Life & Style Kolumne: Massoud Mahgoli über ehrlose Posts auf Social Media

Kolumne: Massoud Mahgoli über ehrlose Posts auf Social Media

Eine Kolumne von Massoud Mahgoli aus unserem aktuellen Heft

Unser Kolumnist Massoud Mahgoli über einen der schlimmsten Auswüchse der Gegenwart: inspirierend gemeinte Reichweiten-Hacks in Businessnetzwerken.

In dieser Ausgabe will ich mich auslassen – und zwar über meine Zweifel an einem derzeit weitverbreiteten Phänomen auf Social Media. Ich wundere mich schon seit einiger Zeit über das Verhalten einzelner Personen auf Social Media, wenn es um das heiß diskutierte Thema People and Culture geht.

Don’t get me wrong, es ist für jedes Unternehmen wichtig, das Team zu würdigen, zu supporten und zur Entwicklung eines jeden Individuums im Betrieb positiv beizutragen. Natürlich immer vorausgesetzt, dass die Mitarbeitenden dafür auch die nötige Bereitschaft zeigen, sich entwickeln zu wollen.

Es fällt mir allerdings schwer, eure pseudo-deepen Posts ernst zu nehmen. Denn wenn Leute anfangen, auf Linkedin die große Empowerment-Keule zu schwingen, wirkt das auf mich immer eher wie ein Sideshow-Gag in der hundertsten Wiederholung einer TV-Sitcom am Nachmittag.

Ein Unternehmen funktioniert im Endeffekt genau wie eine Gang, ein Bikerclub oder die Mafia. Was uns „Der Pate – Teil II“ gelehrt hat: Die Mafia wurde nach dem Prinzip des römischen Heeres organisiert. Der Tribun führt das Heer, der Centurio bildet aus und kümmert sich um das Administrative, und der Fußsoldat steht vorne, trägt das Schild und schluckt den Schlamm.

Nach dem Vorbild der Mafiosi haben sich dann auch andere organisierte Verbrecher strukturiert. Wer jetzt denkt, dass die Strukturen dieser organisierten Verbrecher nichts mit der heilen Wirtschaftswelt zu tun haben, irrt allerdings gewaltig.

Der CEO delegiert an den Direktor, der Direktor wälzt die Aufgaben ab auf den Abteilungsleiter, und der lässt am Ende die Juniors und Praktikanten ranklotzen – die den Schlamm schlucken.

Einen wesentlichen Unterschied gibt es dann allerdings doch: Während in einer Gang gehustlet wird und sich der Respekt durch offene Kommunikation verdient wird, bitchen die Bürohengste lieber auf Linkedin, anstatt sich face-to-face mit dem Vorgesetzten auseinanderzusetzen. Auf der Straße nennt man diese Leute 31er, eine unloyale Person, die die eigene Crew hintergeht.

Was mit 31ern passiert, kann man sich in den verschiedensten Mafiafilmen ansehen. Kleiner Spoiler: Von dem deutschen Justizsystem halten die allermeisten dieser Organisationen eher wenig. Dort gilt weiterhin das alte Prinzip von „Auge um Auge, Zahn um Zahn“.

Versteht mich bitte nicht falsch, ich möchte nicht, dass Arbeitnehmer zukünftig um ihre körperliche Unversehrtheit oder gar ihr Leben bangen müssen. Was man sich von Gangs und Bikerclubs dennoch aber abgucken kann: Wer respektiert und ernst genommen werden will, muss mutig sein und sein Problem direkt mit dem Präsidenten persönlich besprechen. Entsprechend wird ein solcher Mut auch belohnt.

Statt also zu denken, dass ihr mit eurem Linkedin-Post und dessen 34 Likes einen Beitrag zur New-Work-Welt von morgen leistet, beweist eurem Boss, dass ihr Eier habt. Euer Post ist nicht nur peinlich, sondern bringt euch im Worst Case eine Abmahnung für unmoralisches Verhalten im Unternehmen.

Viel interessanter und erstrebenswerter ist es, die eigene Idee von Arbeitskultur und -moral mit in das Unternehmen einzubringen und damit dessen DNA von innen heraus zu verändern. Manchmal bedarf es hierfür eben auch des einen oder anderen ungemütlichen Disputs mit den Vorgesetzten.

Solltet ihr am Ende merken, dass all euer Mut nicht belohnt wird, dann bleibt euch nur noch eine Option, ohne wegen eines weinerlichen Linkedin-Posts eure Ehre zu verlieren: Sagt eurem Boss, dass ihr kündigt, und sucht euch einen neuen Job, der zu euren Ansprüchen und eurer Arbeitsmoral passt.

Immerhin beschränkt man sich so nicht auf einen Micro-Reach auf Social Media und denkt dann, dass man echten kulturellen Impact auf die eigene Arbeitswelt hat. Hier halte ich es lieber mit Gangs und Rockerclubs: Aim for respect, not likes.

Massoud Mahgoli: Der Designer sorgt mit seinen Cross-over-Werken international für Aufsehen und zählt einen erlesenen Kreis an Rappern, Sportlern und Schauspielern zu seinen Fans – unter anderem Dennis Schröder von den Los Angeles Lakers.

Dieser Text stammt aus unserer Ausgabe 3/22. In unserem Dossier dreht sich dieses Mal alles um das Thema Climate-Tech. Auch mit dabei: Wie der Head of Hiphop dem Streamingriesen Apple Music endlich eine junge Zielgruppe zuführen soll. Außerdem: Was passiert im Super Startup Adventure Camp Barcelona? An welcher veganen Alternative arbeitet das Food-Tech-Startup Perfeggt? Und noch vieles mehr…

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