Productivity & New Work Unsere Kolumnistin Hanne Horvath weiß, wie es ist, sich täglich mehrmals im Job zu outen

Unsere Kolumnistin Hanne Horvath weiß, wie es ist, sich täglich mehrmals im Job zu outen

Eine Kolumne von Hanne Horvath

Es beginnt meistens am Montagmorgen mit der Frage: “Na, wie war dein Wochenende so?”. Ich habe das Wochenende mit meiner Frau und unserem gemeinsamen Kind verbracht. Für mich ist das einfach mein Alltag, aber für manche Menschen ist das eben immer noch ungewöhnlich. Am Anfang meiner beruflichen Laufbahn fiel es mir sehr schwer offen über mein Privatleben zu sprechen und auch heute noch gibt es Momente, in denen ich kurz Mut sammle, bevor ich antworte. Es sind die alltäglichen Situationen, der Small-Talk in der Kaffeeküche oder zu Beginn eines Meetings, die viele Menschen aus der LGBTQ+ Community immer wieder neu herausfordern.

Auch wenn die Reaktionen, die ich persönlich während meiner Karriere erlebt habe, eher positiv bis neutral und nur sehr selten negativ waren, es bleibt die Angst vor Ablehnung. Noch viel mehr, es bleibt der Wunsch einfach mal keine besondere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Denn das passiert ganz automatisch: Wer es anders macht, fällt auf, und das ist nicht immer angenehm. Wer sich zu einer gesellschaftlichen Minderheit zählt, der weiß sicherlich wovon ich spreche. 62 Prozent aller vorher geouteten LGBTQ+ Personen nehmen in ihrem ersten Job ihr “Outing” quasi zurück und verstecken ihr Privatleben erst einmal. 62 Prozent!

Warum? Vielleicht weil ich vor jedem Urlaub checken muss, ob ich in diesem Land, in diesem Hotel, offen mit meiner Familie sein kann. Homosexualität wird heute noch in vielen Ländern strafrechtlich verfolgt wird, in manchen davon droht sogar die Todesstrafe

Oder weil ich mich sehr genau daran erinnere, wie mir am Kölner Hauptbahnhof jemand “Euch sollte man vergasen!” entgegen schrie. Auch im vermeintlich gleichgestellten Deutschland muss ich Gewalt fürchten, wenn ich mit meiner Frau Hand in Hand spazieren gehe. Straftaten, die gegen eine bestimmte sexuelle Orientierung gerichtet oder als transphob erfasst wurden, haben im letzten Jahr um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Dazu passend hat das Münchener Oktoberfest beschlossen, LGBTQ+ Personen darauf hinzuweisen, auf dem Fest doch bitte “zurückhaltend” zu sein. Vielleicht wäre eine Aufklärung über angemessenes Verhalten gegenüber LGBTQ+ Personen besser gewesen?

Vor diesem Hintergrund der gesellschaftlichen Diskriminierung, ist es doch eigentlich klar, dass für manche von uns die Frage nach den Urlaubs- oder Wochenendplänen im Job für Stress sorgt. Was hilft, ist meines Erachtens mehr Sichtbarkeit von LGBTQ+ Kolleg:innen am Arbeitsplatz. Wenn ich weiß, dass in einem Unternehmen andere queere Menschen arbeiten, fühle ich mich von Beginn an wohler und es fällt mir vielleicht auch leichter über mein Privatleben zu sprechen authentisch “ich” sein zu können, und damit auch letztlich meinen Job besser machen zu können.

Hanne Horvath ist Mitgründerin und VP Business Development der Online-Therapieplattform HelloBetter, die digitale Gesundheitsanwendungen zur Behandlung von Stress, Burnout, Panik, chronischem Schmerz oder Vaginismus kostenfrei auf Rezept anbietet. ©HelloBetter

Als Teil des Leadership Teams von HelloBetter habe ich mir deshalb angewöhnt besonders offen zu sein. Ich rufe jetzt niemanden an, der neu bei uns beginnt und sage: “Hey, ich bin übrigens lesbisch”, aber ich versuche sehr sichtbar zu sein. Das hilft insbesondere neuen Kolleg:innen sich bei uns sicher und zugehörig zu fühlen. Dieses Glück hatte ich zu Beginn meiner Karriere nicht. Während meiner Zeit an der Uni und während diverser Praktika, auch in meinem ersten Job, war niemand sichtbar queer und das hat mir zu schaffen gemacht. Ich war irgendwie immer auf der Hut und habe oft ausgelassen, dass ich eine Freundin habe.

Wie viele noch immer im beruflichen Umfeld unter ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität leiden, zeigt eine Studie der University of California, in der mehr als 40 Prozent der LGBTQ+-Beschäftigten berichten, dass sie zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben eine ungerechte Behandlung am Arbeitsplatz erfahren haben. Darunter fallen Entlassung, Nichteinstellung oder Belästigung. Diese Diskriminierung und Belästigung ist andauernd: Fast ein Drittel der befragten LGBTQ+-Beschäftigten gibt an, in den letzten fünf Jahren diskriminiert oder belästigt worden zu sein.

Für alle unter euch, die sich jetzt fragen, was sie also konkret tun könnten, damit diese Zahlen zurückgehen, kommen hier meine drei Empfehlungen zur Förderung von mehr Gleichstellung und weniger Diskrimierung im Arbeitskontext:

Habt ihr den Durchblick?

Falls ihr euch nicht zur LGBTQ+ Community zählt, informiert euch. Auch dann wenn ihr das Gefühl habt, euch da gut genug auszukennen. Ich empfehle ih insbesondere queere Literatur und Magazine zu lesen, Podcasts zu hören oder queeren Instagram Accounts zu folgen. So bekommt ihr einen authentischen Einblick in die Gefühlslage der LGBTQ+ Community und euch besser auf die Spur. Selbst ein vermeintliches “Trash TV Format” wie “Princess Charming” (erste lesbische Dating Show der Welt) kann da helfen, grade ist da die zweite Staffel angelaufen. Vielleicht ist euch gar nicht bewusst, dass ihr mit manchen bisher beiläufig dahin gesagten Kommentaren oder Reaktionen eure queeren Mitmenschen verletzen könnt.

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