Life & Style Zum zehnjährigen Jubiläum der „Millerntor Gallery“: Agnes Fritz im Interview

Zum zehnjährigen Jubiläum der „Millerntor Gallery“: Agnes Fritz im Interview

Kunst, Kultur, Musik, Sport, Gutes tun: All das vereint die Millerntor Gallery. Das Festival findet dieses Jahr zum zehnten Mal im Stadion des FC St. Pauli statt, vom 23. bis 26. Juni. Initiator:innen sind Viva con Agua und der FC St. Pauli. Veranstalter:in ist Viva con Agua Arts, ein Social Business, das die Arbeit und Wasserprojekte von Viva con Agua unter dem Motto „Art creates Water“ unterstützt. Wir haben mit Agnes Fritz, Geschäftsführerin von Viva con Agua Arts, über die Hintergründe der Millerntor Gallery gesprochen. Außerdem verrät sie uns, welche Gagdets sie auf dem Festival immer dabei hat.

Agnes, die Millerntor Gallery findet dieses Jahr zum zehnten Mal statt, ihr feiert also Jubiläum. Erinnerst du dich noch an das erste Festival?

Ich habe das erste Festival nicht miterlebt, ich bin erst seit der vierten Runde dabei. Aber das weiß ich noch ganz genau. Damals kamen schon an die tausend Leute. In der ersten Ausstellung wurde die alte Herrenmannschaft des FC St. Pauli porträtiert und man hat befreundete Künstler:innen gefragt, ob sie nicht Bock haben, mit auszustellen. Wir haben für dieses Jahr ein Jubiläumsbuch gemacht mit Bildern von den ersten Millerntor Gallerys. Die Kunst wurden damals noch mit Tape an der Wand befestigt, alles war sehr spontan und hatte dadurch eine besondere Strahlkraft. Es gab zuvor noch nie eine Kunstgalerie in einem Fußballstadion.

Wie beschreibst du die Millerntor Gallery denjenigen, die noch nie davon gehört haben?

Die Millerntor Gallery ist ein jährlich stattfindendes Musik- und Kulturfestival, das sowohl eine Plattform als auch ein riesiges Netzwerk für jegliche Menschen, international und national, mit ganz viel Kunst, Musik und Kultur bietet.

Agnes Fritz. Foto: Marco Fischer

Wie seid ihr bei der Planung des Festivals vorgegangen? 

Bei Viva con Agua ist es immer eine Mischung aus organisch und aktivistisch. Sprich: Man macht einfach mal, ohne sich Gedanken zu machen, wie es eigentlich funktioniert. Ohne die Angst, man könnte es falsch machen. Wir machen einfach und lernen daraus. Das ist einer unserer Grundwerte. Wir wollen Menschen durch ganz leichte Dinge aktivieren, zum Beispiel durch das Sammeln von Pfandbechern auf Festivals oder den Besuch von Kunstgalerien und Lesungen. Wir wollen neue Impulse setzen. Und die setzt man nicht, wenn man nur strategisch vorgeht. 

Bei allem was ihr macht lautet das Motto „Art creates Water“. Erklär doch mal die Bedeutung dahinter.

Das erklärt im Prinzip unseren Social Business Gedanken: Bei Veranstaltungen bekommen die Künstler:innen und Musiker:innen einen Teil der Einnahmen und ein Teil fließt in die Projekte von Viva con Agua. Wie groß die Anteile sind, überlassen wir den Künstler:innen und Musiker:innen. Meistens ist es 50:50. Wir haben überlegt, wie wir dieses Prinzip kurz zusammenfassen können. Deswegen der kreative Slogan.

Und ihr als Veranstalter:innen verdient nichts an dem Festival?

Wir müssen natürlich unsere Fixkosten decken. Wir versuchen einfach, insgesamt gut zu wirtschaften. Das bedeutet, dass wir super wenig Festangestellte haben. Heißt auch, dass wir super viele Aktivitäten außerhalb des Festivals organisieren, bei denen wir genau das gleiche Prinzip anwenden. Und wir versuchen, so viel wie möglich an Überschuss zu spenden.

Wenn also nicht Geld der Key zum Erfolg des Festivals ist, was dann?

Die Menschen und das Netzwerk. Ich glaube, ich kenne kein anderes Festival dieser Art in der Größe. Wir kommen immer auf über 17.000 Besucher:innen, und das mit unserer Kostenstruktur. Dadurch haben wir natürlich die Möglichkeit, all diese Kunstverkäufe und Einnahmen weiter zu verwerten, weil wir gar nicht so viele Kosten decken müssen. Deswegen sind das Ehrenamt und die Partner:innen, die hinter dem Festival stecken super wichtig. Ohne sie wäre das alles gar nicht möglich.

Für das zehnjährige Jubiläum habt ihr das Motto „Fluxus – together we flow“ ausgewählt. Wofür steht der Begriff?

Fluxus bedeutet ineinanderfließen. Das passt zum einen zum Thema Wasser, weil es das weiche Element aufgreift. Zum anderen greift es das Ganze von einer künstlerischen Seite auf. Wir geben Menschen und Artists eine Bühne, die vielleicht nicht immer im Rampenlicht stehen. Aus verschiedenen Genres, die ineinanderfließen. Das ist total wichtig, weil wir gemerkt haben: Wir sind keine Kunstgalerie. Wir sind aber auch kein Musikfestival. Wir sind eine Mischung aus beiden Genres. Das heißt performative Sachen, Kunst und Musik, finden bei uns auf einer Bühne statt, in den Gängen, in den Workshops. Alles soll als ein gemeinsamer Raum betrachtet werden, der von verschiedenen Menschen bespielt wird.

Wie wählt ihr die Künstler:innen und Musiker:innen aus?

Da unterstützt vor allem unsere kuratorische Leiterin Hera. Sie hat zum Beispiel die ganzen Street Artists mit ausgesucht. Das liegt auch an ihrem Netzwerk, das sie über die letzten Jahre aufgebaut hat. Ansonsten haben sich bei uns ganz viele Künstler:innen initiativ beworben. Zum Thema Illustration haben wir darüber hinaus einen Open Call gestartet. Wir schauen uns dann alle Bewerbungen kollektiv an und schaffen aus ihnen eine Gesamtkonstellation, was total schön ist.

Da müsst ihr doch sicher auch ein paar Absagen verteilen.

Das ist leider so. Es ist echt unglaublich, wie groß das Interesse ist, an so einem Festival teilzunehmen. Es gibt verschiedene Faktoren, zum Beispiel wollen wir die Frauenquote unter den Musiker:innen auf der Bühne erhöhen. Wir streben schon lange eine 50:50 Quote an, dieses Jahr brechen wir sie auf jeden Fall.

Was ist dein persönliches Highlight der Millerntor Gallery?

Da gibt es einige. Gleich kurz vor der Eröffnung findet immer unsere große Kunstauktion statt. Dann dürfen wir mit Carsten Brosda, dem Kultursenator von Hamburg, am Donnerstag das ganze Festival eröffnen. Das sind zwei Gänsehautmomente für mich. Und wenn wir dann sonntags um 19:10 Uhr die Tore schließen, machen wir immer alle noch einmal ein riesengroßes Gruppenfoto. Das ist mein persönliches Highlight nach dem Festival, weil wir uns abfeiern können für das, was wir auf die Beine gestellt haben.

Was passiert nach dem Festival? Geht es direkt mit der Planung für das kommende Jahr weiter?

Erst mal müssen wir das Stadion wieder leerräumen, das dauert gut zwei bis drei Wochen. Danach geht es dann mit der Produktionszeit für das nächste Jahr weiter. Ich habe vor circa drei Wochen den ersten Ordner dafür angelegt. Den Monat Juli nehmen für uns für Feedback und Gespräche, weil es uns wichtig ist, aus dem letzten Festival zu lernen. Welche Prozesse liefen gut, welche Prozesse liefen nicht so gut und wie wollen wir uns für das nächste Jahr aufstellen? Aktivismus hin oder her: Wir wollen natürlich auf alle Stimmen hören, die Teil dieses ganzen Systems sind, wie wir uns noch verbessern können.

Ihr setzt euch also jedes Jahr aufs Neue andere Ziele?

Ziel Nummer eins ist immer, mehr Wertschöpfung zu generieren, um die Wasserprojekte zu unterstützen. Ein weiteres, starkes Ziel ist es, dass wir möglichst viel bemessen: unter anderem den Stromverbrauch und den produzierten Müll. Wir bemessen an allen Ecken und Enden, um noch mehr Transparenz reinzubringen. Wir versuchen damit anderen einen Impuls zu geben, die vielleicht ähnliche Veranstaltungen organisieren.

Als Veranstalterin bist du selbst jeden Tag auf dem Festival unterwegs. Was darf in deiner Festival-Tasche nicht fehlen?

Also ich laufe mit Funkgerät und meiner kleinen Tasche herum. In der Tasche habe ich ein kleines Lavendelöl, das die Nerven beruhigt. Das gebe ich gerne allen Menschen, die unterwegs sind. Dann habe ich immer ein kleines Heft dabei, in das ich mir Dinge aufschreibe, damit ich sie nicht vergesse. Und dann muss ich noch meine beiden Kinder erwähnen, ich bin ja nicht nur Geschäftsführerin, sondern auch Mama. Das wichtigste für mich ist, mein Leben mit ihnen zu teilen und sie auch mit auf das Festival zu nehmen.

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