noch bevor wir sprechen lernen. Sie ist unsere erste Sprache. Bei Offenheit geht es mir darum, keine künstliche Distanz aufzubauen, sondern ich selbst zu sein.

Wieso ist das so wichtig?

Weil es nichts bringt. Das Team merkt trotzdem, wenn Vorgesetzte nicht authentisch sind.

Dann fangen sie an, sich Gedanken zu machen und in der Kaffeeküche über ihre Vorgesetzten zu reden. Das machen wir alle, wenn uns etwas komisch vorkommt. Und das ist genau diese Störung, die ich eigentlich als Chef oder Chefin verhindern kann. Ich möchte, dass die Leute sich auf die Arbeit fokussieren und nicht die Zeit damit verplempern, mich zu analysieren. Das ist Energieverschwendung. Wenn sie sich mit mir beschäftigen, dann soll es etwas Positives sein. Das wiederum schafft Glücksmomente für alle.

„Ich bin allerdings der Meinung, dass die meisten Probleme, keine persönlichen Probleme sind.“

Lunia Hara

Wo fehlt Offenheit oft?

Auf der persönlichen Ebene. Wenn man sagt, dass man schlecht geschlafen hat oder sich nicht gut fühlt und deswegen Gedankenaussetzer hast oder nicht auf der Höhe ist, kann das Team das gleich besser einsortieren und zerbricht sich nicht den Kopf darüber, was los ist.

Aber es geht auch um andere Dinge, die vielleicht noch tiefer in der Persönlichkeit liegen. Zum Beispiel, wenn Vorgesetzte dazu neigen, ihre Mitarbeitenden zu kontrollieren. Auch das sollten sie offen kommunizieren. Die Kontrolle führt ja dazu, dass Mitarbeitende verunsichert werden, weil sie dann das Gefühl haben, ihnen wird nicht vertraut. Sie denken sie wären das Problem, obwohl es nicht so ist. Geht man als Führungskraft damit in die Offensive, lassen sich Lösungen finden. Mitarbeitende können alle zwei Tage den aktuellen Stand schicken und Arbeitsprozesse in ihre Routine einbauen und fühlen sich nicht durch ständige Rückfragen in Frage gestellt. So wird man als Führungskraft auch mehr vom Team besser unterstützt.

Wieviel Offenheit ist gut?

Ich finde, das muss jeder für sich entscheiden. Wenn ich ein Vertrauensverhältnis aufbauen will, ist es hilfreich, wenn ich mich privat öffne. Da muss ich als Führungskraft in Vorleistung gehen, indem ich zuerst von mir selber erzähle. Aber man sollte natürlich nicht die Erwartungshaltung an die Mitarbeitenden haben, dass sie es dann auch tun. Das muss freiwillig passieren.

Was ist denn „privat?“

„Privat“ ist immer eine Differenzierung. Ich erzähle meinen Mitarbeitenden keine intimen Probleme. Eher allgemeine Sachen: Was ich am Wochenende gemacht habe, wie es meinen Kindern geht. Ich bin allerdings der Meinung, dass die meisten Probleme, keine persönlichen Probleme sind. 80 Prozent der Probleme haben alle anderen Menschen auch.

Wie kommst du zu der These?

Viele Leute nehmen ihre Probleme als persönlich wahr, weil sie sich anderen gegenüber nicht öffnen. Wenn man drüber spricht, findet man schnell Menschen, die das gleiche Problem haben oder ein ähnliches und dann ist es nicht mehr persönlich.

Das ist gut. Das verbindet uns und zeigt, dass viele Probleme normal sind. Das gilt auch in der Arbeit. Wenn man als Führungskraft Mitarbeitenden das Gefühl gibt, dass man ihre Probleme nachvollziehen kann und eigene Erfahrungen einbringt, nimmt das den Druck aus der Situation.

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